Viele Besucher genießen ihre Ferien aktuell am Bodensee. Die, die hier das ganze Jahr wohnen, diskutieren darüber, ob Radolfzell noch attraktiv genug für Touristen und Einheimische ist. Auch das Angebot in der Innenstadt ist immer wieder Thema, denn Geschäftsaufgaben und Pächtersuche für Lokale machten zuletzt Schlagzeilen. Das sagen die SÜDKURIER-Leserinnen und -Leser zum Thema Tourismus, Gastronomie und Innenstadtentwicklung.

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Roland Graf aus Radolfzell fordert eine deutliche Agenda für eine Belebung und Stärkung der Radolfzeller Innenstadt:

Bei der OB-Wahl haben meine Frau und ich ganz klar das Votum für den jetzigen OB gegeben, weil er in seiner Vorstellung als OB-Kandidat damit geworben hat, „frischen Wind in unsere schöne Stadt zu bekommen“ und er das auch überzeugend und sympathisch rüber gebracht hat. Was seine Vorgänger in 16 Jahren Amtszeit „verbockt“ haben, kann natürlich er als deren Nachfolger in den momentanen vier Jahren nicht gerade bügeln.

Was aber ganz klar zu erkennen ist, ist die Tatsache, dass er dem Abwärtstrend von bestehenden Missständen nicht entgegenwirken kann, obwohl er unseres Wissen Wirtschaftswissenschaft studiert hat und in Tuttlingen als Wirtschaftsförderer tätig war. Offensichtlich sieht Herr Gröger hier in Radolfzell keinen Ansatzpunkt als Wirtschaftsförderer und muss sich den gegebenen Umständen anpassen. Er kann lediglich mit aufmunternden Worten Hoffnung verschaffen. Das aber genügt nicht, um dem eigentlichen Übel in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung entgegen zu treten. Herr Gröger beschäftigt hochkarätige Fachabteilungen, die den gebotenen Erfordernissen den entsprechenden Handlungsspielraum spüren lassen sollten.

Genug polemisiert, jetzt heißt es handeln! Also: Es muss eine strikte Agenda sofort auf den Plan, die einen mehrgleisigen Ansatz erfordert. Das heißt, es muss den örtlichen Einzelhandel fördern, die bestehenden Betriebe erhalten und die Arbeitsplätze in Radolfzell erhalten. Unter Umständen auch neue Betriebe ansiedeln und dafür werben. Also es müssen kurzfristige Maßnahmen und langfristige Strategien entwickelt, erarbeitet und umgesetzt werden. Das sind doch meines Erachtens genau diese Eigenschaften von Herrn Gröger als Wirtschaftsexperte, die hier explizit gebraucht werden. Also! Auf geht‘s!

Das Restaurant Mole am Radolfzeller Hafen ist auf der Suche nach einem neuen Pächter. Der aktuelle Betreiber möchte nach nur wenigen ...
Das Restaurant Mole am Radolfzeller Hafen ist auf der Suche nach einem neuen Pächter. Der aktuelle Betreiber möchte nach nur wenigen Jahren hier aufhören. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Warum gerade der exklusive Standort am Hafen keinen Erfolg gebracht hat und ein neuer Pächter gesucht wird, vermutet Gerold Gerber aus Radolfzell:

Der Sachverhalt liegt auf der Hand: Die Mole ist zu teuer, zu dunkel, zu hässlich und nur für vermögende Gäste gedacht. Ursprünglich hieß es, dass die Mole in erster Linie ein Ort für die gesamte Radolfzeller Bevölkerung sein soll, und auch für Touristen natürlich. Eine ganz einfache Seebar wie in Allensbach, aus Holz, für ein Fünftel Kosten, normale Preise, und der Laden würde brummen.

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Bertl Wüstner aus Gottmadingen sieht ebenfalls die hohen Preise als Hindernis bei der Mole:

Das Mole-Lokal hat meiner Meinung nach von Anfang an viele Gäste vergrault! Besonders aber viele Radolfzeller! Alle Getränke- und Speisepreise waren von Anfang an zu hoch angesetzt. Also nicht unbedingt für jedermann akzeptabel. Aber es hat den Anschein, dass Pächter Daniel Stütz gar nicht unbedingt „Jedermann“ in seinem Lokal haben wollte. Mein Eindruck und auch der vieler anderer war, dass er ein spezielles Publikum ansprechen wollte. Also sogenannte gehobene Gastronomie! Aber der Schuss ging wohl nach hinten los.

Ein Sonntagsfrühstück für 32 Euro anzubieten, spricht auch bestimmt nicht jeden an. Und das Lokal vier Monate im Winter zu schließen, statt dass man andere Ideen gehabt hätte, wie zum Beispiel ein Candlelight-Dinner zu normalen Preisen anzubieten oder einen Sonntagsbrunch. Dem Nachfolge-Pächter wünsche ich auf alle Fälle viel Glück und viele gute Ideen, das Mole-Lokal in einen erfolgreichen Jahresbetrieb zu lenken.

Das Kaufhaus Kratt ist für die meisten Radolfzeller mehr als nur ein Geschäft. Es ist eine wichtige Institution in der Stadt. Nächstes ...
Das Kaufhaus Kratt ist für die meisten Radolfzeller mehr als nur ein Geschäft. Es ist eine wichtige Institution in der Stadt. Nächstes Jahr wird das Kaufhaus nach 106 Jahren am Standort schließen. | Bild: Jane Bosch

Dass das familiengeführte Traditionskaufhaus Kratt nach mehr als 100 Jahren am Standort schließt, ist für Peter Siegle aus Radolfzell ein Anlass zur Selbstreflexion des eigenen Kaufverhaltens:

Das sich abzeichnende Ende des Traditionskaufhauses Kratt verwundert nicht, ist aber sicherlich zu bedauern. Jeder der Stadtgesellschaft kann sich dabei selbst hinterfragen, wie oft er dort oder dann doch bei Amazon und Co. eingekauft und sich den „chinesischen Rabatten“ hingegeben hat. Aber vielfach ist eben probieren sinnvoller und nachhaltiger als x-faches Hin- und Herschicken der Ware. Jedoch: Urbanes Stadtleben ist etwas anderes...von Einkäufen mit haptischem Erleben bis hin zu Gaststättenbesuchen mit sozialen Kontakten. Und wir erleben in Radolfzell einen Verlust am anderen bei diesen Einrichtungen.

Krankenhaus, noch in den 1980er-Jahren mit hohen zweistelligen Millioneninvestitionen ein Vorzeigeobjekt, verloren! Und das mit einer dazu noch gedeckelten „Abfindung“ in Höhe von 1,5 Millionen Euro, immerhin nach zwei Jahren Verhandlungen. Das springt ja schon bei schlechten Kündigungsmodalitäten bei einem Chefarzt heraus, den man nicht einmal kaputtgespart hat. Pflegeheim, schier ein Jahr nach Auszug aus der Poststraße keine Nachnutzung in Sicht. Stadtentwicklung südwestlich der Villa Bosch über DB/Bahnhof bis zur ZG ein absolutes Trauerspiel.

Gastronomie an der Mole, besser man schweigt dazu. Blurado, nach wie vor ein Stillstand. Das offene Bad in Güttingen musste seitens der dortigen Bürgerschaft ‚erkämpft werden‘, und die benötigte dazu sicher keine kostspielige Freiburger Anwaltshilfe. Und nun bekommt die Stadtverwaltung noch nicht mal mehr eine Gaststätte in ‚absoluter Toplage‘ der Innenstadt verpachtet. 

Das Ganze könnte so fortgesetzt werden. Aber lieber irrlichternd einen Pocketpark beim Kaufland einrichten und sich was dabei eigentlich erhoffen? Herr Oberbürgermeister Gröger ist seit bald vier Jahren im Amt und trägt neben dem Gemeinderat/Stiftungsrat die Verantwortung für diese Stadt. Die große Handschrift dabei, ich erkenne sie nicht. Nun wird es wieder Diskussionen zu den Schlagworten Frequenzbringer und Alleinstellungsmerkmal und so weiter geben. Wenn es derart weitergeht, ist nach bereits früher skizzierten Verlusten wie Sparkasse und Volksbank, dem Treffpunkt „Der Baum“ und vielem mehr das Alleinstellungsmerkmal für Radolfzell: „Hier geht das Licht zuerst aus!“

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Auch SÜDKURIER-Leserin Eva Wernert bedauert, dass das Kaufhaus bald schließen wird und sieht den Online-Handel kritisch:

Die baldige Schließung des Kaufhauses Kratt ist eine Katastrophe, für mich persönlich, aber auch für das Stadtbild von Radolfzell (Leerstand!). Was steht hinter der Schließung? Jochen Bauer sieht in seinem Leserbrief die Ursache der Schließung bei der mangelnden Tatkraft der letzten drei Oberbürgermeister. Ich bin nicht darüber informiert, was die drei Oberbürgermeister getan haben oder nicht. Aber ich sehe eine andere Ursache. Meiner Meinung nach ist der Hauptgrund für die Verödung unserer Innenstädte, dass immer mehr Menschen im Internet bestellen, bei Amazon, Temu und wie sie alle heißen.

Einige Geschäftsleute in Radolfzell haben mir erzählt, dass oft Kunden reinkommen, sich ausführlich beraten lassen und dann wieder gehen, höchstwahrscheinlich in Richtung Computer/Smartphone, um dann dort zu bestellen. Den Service vor Ort nutzen sie, aber sie kaufen im Internet. Wohin das auf die Dauer führt, lässt sich traurigerweise auch in Radolfzell beobachten.

Raimund Ritzi aus Öhningen bedauert die Schließung des Kaufhaus Kratt auf ganz persönlicher Ebene:

Diese Schließung ist für Radolfzell ganz schlimm; mit diesem wunderbaren Kaufhüsli hat man sich solidarisiert, weil es dort etwas gab, was heute ausstirbt: gemütliches Stöbern, Kaufen mit persönlicher Beratung, Vielfalt et cetera. Leider verliert die Stadt damit viel mehr als einen Ort zum Kaufen, es war fast ein Kulturgut!