Die Einwohner des Radolfzeller Ortsteils Markelfingen kennen das. Am Ende des Frühlings ziehen die Schwäne vom Mindelsee an den Untersee im Markelfinger Winkel um. Weil der Mühlebach im Dorf in Teilen verdolt und vergittert ist, können die Schwäne nicht – wie es in ihrer Natur läge – einfach die paar hundert Meter bis zum See durchschwimmen. Also sind die Schwäne – Mama, Papa und vier kleine Kinder – am 1. Juni frühmorgens aus dem Mühlebach geklettert, dort wo der Schwanenweg in die Oberdorfstraße übergeht, und watschelten Richtung Untersee.
Doch dieses Jahr ist nicht wie jedes Jahr. Zu viele Bauarbeiten und neue Hindernisse irritierten die Schwäne. In Markelfingen wird gerade das schnelle Internet verlegt. Was schon die Autos zu Manövern zwingt, kann auch Schwäne verwirren. So hätten die großgewachsenen Entenvögel mit ihrer Brut zuerst den Weg nach Westen in Richtung Radolfzell, statt nach Süden in Richtung See eingeschlagen, berichtet Hans-Georg Lauer vom Verein Markelfingen attraktiv.
Flügelschlagen auf der Straße
Aber die Markelfinger kümmern sich um ihre Schwäne und den jährlichen Schwanenzug wie die Mooser um ihre Boote für die Mooser Wasserprozession. Ein Irrweg von Familie Schwan galt es unter allen Umständen zu verhindern. Zwar sei der sonst zuständige Schwanenvater Theo Dummel verhindert gewesen, doch dessen Job der Schwanenbegleitung hätten Peter Serwe, Peter und Hermann Blum sowie Hans-Georg Lauer übernommen.
Mit vereinten Kräften und Gebärden scheuchten sie die Schwäne auf den rechten Weg. Auch wenn die Zugbegleiter hin und wieder mit einem undankbaren Fauchen und Flügelschlagen vom Mama und Papa Schwan bedacht worden seien, niemand durfte ihren vier Kindern zu nahe kommen: „Das ist schon respekteinflößend, was die Schwäne da veranstalten“, sagt Hans-Georg Lauer.
Schwäne tauchen nicht
Warum die Schwäne überhaupt den beschwerlichen Weg vom Mindelsee zum Markelfinger Winkel auf sich nehmen, das hat mit dem Fressen zu tun. Sie sind als gründelnde Wasservögel auf Flachwasserzonen angewiesen. Ornithologe Wolfgang Fiedler von der Vogelwarte Radolfzell beschreibt die Nahrungssuche von Schwänen: „Nur wo sie mit dem Hals hinkommen, können sie Nahrung aufnehmen.“ Schwäne tauchen nicht. „Aber diese Nahrung auf dem Seeboden scheint wichtig.“
Wie Kai-Steffen Frank von der Schutzgebietsbetreuung des BUND erläutert, gibt es nur eine Flachwasserzone am Mindelsee, nur dort können die Schwäne gründeln und Nahrung aufnehmen: „Sie befindet sich am nördlichen Ufer des Mindelsees.“ Ihnen sei nur ein einziges Schwanenpaar bekannt, das dort gebrütet habe.
Für die ganze Familie hat dieser Bereich offensichtlich zu wenig Futter bereit gehalten, das Paar ist nun mit den vier geschlüpften Jungschwänen an den Untersee mit seinen vielen Flachwasserzonen umgezogen. Die sechsköpfige Schwanenfamilie werde dort nicht mit offenen Armen, sondern eher von flügelschlagenden Artgenossen empfangen. „Alle Reviere im Markelfinger Winkel sind belegt, es dürfte zu Revierkämpfen kommen“, sagt Vogelexperte Wolfgang Fiedler.

Wenigstens haben es die Mindelsee-Schwäne bis ans Ufer des Markelfinger Winkels geschafft. Der Schwanenumzugs-Begleittrupp des Vereins Markelfingen attraktiv hat die gefiederte Familie erst wieder aus den Augen gelassen, als sie im Unteren Mühlenweg wieder in den dort offenen Mühlebach hinabgestiegen sind und sich mit leichtem Schlag ihrer Schwimmfüße in Richtung Seeufer haben treiben lassen.