Eine ausgelassene Partynacht endete für einen 20-Jährigen aus Radolfzell nicht wie geplant an der Seite von zwei jungen Damen, die er in der Disco kennengelernt hatte. Sondern vor Gericht. Wegen Körperverletzung, weil er einen 59-jährigen Mann mit einem Faustschlag verletzt haben soll, wurde der Auszubildende vor dem Radolfzeller Amtsgericht allerdings nur verwarnt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Hierbei wurde der 20-Jährige noch nach Jugendstrafrecht verurteilt.
Viel wichtiger als eine Bestrafung war für Richterin Julia Elsner die verpflichtende Beratung bei der Fachstelle Sucht. Denn so freundlich und offen der junge Mann vor Gericht wirkte, habe er ein Problem mit Alkohol. Sein Vorstrafenregister war gefüllt mit Delikten und Auffälligkeiten, die allesamt mit dem Konsum von Alkohol oder Drogen zu tun hatten.
Lange Partynacht war Startpunkt
Auch zum Zeitpunkt der Tat im Sommer 2024 war der 20-Jährige gut betrunken. Er hatte die Nacht zuvor in einer Konstanzer Diskothek gefeiert, sei nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung um 5 Uhr früh noch auf eine private Feier weitergezogen. Gegen 9 Uhr morgens schlenderte er in Begleitung zweier junger Damen, die er in der Nacht zuvor kennengelernt hatte, über den grenzüberschreitenden 24-Stunden-Flohmarkt am Seerhein. Der junge Mann war da schon mindestens 27 Stunden auf den Beinen, ein Alkoholtest der Polizei hat einen Wert von 1,8 Promille ergeben.
Ein Sprung mit Folgen
Im jugendlichen Übermut und um die beiden Frauen zu beeindrucken – so werden es später mehrere Zeugen aussagen – soll er zwischen den Marktständen und Passanten in die Luft gesprungen sein, dabei soll er in der Luft die Hacken zusammengeschlagen haben. Bei der Aktion ist er aber scheinbar einer Passantin zu nah gekommen, was deren Ehemann ganz und gar nicht gefiel. Der 59-jährige Mann aus Radolfzell stellte den 20-Jährigen zur Rede, was ihm einfalle, so herumzuspringen.
Eine Provokation, auf die der junge Mann sofort einging – er soll angefangen haben, seinen Kontrahenten zu schubsen. Es entwickelte sich ein Handgemenge, beide Männer stolperten gegen Marktstände, dann flogen die Fäuste. Doch blieb es nicht bei der Auseinandersetzung zwischen den beiden, es mischte sich noch ein dritter, unbekannter Mann ein. Während der 59-Jährige sich nach ein paar Schlägen ins Gesicht aus dem Streit zurückzog, wurde wiederum der 20-Jährige nun seinerseits Opfer des unbekannten Mannes. Dieser boxte, so beschrieben es gleich mehrere Zeugen, auf den jungen Mann ein, bis dessen Gesicht blutüberströmt war.
Der „Boxer“, wie ihn eine Marktbeschickerin nannte, verschwand dann aber schnell und ließ sich auch im Anschluss durch die Polizei nicht wieder finden. Eine Anzeige wegen Körperverletzung wurde deshalb mittlerweile wieder fallen gelassen, erklärte Richterin Elsner.
Geschädigter verzichtet auf Anzeige – Staatsanwaltschaft nicht
Auch der 59-Jährige hatte eigentlich auf eine Anzeige gegen den 20-Jährigen verzichtet. Trotz der Auseinandersetzung brachte der Mann viel Verständnis für den Angeklagten auf. „Er war mit zwei jungen Frauen unterwegs, man hat gemerkt, dass er davor ausgegangen war. Er war auf der Höhe des Genusses. Ich wollte ihm keine zusätzlichen Probleme bereiten, wir waren alle mal jung“, erklärte er vor Gericht. Er habe ein paar Schläge abbekommen, aber keine größeren Schäden davongetragen.
Dass der 20-Jährige doch vor Gericht gelandet ist, hat er sich selbst zuzuschreiben. Da er in der Vergangenheit immer wieder – hauptsächlich betrunken – auffällig wurde, sah die Staatsanwaltschaft Konstanz nämlich ein öffentliches Interesse an der Verfolgung dieser Straftat.
Der Angeklagte hatte zwischen 2019 und 2024 einige Einträge im Strafregister gesammelt. Mehrere Male wurde er mit Drogen oder beim Diebstahl erwischt, zum Beispiel einer Flasche Gin. Und zuletzt wurde er betrunken, ebenfalls mit 1,8 Promille, auf dem Fahrrad aufgegriffen. „Alles hat mit einem übermäßigen Alkoholkonsum zu tun, den müssen Sie in den Griff bekommen“, mahnte die Richterin.
Angeklagter zeigt sich einsichtig
In diesem Punkt zeigte sich der Angeklagte mehr als einsichtig. „Ich weiß, dass ich da ein Problem habe, und will das jetzt auch angehen“, erklärte er. Er hatte bereits einen Termin bei der Fachstelle Sucht vereinbart und sei noch auf der Suche nach einem Therapeuten. Denn während seiner Aussage zu seinen privaten Lebensverhältnissen offenbarte der junge Mann eine tragische Lebensgeschichte, die ohne professionelle Hilfe nur schwer zu verkraften ist. Seine Eltern seien beide drogenabhängig gewesen und seitdem er zwei Jahre alt war, lebte er in Pflegefamilien. Familiäre Bindungen gebe es aktuell nur zu seiner Großmutter. Sein Bruder leide an einer psychischen Erkrankung, doch ihn besuche er regelmäßig.
Da er trotz all der schwierigen Umstände, immer gearbeitet hatte und jetzt eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik absolviert, attestierte ihm der Staatsanwalt eine positive Zukunftsprognose. Er müsse nur seinen Alkoholkonsum in den Griff bekommen. Mindestens sechs Termine bei der Suchtberatung müsse er absolvieren und 250 Euro als Täter-Opfer-Ausgleich bezahlen. Der 20-Jährige nahm das Urteil noch an Ort und Stelle an, es ist rechtskräftig.