Der Klimawandel geht nicht an der Politik und Stadtverwaltung vorbei: Wie Privatpersonen auch, nehmen die Menschen bei der Stadt Radolfzell zur Kenntnis, dass sich das Klima in unseren Breitengraden in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geändert hat und dies höchstwahrscheinlich auch in Zukunft tun wird.

Im Stadtentwicklungsplan (Step 2030) sind die Themen Umwelt und Klimaschutz seit dem Jahr 2016 daher als Querschnittsthema verankert. Damit ist der Einfluss dieser Aspekte auf alle anderen Entscheidungen gewährleistet.

Bewirtschaftung von grünen Flächen nimmt mehr Zeit in Anspruch

Längst haben die theoretischen Gedanken zu konkreten Handlungen innerhalb der Stadtverwaltung und seiner Betriebe gesorgt. Besonders handfest wird dies im Bereich Landschaft und Gewässer. Im Gespräch mit Abteilungsleiter Wolfgang Keller und Tim Grzelachowski, der die Landschaftsplanung und das Grünflächenmanagement organisiert, werden diese Umsetzungen deutlich.

Grundsätzlich handelt es sich beim „Klimawandel um ein Topthema der Stadt“, wie Wolfgang Keller erklärt. Unter anderem werden nach einem Gemeinderatsbeschluss künftig zwei Prozent der Gesamtausgaben in diesen Bereich fließen. Vor allem die Technischen Betriebe der Stadt als aufführenden Organe bekommen die Auswirkungen des Klimawandels direkt zu spüren. So hat sich die Zeit in der Bewirtschaftung des Grüns auf den städtischen Flächen in den vergangenen Jahren deutlich verlängert. „Die Pflegemaßnahmen beginnen immer früher, weil die Vegetation früher beginnt und sie endet später im Jahr, weil es länger warm ist“, führt Keller aus.

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Mehr Arbeit wegen Trockenheit

Eine der dazu gehörenden Arbeitsmaßnahmen hat sich besonders spürbar ausgedehnt: „Wir haben einen hohen Aufwand mit dem Gießen der Pflanzen“, sagt Tim Grzelachowski. Dabei versucht man längst, die zunehmende Trockenheit über das Jahr mit anderen Maßnahmen zu kompensieren. So werden neu zu pflanzende Bäume praktisch nur noch in ein entsprechendes Pflanzgranulat gesetzt, dass die Feuchtigkeit besser halten kann. Um den Start der Bäume zu erleichtern, sorgen Wassersäcke für eine besser Feuchtigkeitszufuhr. Gesetzt werden sie vorzugsweise im Herbst, da die Frühjahre immer öfter zu trocken ausfallen und die Bäume so nicht sofort einem enormen Stress ausgesetzt sind.

Vergissmeinnicht ist ein beliebter Frühlingsblüher. Von April bis in den Juni erstreckt sich die Blütezeit hinein. So lange kann sie im ...
Vergissmeinnicht ist ein beliebter Frühlingsblüher. Von April bis in den Juni erstreckt sich die Blütezeit hinein. So lange kann sie im Stadtpark in Radolfzell bewundert werden. | Bild: Marinovic, Laura

Auswahl der Pflanzen hat sich verändert

Vor allem die Pflanzenauswahl hat sich in den vergangenen Jahren verändert. So setzen die Mitarbeiter der Technischen Betriebe vermehrt Pflanzen und Bäume, die mit Trockenheit und Wärme besser zurecht kommen als so manche angestammte heimische Art. Daher kommen auf den städtischen Grünflächen immer öfter Stauden, Sträucher und Bäume zu Einsatz, die den neuen Widrigkeiten besser trotzen können.

Gleichzeitig steigt der Aufwand durch die sich ändernden klimatischen Verhältnisse. „Wir müssen immer öfter unseren Baumbestand kontrollieren“, sagt Wolfgang Keller. Um diesen Mehraufwand etwas zu kompensieren, setzten die Gärtner zunehmend weniger pflegebedürftige Pflanzen in die Beete und straßenbegleitenden Flächen.

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Pflegeleichte Pflanzen im Stadtgarten

Deutlich wird dies unter anderem im Stadtgarten. Im Jahr 2018 wurde damit begonnen, die Zusammensetzung der Pflanzen zu ändern. Mittlerweile stehen dort fast ausschließlich mehrjährige Stauden und Sträucher. Anders als dekorative Blumenbeete und exotische Pflanzen wie Bananenstauden, erfordern sie weitaus weniger Pflegebedarf, weil sie nicht ständig ausgetauscht werden müssen.

Im Radolfzeller Stadtpark sind viele verschiedene Pflanzen zu finden – unter anderem Wolfsmilch.
Im Radolfzeller Stadtpark sind viele verschiedene Pflanzen zu finden – unter anderem Wolfsmilch. | Bild: Marinovic, Laura

Stadtklimaanalyse in Planung

„Zudem fördert die Auswahl die Biodiversität“, erklärt Wolfgang Keller einen weiteren Hintergrund der Veränderung. Mit einer Stadtklimanalyse und Grünraumkonzeption möchte die Abteilung Landschaft und Gewässer bis zum Ende des Jahres zudem einen Plan vorlegen, der auch in Zukunft für ein erträgliches Klima in Radolfzell und seiner Umgebung sorgt.

Darin wird dann unter anderem definiert, wie Straßenraumbegrünungen und Grünflächen bestenfalls aussehen sollten. Die Hoffnung, dass bestehende versiegelte Flächen dabei rückgebaut werden, hat Wolfgang Keller indes nicht: „Das würde uns gut tun, aber es stehen derzeit keine Flächen zur Verfügung. Das ist bei unserem Siedlungsdruck aber auch schwierig“, sagt er. Immerhin wirken sich solche Pläne auf neue Baugebiete aus. So sind im Markelfinger Baugebiet „Im Tal“ von Anfang an Freiflächen eingeplant, die zumindest etwas Grün an dieser Stelle vorsehen.