Eltern, die auf eine Ganztagesbetreuung ihrer Kinder angewiesen sind und ihre Kinder in der einer städtischen Einrichtung untergebracht haben, stehen vor einem Problem. Ab September werden die Betreuungszeiten um eine Stunde pro Tag gekürzt. Grund hierfür sind die Auflagen der Corona-Verordnung für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen.
Eine Erhöhung des Personals könnte Abhilfe schaffen. Der Gemeinderat setzte jedoch in seiner jüngsten Sitzung die im Dezember 2019 beschlossene sogenannte Fünf-Prozent-Abweichungsklausel in der Personalbemessung wieder außer Kraft.
Mehr als eine halbe Million war versprochen
Das dafür im Haushalt 2020 eingeplante Geld in Höhe von 532.000 Euro für insgesamt 10,6 Vollzeitstellen, aufgeteilt in 5,9 Vollzeitstellen bei freien Trägern und 4,7 Vollzeitstellen für städtische Einrichtungen, soll nun eingespart werden. Grund dafür sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den städtischen Haushalt. Für mehr Kita-Personal ist kein Geld mehr da.
Unmut wächst in Möggingen
In Möggingen sorgte dies bereits für mächtig Ärger. Eltern, deren Kinder im Kinderhaus Bullerbü angemeldet sind, wurden von der Kindergartenleitung informiert, dass ihre Kinder im nächsten Kindergartenjahr von Montag bis Donnerstag nur noch bis 16 Uhr statt bis 17 Uhr betreut werden können.
Die Corona-Bestimmungen erfordern, dass die Gruppen getrennt werden und möglichst keinen Kontakt miteinander haben sollen. Das bedeutet, dass in den Nachmittagsstunden, in denen nicht mehr alle Kinder in der Einrichtung sind, die Kinder nicht mehr wie früher zu einer Gruppe zusammengelegt und von nur einer Erzieherin betreut werden können.
„Im krassesten Fall heißt das, dass eine Erzieherin sich in jeder Gruppe um nur ein Kind kümmert“, erklärt Corinna Schweizer, eine Mutter aus Möggingen.
Es können nur weniger Stunden angeboten werden, es fehlt an Personal
Somit könnten künftig nur noch 41 statt der üblichen 45 Betreuungsstunden angeboten werden. „Natürlich haben wir Verständnis für die Situation und die Belastung der Erzieherinnen“, erklärt sie. Auch mit der Betreuung ihrer Kinder fühlten sie sich sehr wohl, dies betonen alle bei Gespräch anwesenden Eltern.
Doch trotzdem sei die Entscheidung für mehrere von ihnen problematisch. Einige würden in systemrelevanten Berufen arbeiten, in denen kein Homeoffice möglich sei, erklären die betroffenen Eltern. „Unser Urlaub und unsere Überstunden sind nach den Corona-Schließungen aufgebraucht“, fährt Schweizer fort.
Wer Vollzeit arbeite, müsse in der Regel von 8 bis 16 Uhr anwesend sein. Rechne man Pausen und den Arbeitsweg dazu, sei für betroffene Eltern eine Betreuung ihres Kindes bis 17 Uhr schlichtweg notwendig.
Eltern suchen das Gespräch
Nach der Information über die Kürzung der Betreuungszeiten durch die Kindergartenleitung, haben die Eltern das Gespräch mit der Stadt gesucht. Corinna Schweizer berichtet, in dem Gespräch sei die Problematik verständlich erklärt worden.
Doch die Eltern bemängeln, dass vor der Entscheidung nicht abgefragt worden sei, wer auf eine Betreuung bis 17 Uhr angewiesen wäre. „Eine Abfrage wäre wichtig gewesen“, meint auch Isabelle Steidle. Matthias Sättele schließt sich der Meinung an: „Sicherlich können einige Familien flexibel reagieren.
Doch vor allem für Eltern in systemrelevanten Berufen, wie im Krankenhaus oder der Pflege, wäre eine Bedarfsabfrage nötig gewesen.“ Anita Joos aus Liggeringen erzählt, vor zwei Jahren sei der Ganztagesbetrieb im Kindergarten Liggeringen eingestellt worden.
Seitdem bringe sie ihre Töchter nach Möggingen ins Kinderhaus Bullerbü. „Jetzt werden auch hier die Zeiten gekürzt. Das ist doppelt bitter für uns.“
Eltern wünschen sich echte Planungssicherheit
Laut der Fachabteilung Kinderbetreuung der Stadt solle die Reduzierung der Zeiten bis Sommer 2021 für Planungssicherheit sorgen, berichten die Eltern im Gespräch mit dem SÜDKURIER. „Das empfinden wir ganz anders“, sagt Schweizer. Man hätten es begrüßt, wenn wie versprochen mehr Personal zur Verfügung stünde.
„In unseren Augen geht es um kommunalpolitische Fragen“, so Schweizer. Für die Wiedereinführung der Fünf-Prozent-Regelung will sich auch der Gesamtelternbeirat der Kindertagesstätten (GEB Kita) einsetzen. Laut Susanne Pantel, Vorsitzender des GEB Kita, gehe es in dieser Frage primär um die Wertschätzung, die Kindern und ihren arbeitenden Eltern entgegengebracht werde.
Geld sparen und Eltern dennoch helfen
Bürgermeisterin Monika Laule bedauerte während der Gemeinderatssitzung, wie das mit den Eltern in Möggingen gelaufen war. Da habe es Missverständnisse gegeben, sagte sie. Aber klar sei, dass die Entscheidung, die Personalkosten um mehr als 500.000 Euro zu erhöhen, freiwillig passiert sei.
Die Stadt würde das vom Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg geforderte Minimum an Mitarbeitern erfüllen. Die Erhöhung sei nicht verpflichtend. Die Entscheidung sei ihr auch nicht leicht gefallen, versicherte Laule.
Martina Gleich (CDU) lehnte es komplett ab, die versprochene Erhöhung des Personals wieder zu kassieren. „Unsere Gesellschaft erlebt eine andere Form von Kindheit. Eltern, auch Mütter, müssen arbeiten“, sagte Gleich.
Susann Göhler-Krekosch (SPD) verwies auf die zahlreichen finanziellen Fördergelder vom Land, mit denen man die Personalerhöhung eventuell finanzieren könnte.“Wir hören immer nur Negatives, doch ist den Kommunen auch viel Geld versprochen worden“, sagte sie. Thilo Sindlinger (FGL) war der Ansicht, die Kosten für die zusätzliche Betreuung direkt an das Land weiterzugeben.
Das Geld kann nicht das bezwecken, was man sich erhofft
Anders sah es Siegfried Lehmann (FGL). Er sah das Geld aktuell nicht sinnvoll investiert, da zusätzliche Mitarbeiter auch nur in einer Einrichtung aushelfen könnten. Wegen der Corona-Verordnung dürften sie nicht die Einrichtung wechseln.
Da würden 4,7 neue Stellen wenig bringen, da nicht alle Einrichtungen davon profitieren würden, so Lehmann. Man müsse sich neue Modelle überlegen, um mehr Verlässlichkeit zu bieten.
Diesen Auftrag gab er an die Stadtverwaltung weiter. Die FGL-Fraktion stellte den Antrag, für Eltern, die die 45 Stunden zwingend benötigen würden, bereits zum kommenden Kindergartenjahr eine Lösung anzubieten. Dies wurde vom Gemeinderat auch so angenommen.
Corona durchkreuzt Pläne
Eigentlich hatte die Stadt geplant, eine Art Springer-System einzuführen. Wenn irgendwo Erzieher und Erzieherinnen ausfallen würden, könnte kurzfristig eine Vertretung einspringen. In der Vergangenheit war es immer wieder vorgekommen, dass Einrichtungen ihr Betreuungsangebot reduzieren oder ganz schließen mussten, weil es an Personal gefehlt hatte.
Es waren zu viele gleichzeitig erkrankt. Doch durch die Corona-Verordnung dürfen weder Erzieherinnen und Erzieher noch Kinder die Gruppen oder Einrichtungen wechseln.