Wer genau hinschaut und sich bückt, der sieht sie, bevor er darüber stolpert: Wellen, Risse und Löcher wechseln sich auf dem Boden der Radolfzeller Altstadt ab. Was die Stadt derzeit dagegen tut: flicken. Was Nina Hanstein, Geschäftsführerin der Tourismus und Stadtmarketing GmbH (TSR), weniger gefällt. Dem Flickenteppich aus unterschiedlichen und abwechselnden Pflastersteinen, Bodenplatten und Asphaltierung soll ein Ende bereitet werden. Das Thema steht ganz oben auf ihrer Projektentwicklung für ein Innenstadtkonzept: Die Infrastruktur soll verbessert werden.
Im Wettbewerb mit anderen Städten am See
Und zur Infrastruktur der Innenstadt, also den Anlagen, Strukturen, Systemen, gehört die Bodenbeschaffenheit. „Schon wegen der Barrierefreiheit“, sagt Nina Hanstein. Doch richtig barrierefrei sind die Pflastersteine nur, wenn die Fugen mit Epoxidharz zugeklebt und ausgehärtet, eben geflickt worden sind. Dann senkt sich der Roll- und Stolperwiderstand auf ein erträgliches Maß. Wo größere Platten verlegt sind, haben sich andere Spuren wie Risse und Wellen eingegraben. Etwa auf dem Seetorplatz, wo lange der Bus gefahren ist. „Das mag der Bodenbelag nicht“, bemerkt Nina Hanstein.
Für die TSR-Geschäftsführerin ist der Boden in der Altstadt durchaus ein Kriterium im Wettbewerb der Städte am See. Konstanz und Überlingen hätten bereits neu gepflastert. Doch sie weiß, das Geld ist knapp. Aber: „Wenn wir nur 3,50 Euro ausgeben wollen, dann müssen wir weiter mit Epoxidharz ausbessern.“ Oder soll, wenn vorhanden, das Geld nicht für eine neue Beleuchtung ausgegeben werden?

Das sind die Fragen, die sich Nina Hanstein und alle Beteiligten beim Projekt Innenstadtkonzept 2022 stellen wollen: In welche Dinge und welche Anlagen soll die Stadt investieren und in welcher Reihenfolge? Was braucht es, um den inhabergeführten Einzelhandelsgeschäften die Möglichkeit zu geben, sich gegen den Online-Handel zu behaupten? Wie kann das abgelehnte Großprojekt Seetorquerung, das zur Belebung der Innenstadt beitragen sollte, ausgeglichen werden? „Es fehlt nach wie vor die Verbindung vom Seemaxx zum See“, erinnert Hanstein an eine alte Abmachung. Das sei dem innerstädtischen Handel bei der Entwicklung des Outletcenters auf dem Schiessergelände versprochen worden. Wie immer solch ein Zugang auch aussehen mag, für Nina Hanstein steht fest: „Das Projekt Seeanbindung muss vorwärts kommen.“
Ein schnelleres Projekt: Neue Schilder sollen her
Das kann nach den bisherigen Erfahrungen dauern. Was gleich und vergleichsweise günstig geschehen kann, soll möglichst bald angegangen werden. Ein Beispiel ist die in die Jahre gekommene Ausschilderung in der Innenstadt, die ersetzt werden soll. „Das Fußgängerleitsystem ist völlig veraltet und leider oft verdreckt und kaputt“, sagt die TSR-Geschäftsführerin über die manchmal kaum wahrgenommene rote Beschilderung und die Stadtpläne, die zwischen grauen Pfosten hängen. Die Kreuzungs-Möblierung vor der Volksbank mit diesen Schildern ist ein Beispiel: Die Post ist längst umgezogen, auch die Touristinfo, die Zeitangaben sind vage.
Hier gehen die Themen Sauberkeit und Mobilität oder Verkehrsinfrastruktur ineinander über. Kommt ein neues Leitsystem, müsse die Beschilderung auch auf die Radfahrer ausgelegt werden. Denn die Altstadt biete eine Besonderheit, sagt Hanstein: „Radolfzell ist die einzige Stadt, in der man als Radfahrer in die Fußgängerzone hinein fahren darf.“ Und sie rollen über den Bodenseeradwanderweg zum Teil in Scharen ein. Das bedeutet für die Tourismus-Expertin: „Die Radfahrer müssen gut gelenkt werden und wir müssen ihnen Bügel zum Abstellen ihrer Räder anbieten.“
Auch Vermietern soll an attraktiver Innenstadt gelegen sein
Neben städtebaulichen Projekten geht es im Innenstadtkonzept auch um weiche Faktoren wie modernes Nutzungsmanagement und Belebung der Innenstadt. Beim Nutzungsmanagement geht es Nina Hanstein nicht um ein einfaches Leerstandsmanagement, das greift ihrer Meinung nach zu kurz. „Wir brauchen jemand, der aktiv auf die Hauseigentümer zugeht, eine Kartierung erstellt und Interessenten vermitteln kann.“ In Summe gehe es allen darum, eine attraktive Innenstadt zu haben: „Nur so kann man vermieten.“

Dafür bräuchte es auch eine Belebung. Ereignisse, neudeutsch Events, böte Radolfzell genug. Etwa das Hausherrenfest, das Altstadtfest, die Abendmärkte oder den Christkindlemarkt. „Was wir dazu brauchen, sind Erlebnisse, die über einen längeren Zeitraum gehen.“ Als Ideen bringt Nina Hanstein eine Eislaufbahn, Lichtinstallationen oder ein Riesenrad ins Spiel. Noch ist nichts für das Innenstadtkonzept beschlossen. Die Geschäftsführerin legt Wert auf eine möglichst große Beteiligung aller Betroffener. Ende des Jahres sollen dann erste Projekte umgesetzt werden.