Eine Innenstadt ist nicht nur die Visitenkarte einer Stadt, sie entscheidet auch sehr stark darüber, ob die Menschen sich an einem Ort wohl fühlen und diesen gerne besuchen. Vor allem in Zeiten des zunehmenden Internethandels fällt es Unternehmer-geführten Einzelhändlern schwer, die Geschäfte in den Innenstädten aufrecht zu erhalten. Dabei sind sie einer der Parameter, die diese Bereiche für den Besucher attraktiv machen. In Radolfzell soll die Innenstadt belebt werden – und das in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung.

Fünfwöchiger Beteiligungsprozess

Kürzlich fand dafür ein Begegnungsabend im Milchwerk statt, die den Auftakt für einen Dialog darstellt, den die Stadtverwaltung und die Stadtmarketing Radolfzell GmbH (TSR) mit den Menschen in der Stadt führen möchte. Im Juni und Juli soll zusammen mit Bürgern, Händlern, Gastronomen und weiteren Akteuren ein Innenstadtkonzept erarbeitet werden. Im Fokus steht dabei eine Stärkung des lokalen Einzelhandels sowie der Gastronomie.

In einem umfangreichen fünfwöchigen Beteiligungsprozess, der verschiedene Veranstaltungen beinhaltet, sollen Vorschläge, Anregungen und Wünsche gesammelt werden.

Investitionsstau, Strukturwandel und unfertige Großprojekte

„Wir wollen alle mit einbeziehen. Das ist ganz bewusst kein Konzept vom Schreibtisch“, erklärte Oberbürgermeister Simon Gröger zum Auftakt der Veranstaltung. Nina Hanstein, Geschäftsführerin der TSR, machte noch einmal deutlich, welche Herausforderungen sich in Radolfzell stellen: „Wir haben einen Investitionsstau, den Strukturwandel und Großprojekte, die nicht zu Ende geführt wurden“, stellte sie fest.

Diskussionen und Gespräche unter Teilnehmern der Auftaktveranstaltung im Milchwerk.
Diskussionen und Gespräche unter Teilnehmern der Auftaktveranstaltung im Milchwerk. | Bild: Jarausch, Gerald

Weniger Menschen in den Innenstädten

Ute Marks, Expertin für Innenstadtentwicklung, zeigte nicht nur das generelle Dilemma der Innenstädte auf, sondern auch Ideen, wie man den Bereich für Besucher und Bewohner attraktiver machen kann. Besonders die Pandemie hat es für die Innenstädte nicht leichter gemacht. Die Menschen haben sich in den vergangenen zwei Jahren daran gewöhnt, die Städte nicht mehr in dem Umfang aufzusuchen, wie das zuvor der Fall war. Das gesamte Konsumklima liege auch jetzt noch rund „23 Prozent im Minus gegenüber der Vor-Corona-Zeit“, stellte sie fest.

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Junge Menschen legen ohnehin andere Prioritäten beim Einkauf. Der Online-Handel nehme und sorge so zusätzlich für eine Verödung der Innenstädte. Weil selbst die größten Kaufhäuser der Republik ein nicht annähernd vergleichbares Produktangebot aufweisen wie die international tätigen Online-Händler, könnten gerade Inhaber-geführte Einzelhändler eine Alternative in den Innenstädten darstellen.

Es gibt Möglichkeiten zur Besserung

Mit Nischen-Angeboten und pfiffigen Ideen, die sich unter anderen auf das gesamte Ambiente der Stadt positiv auswirken, könnte die Stadt attraktiver werden.

„Nicht warten, bis etwas schlechter wird“ – Ute Marks, Expertin für Innenstadtentwicklung
„Nicht warten, bis etwas schlechter wird“ – Ute Marks, Expertin für Innenstadtentwicklung | Bild: Jarausch, Gerald

Dabei gilt es nach Ansicht von Ute Marks, keine Zeit zu verlieren: „Nicht warten, bis etwas schlechter wird“, riet sie den Verantwortlichen der Stadt. Der Zeitpunkt für Maßnahmen ist laut Marks noch nicht zu spät. Denn noch gibt es einen Anteil von rund 40 Prozent der Menschen, die prinzipiell gerne in die Innenstädte gehen, sich jedoch dort an Dingen stören: „Die müssen sie zurückholen“, forderte sie daher auf.

100.000 Euro noch in diesem Jahr bereit gestellt

Das man in der Radolfzeller Stadtverwaltung gewillt ist, die Innenstadt attraktiv zu halten und diesen Status sogar auszubauen, zeigt ein Entschluss des Gemeinderates: Noch in diesem Jahr sollen 100.000 Euro für kurzfristige Maßnahmen bereit gestellt werden. OB Simon Gröger ließ wissen, dass er das Geld in viele Bereiche investieren möchte. „Wir müssen verschiedene Bereiche abdecken – das gilt zum Beispiel auch für Sauberkeit oder Bepflanzungen“, sagte er.

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Zudem ließ er keine Zweifel daran aufkommen, dass es nach entsprechenden Beschlüssen auch vorwärts geht: „Wir brauchen ein klares Ziel und müssen kleine Schritte definieren, die wir dann aber auch gehen“, sagte er. Eine erste Maßnahme ist eine große Online-Umfrage, die ab sofort und bis zum 31. Juli auf der Internetseite der Stadt Radolfzell zu finden ist.