Menschen und Schwäne treffen in den Sommermonaten des Öfteren aufeinander. Schließlich teilen sie sich in diesem Zeitraum das Seeufer. Die einen nutzen den Bereich als ihr natürliches Habitat, die anderen zum Sonnen, Baden oder Spazieren gehen. Die Wasservögel schrecken nicht vor den Menschen zurück und verunsichern mit ihrer aufdringlichen Art manche Spaziergänger.
In seltenen Fällen tritt folgendes Szenario ein: Der Schwan wird mit Steinen beworfen und so verscheucht. Ein solcher Fall soll sich laut eines Beitrags in einer Radolfzeller Facebook-Gruppe jüngst nahe des Konzertsegels ereignet haben.
Kind und Mutter sollen Schwan mit Steinen beworfen haben
Wie ein Nutzer schildert, habe ein Kind am Konzertsegel einen Stein auf einen Schwan geworfen. Anschließend sei die Mutter gekommen, habe es ihm gleich getan und das Tier gefragt: „Na, gefällt dir das?“ Ob sich diese Geschichte so zugetragen hat, lässt sich kaum nachprüfen. Wer aber regelmäßig am Seeufer unterwegs ist, weiß, dass die Tiere dort bei den Menschen nicht immer auf Gegenliebe stoßen.
Doch anstatt das Tier gewaltsam zu verscheuchen, sollte man sich fragen: Wie kann man einem solchen Konflikt aus dem Weg gehen, wenn die Tiere aufdringlich werden? Und warum haben sie keine Scheu vor dem Menschen? Ein Anruf bei Wolfgang Fiedler, Ornithologe vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell.
Ornithologe: Tiere haben Hemmungen vor Menschen abgelegt
„Von den Tieren geht grundsätzlich keine Gefahr aus“, erklärt Fiedler. „Oft nähern sich Schwäne, weil sie denken, dass es Futter gibt.“ Dass Schwäne die Nähe des Menschen suchten, sei aber nichts Neues: In den 1970er- und 1980er Jahren sei oft „ein ganzer Pulk von Schwänen“ in den Häfen des Bodensees gewesen, die darauf gewartet hätten, gefüttert zu werden, so Fiedler. „Diese Herumlungerei gibt es heute nicht mehr, doch mittlerweile haben die Tiere ihre Hemmungen vor den Menschen abgelegt und keine Scheu, zu ihnen an Land nahezukommen.“

Manchmal würden sie von den Menschen sogar für ihren Mut belohnt, kritisiert der Ornithologe. „Obwohl es entlang des Seeufers Beschilderungen gibt, werden diese von vielen nicht befolgt.“ Dazu kommt: Wenn Schwimmende in ihr Territorium eindrängen, Hunde am Seeufer auf die Tiere losgehen oder sie gerade Junge hätten, fühlten sie sich besonders bedroht. „Die männlichen Schwäne können in der Brutzeit zwischen Juni und August aggressiv werden, wenn sie ihren Nachwuchs in Gefahr sehen.“
„Schwäne lassen sich nicht so einfach beeindrucken“
Doch anders als kleine Vögel würden Schwäne nicht einfach fliehen, wenn sie sich bedroht fühlen, sondern verteidigten sich, sagt Fiedler. „Schwäne sind stattliche Tiere, die lassen sich nicht so einfach beeindrucken.“ Wenn sie sich mit ihren langen Hälsen, ihren 2,40 Metern Spannweite und spitzen Zungenrändern groß machten, verunsicherten sie die Menschen – besonders wenn diese gerade auf dem Badehandtuch liegen. „Das ist dann das klassische Imponierverhalten“, sagt der Wissenschaftler.
Gefährlich werde es aber erst, wenn das Tier seine natürlichen Waffen auch benutze. „An einem Schwan sind der Schnabel mit seinen Zähnen sowie die Flügel gefährlich“, erklärt Fiedler. „Im Gesicht kann man da massive Blessuren bekommen.“
Angriffe auf Schwäne können sie aus Territorium verjagen
Fiedler rät dazu, bei einer drohenden Konfrontation einfach ruhig zu bleiben und sich vom Schwan zu entfernen, sodass dieser nicht zuschnappen könne. „Wenn man sich ruhig hinstellt, passiert auch nichts“, sagt er. Nach einiger Zeit bewege sich das Tier wieder und lasse einen in Ruhe. Wenn Schwäne von Menschen mit Steinen oder anderen Gegenständen beworfen würden, könne es nicht nur zum Kampf kommen. Auch die Brut des Vogels könne darunter leiden, so Fiedler. „Jeder Angriff kann dazu führen, dass sie aus ihrem Territorium fliehen.“
Obwohl Beschilderungen am Seeufer vorhanden seien und es ein Tierschutzgesetz gebe, seien Angriffe kaum zu verhindern, erklärt der Ornithologe. Laut Bußgeldkatalog drohten bei der Verletzung von Vögeln Geldstrafen in Höhe von bis zu 15.000 Euro. Fiedler sagt daher: „Die Handhabe ist eigentlich da, es kann aber nicht überall das Ordnungsamt stehen.“ Wenn eine Person aber einen Schwan mit Gegenständen bewerfe oder vor sich her treibe – ob aus Schutz oder Spaß – dann sei das Tierquälerei. Fiedler sieht nur eine Lösung: „Ich glaube, da muss man an die Vernunft der Menschen und der umherstehenden Menschen appellieren.“