In zwei Bereichen tritt der Fachkräftemangel gerade schmerzhaft deutlich zu Tage. Mehrere Kinderbetreuungseinrichtungen in Radolfzell mussten in die Notbetreuung gehen oder die Betreuungszeiten kürzen, weil es an Erzieherinnen und Erziehern fehlt. Und im Radolfzeller Krankenhaus mussten zwei Abteilungen zusammengelegt werden, mit nur halber Bettenzahl, weil es an Pflegekräften fehlt. Ohne soziale Berufe geht es in unserer Gesellschaft nicht, und doch haben sie oft so einen schlechten Ruf, dass zu wenige diese Berufe ergreifen möchten.

Bewusste Entscheidung für den sozialen Beruf

Doch wer sind diese Menschen, die trotz aller Vorurteile ihr Berufsleben im Dienst anderer stellen? Und was treibt sie an? Die 19-jährige Luisa Hugenschmid aus Überlingen am Ried und der 20 Jahre alte Frank Seidel aus Markelfingen absolvieren auf der Mettnau-Schule gerade ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft. Sie sind im dritten Ausbildungsjahr.

Maximilian Hess aus Uhldingen-Mühlhofen und Annalena Krantz aus Gundholzen, beide 21 Jahre alt, sind im dritten Ausbildungsjahr zum Erzieher. Sie haben sich ganz bewusst für diesen Beruf entschieden und sehen ihn viel positiver als viele andere.

Wichtiger als Geld ist Wertschätzung

„Ich möchte nicht das Gehalt eines Lehrers, aber die selbe Wertschätzung“, sagt Maximilian Hess. Er kam über Umwege auf den Berufswunsch Erzieher. Zuvor hatte er eine Ausbildung als Landschaftsgärtner begonnen. Eine Verletzung schränkte ihn jedoch körperlich so ein, dass er sich umorientierte. Anfangs hatte er Sorge, als Erzieher dem Spott seines Umfelds ausgesetzt zu werden. Es sei ja kein typischer Männerberuf. „Das war meine Angst aber unberechtigt“, sagt der 21-Jährige.

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Ihn fasziniere vor allem die Tatsache, dass man einen kleinen Menschen über diese wichtige Lebensphase der ersten paar Jahre begleiten könne. „Wir sind Teil der Entwicklung eines Kindes“, so Maximilian Hess. Anfangs könnten die Kinder gerade einmal laufen und am Ende der Kindergartenzeit seien sie gesellschaftsfähig und so viel selbstständiger. Und doch bekäme ein Lehrer viel mehr Wertschätzung, obwohl im Kindergarten ebenfalls gelehrt werde. Nur eben anders. „Wir machen weitaus mehr als nur Kaffee trinken und mit Kindern spielen“, sagt Annalena Krantz, die wie Hess eine Ausbildung zur Erzieherin macht.

Lange Ausbildungszeit bei weniger Geld

Die 21-Jährige aus Gundholzen hatte bereits eine Ausbildung als Hotelfachfrau abgeschlossen. Später ließ sie sich zur Tagesmutter umschulen. Nur war ihr das Gehalt einer Tagesmutter zu gering und in einer Einrichtung würde sie mit dieser Qualifikation auch nicht wie eine volle Kraft entlohnt. „Wenn man als Tagesmutter überhaupt eine Anstellung bekommt, dann gilt man da nur als Aushilfe“, sagt Annalena Kreutz.

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Und hier benennt sie einen Nachteil des Berufs der Erzieherin: Die lange Ausbildungszeit, die zum Teil unentgeltlich läuft. Sie und Maximilian Hess bekommen während der dreijährigen schulischen Ausbildung nur Bafög. Während des Anerkennungsjahres danach arbeiten die angehenden Erzieher zwar voll in den Einrichtungen mit, bekommen aber meist nur 60 Prozent des Gehaltes. „Danach ist die Bezahlung zwar ganz gut, aber davor ist es wirklich wenig“, so Annalena Krantz.

Auch sei die Ausbildung viel zu theoretisch, befindet Maximilian Hess. Nur einmal in der Woche seien die Berufsfachschüler in ihren Kinderbetreuungseinrichtungen, zu wenig finden Hess und Kreutz. Das, was man in der Schule lerne, könne man erst viel zu spät richtig anwenden.

Pflegekräfte lernen mehr in der Praxis

Durchaus praxisorientierter geht es in der Ausbildung zur Pflegefachkraft zu. Luisa Hugenschmid und Frank Seidel sind im dritten Lehrjahr und arbeiten blockweise mehrere Wochen am Stück in den Einrichtungen. „Ich finde vor allem die Vielseitigkeit der Ausbildung gut“, sagt die 19-Jährige. Seit 2020 werden in dem Berufsbild der Pflegefachfrau und des Pflegefachmanns die drei Bereiche der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege und der Kinderkrankenpflege zusammengenommen. „Wir haben so mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, sagt sie.

Anders als bei den Erziehern werde die Ausbildung zur Pflegefachkraft laut Hugenschmid und Seidel anständig bezahlt. Danach sähen die Gehälter allerdings nicht mehr so rosig aus. Doch Geld sei nicht alles, betont Frank Seidel. Er kam erst durch einen Nebenjob in Kontakt mit dem Pflegeberuf. Er unterstützte eine Frau mit Multiple Sklerose und habe sich dadurch in den Beruf verliebt, wie er erzählt. „Ich mache das viel lieber als irgendeinen Büro-Job. Man hat ein gutes Gefühl, wenn man nach Hause kommt“, so der 20-Jährige.

Im Alltag kommt keine Langeweile auf

Die Abwechslung im Alltag ist es auch, was Luisa Hugenschmid begeistert. Kein Tag sei wie der andere. Und auch der Kontakt zu den Patienten sei für sie ein großes Plus. „Man freut sich, wenn die andere Person sich über einen freut“, beschreibt die 19-Jährige. Auch wenn nicht alle Patienten und Angehörige die notwendige Wertschätzung erbrächten. Für Luisa Hugenschmid ist der Pflegeberuf deutlich besser als sein Ruf.

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Sie ist auch als Berufsbotschafterin in Schulen unterwegs und informiert Schülerinnen und Schüler über ihre Ausbildung. „Die erste Frage ist immer, ob wir auch mehr machen als nur den Hintern abzuwischen“, so ihre Erfahrung. Dabei sei der Beruf sehr medizinisch, körperlich als auch psychisch anspruchsvoll und man trage eine große Verantwortung. Er erfordere nicht nur Fachkenntnisse, sondern auch Empathie.

Nur die Rahmenbedingungen könnten besser sein, sind sich Hugenschmid und Seidel einig. Schichtarbeit, kurzfristige Dienstpläne sowie der chronische Geld- und Personalmangel der Einrichtungen würden weiter ein schlechtes Licht auf den Pflegeberuf werfen. Dabei nimmt Luisa Hugenschmid auch ihre Kolleginnen und Kollegen in die Pflicht: „Wir sollten uns nicht nur beschweren, wie schlimm alles ist, sondern viel mehr über die schönen Seiten unseres Berufes sprechen.“