Bei den Grünen werden Geschlechterproporz und Basisdemokratie groß geschrieben. Jedes Mitglied soll eine Stimme haben, eine Meinung äußern dürfen und so die Politik aktiv mitgestalten. Was für den politischen Diskurs begrüßenswert erscheint, sorgt auf der anderen Seite für ausufernde Sitzungen und lange, lange Diskussionen.

Drei Versammlungen sind bei den Grünen notwendig

So verwundert es nicht, dass es für die Gründung des Ortsvereins von Die Grünen/Bündnis 90 in Radolfzell ganze drei Versammlungen gebraucht hat: Eine Versammlung, um die Absicht zu klären, einen Ortsverein zu gründen, eine Versammlung, in der der Kreisverband dieser Absicht zustimmt und noch einmal eine Versammlung, in der Satzung und Vorstand gewählt werden. Doch nach diesem aufreibenden Prozess ist es nun offiziell: Die Partei hat nun auch einen Ortsverein in Radolfzell.

Dieser wurde auf Initiative von einigen Neu-Radolfzeller gegründet, wie Tina Eikmann, Geschäftsführerin des Kreisverbandes , mitteilt. In Radolfzell gibt es aktuell 48 Mitglieder der Grünen, viele sind erst in den vergangenen Jahren aus Konstanz oder anderen Städten nach Radolfzell gezogen und hätten sich eine Anlaufstelle für ihr politisches Engagement vor Ort gewünscht. „Der Wunsch nach einem Ortsverein kam von den Mitgliedern selbst“, sagt Eikmann.

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Seit dem Jahr 2000 gibt es keinen Grünen-Ortsverein mehr in Radolfzell. Für grüne Themen setzt sich auf kommunalpolitischer Ebene die Freie Grüne Liste ein. Diese stellen auch die größte Fraktion im Gemeinderat und sind ein eigenständiger Verein mit etwa 30 Mitgliedern. Doch sind sie nicht Teil der Partei Die Grünen und auch nicht an bundespolitische Linien gebunden. Dennoch gibt es FGL-Mitglieder, die auch Grüne-Mitglieder sind.

Alteingesessene Radolfzeller und Neubürger

Der neu gewählte Vorstand des Ortsvereins zeigt auch die Mischung, aus denen sich die Mitglieder der Grünen in Radolfzell zusammenstellen. So ist Daniela Löchle, seit mehr als 30 Jahren Radolfzellerin und seit einigen Jahren FGL-Stadträtin, zur Kassiererin gewählt worden. Die anderen drei, Verena Müller, Pratyusha Satish und Malte Ebner wohnen erst seit Kurzem in Radolfzell und wollen sich für grüne Themen einsetzen.

Aber nicht zwingend auf kommunalpolitischer Ebene, wie Verena Müller in ihrer Vorstellung bekannte. „Ich habe keine Ambitionen in den Gemeinderat gewählt zu werden, möchte aber die Arbeit der FGL unterstützen“, sagte sie. Und auch Malte Ebner wollte eher den Ortsverein als Anlaufstelle für Grüne-Mitglieder sehen und politisches Engagement fernab vom Gemeinderat unterstützen.

Damit könnten die Neu-Vorstände mit Sicherheit eine große Sorge von Siegfried Lehmann, Fraktionssprecher der FGL, entkräftet haben. Dieser wollte während der Wahlveranstaltung wissen, ob es Pläne gebe, eine eigene Liste des Ortsvereins Grüne/Bündnis 90 für die kommende Gemeinderatswahl 2024 aufzustellen. Diese Pläne gibt es also aktuell nicht. Lehmann wirkte mit dieser Antwort zufrieden.

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Dass es keine Grüne/Bündnis 90-Liste bei der Kommunalwahl geben sollte, schien allerdings nicht allen Mitgliedern der Partei so selbstverständlich zu sein. Entsprechende Kommentare und Seitenhiebe einzelner Mitglieder wurden während der Versammlung geäußert. Die Popularität der Partei Grüne/Bündnis 90 ist gerade auf einem Höhepunkt. In den vergangenen zwei Jahren sind viele Ortsverbände der Grünen gegründet worden, unter anderem in Allensbach und der Höri. Die Mitgliederzahl in allen Gemeinden ist zuletzt angestiegen.

In Allensbach geht die Bunte Liste in dem Grünen Ortsverein auf

Und ein Blick nach Allensbach zeigt, dass Ortsvereine, die in den vergangenen Jahren die kommunalpolitische Arbeit übernommen hatten, durchaus in der Grünen-Partei aufgehen können. So bestätigt Jürgern Saegert von der Bunten Liste, dass man zur Kommunalwahl 2024 nicht mehr mit einer eigenen Liste antreten werde. Es solle nur eine Liste von Die Grünen/Bündnis 90 geben.

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„Zuletzt hatten wir bei der Bunten Liste nur noch wenige Mitglieder. Dass wir jetzt bei den Grünen aufgehen, ist für mich nicht schlimm“, so Saegert. Er freue sich, dass man mit dem Grünen-Ortsverein jetzt mehr Infrastruktur und Ressourcen für die politische Arbeit bekommen habe. Denn auch Mitglieder des Kreisverbandes würden die Allensbacher Grüne unterstützen.

Eine eigene Grüne-Liste ist nicht geplant

Doch sind diese Entwicklungen in Radolfzell zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Eine Konkurrenzliste zur FGL hält auch Tina Eikmann vom Kreisverband für nicht zielführend. Man würde sich damit eher die Wähler wegnehmen, so ihre Einschätzung. „Aber letztlich entscheiden die Mitglieder des Ortsvereins, wie sie das machen wollen“, so Eikmann.

Dass die parallelen Strukturen funktionieren, wird in Konstanz bewiesen. Dort gibt es beispielsweise auch keinen eigenen Grünen Ortsverein. Mit der FGL, die ebenfalls im Konstanzer Gemeinderat vertreten ist, kooperiere man, so Eikmann. „Die FGL machen das kommunalpolitische, wir bieten Veranstaltungen und anderen Informationsangebote. Wir ergänzen uns da“, sagt die Kreisverbands-Geschäftsführerin.