Die Kommunalwahl am 9. Juni nähert sich mit großen Schritten. Nach und nach präsentieren alle Parteien ihre Nominierungslisten für die Kandidaten für Ortschafts-, Gemeinde- und Kreistag. Auf vielen Listen finden sich bekannte Namen bereits amtierender Gremiumsmitglieder. Dass sich der ein oder andere wieder zur Wahl für eine weitere Amtsperiode aufstellen lässt, ist in der Kommunalpolitik nichts Ungewöhnliches. Doch sind viele Radolfzellerinnen und Radolfzeller über einen Namen auf der Liste der Freien Wähler für den Kreistag gestolpert: Martin Staab.

Der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Radolfzell steht auf der Kandidatenliste für die Freien Wähler für den Einzug in den Kreistag auf Listenplatz Nummer Eins. In Leserbriefen an die SÜDKURIER-Lokalredaktion äußern Bürger ihre Verwunderung und auch ihr Unverständnis darüber, dass der abgewählte OB noch einmal auf der Radolfzeller Wahlliste zu finden ist.

„Es kann doch nicht sein, dass Herr Staab, der bei der OB-Wahl von den Bürgern mit kläglichen 13 Prozent Stimmanteil für seine Arbeitsleistung abgestraft wurde, nun uns Bürger und die Belange der Stadt Radolfzell in diesem wichtigen Gremium ernsthaft vertreten kann. Dies ist für mich eine Ohrfeige und nicht zu akzeptieren“, schreibt zum Beispiel Günther Erlacher an die Redaktion.

Staab will Arbeit der vergangenen zehn Jahre fortsetzen

Doch was motiviert Martin Staab, nach seiner beachtlichen Wahlniederlage noch einmal für Radolfzell in den Kreistag einziehen zu wollen? Bei der OB-Wahl im Oktober 2021 erreichte Staab 13,92 Prozent der Stimmen, sein Herausforderer und aktueller Amtsinhaber Simon Gröger überragte ihn mit 83,32 Prozent. „Ich kandidiere auf der Radolfzeller Liste, weil ich hier angefragt und gebeten wurde, die Arbeit der letzten zehn Jahre fortzusetzen, und ich hier einen hohen Bekanntheitsgrad habe“, schreibt Martin Staab auf Nachfrage der Redaktion.

Martin Staab am Wahlabend im Oktober 2021. Er hat nur fast 14 Prozent der Stimmen bei der Wahl erhalten. Für die Stadt möchte sich Staab ...
Martin Staab am Wahlabend im Oktober 2021. Er hat nur fast 14 Prozent der Stimmen bei der Wahl erhalten. Für die Stadt möchte sich Staab laut eigener Aussage aber dennoch einsetzen. | Bild: Jarausch, Gerald

Er betont: „Und am wichtigsten: Weil mir Radolfzell nach wie vor am Herzen liegt. Die Wählerinnen und Wähler, die dies nicht zu schätzen wissen, haben am Wahltag die Chance, dies zu signalisieren. Ich will meine Kompetenz und mein Engagement jedenfalls gerne zum Wohl des Landkreises zur Verfügung stellen. In diesen schwierigsten Zeiten für unseren Landkreis ist das für mich selbstverständlich.“

Staab hat 2019 rund zwei Drittel seiner Stimmen eingebüßt

Martin Staab ist seit zwei Amtsperioden Mitglied des Kreistags für die Freien Wähler. Dabei war sein Ergebnis bei der Wahl 2019 schon deutlich schlechter als bei seiner ersten Wahl. Bei der Kreistagswahl 2014 bekam er als Mitglied der Freien Wähler 11.968 Stimmen. 2019 waren es dann nur noch 4038 Stimmen.

Damals sah Staab noch keinen Zusammenhang zwischen seiner Person und dem Wahlergebnis. Kurz nach der Wahl 2019 wird er im SÜDKURIER wie folgt zitiert: ‚Aus der Personenwahl bei der Kreistagswahl ist eine Politikwahl geworden.‘ Staab sah sein Ergebnis als Folge des damaligen grünen Trends, denen er als OB nicht genügend entgegensetzen konnte.

Das könnte Sie auch interessieren

Staab sieht sein Engagement heute im größeren Kontext, vor allem in Anbetracht der Bedrohung von rechts. „Ich habe mich zeit meines Lebens für das Gemeinwesen engagiert, in dem ich gearbeitet oder gelebt habe. Und wann, wenn nicht jetzt. In diesen Zeiten müssen sich alle Demokratinnen und Demokraten meines Erachtens für ihre Heimat stark machen, bevor wir die Freiheit der Menschen und der Presse verlieren, wenn radikale Kräfte an die Macht kommen“, beschreibt Staab seine Motivation.

Lebensmittelpunkt ist jetzt Konstanz

Seinen Lebensmittelpunkt hat Staab aber seit einigen Monaten nicht mehr in Radolfzell, sondern in Konstanz. Dass er dennoch auf der Radolfzeller Liste kandidieren kann, liegt an den Regelungen für die Kreistagswahl. Kandidaten für den Kreistag müssen laut Informationen des Innenministeriums Baden-Württemberg mindestens drei Monate ihren Wohnsitz im Landkreis haben. Eine Verpflichtung, in der Gemeinde oder der Stadt zu wohnen, auf deren Liste man sich aufstellen lassen möchte, gibt es nicht.

Das könnte Sie auch interessieren

Für Martin Staab spielt sein Umzug bei seiner Kandidatur keine Rolle: „Es geht um ein Mandat im Kreistag unseres gemeinsamen Landkreises. Radolfzell und Konstanz liegen im Landkreis. Ich kandidiere natürlich dort, wo ich vertiefte Kenntnisse, Erfahrungen und die Bekanntheit habe, die Problemlagen in- und auswendig kenne, und etwas Positives bewegen kann.“

Freie Wähler stehen hinter Martin Staab

Die Freien Wähler Radolfzell stehen voll hinter ihrer Kandidatenliste. „Wir, die Freien Wähler, entscheiden nach demokratischen Grundregeln über die Nominierung unserer Kandidaten, so wie es bei der Kommunalwahl alle Bürgerinnen und Bürger tun“, schreibt der Vorsitzende Peter Blum als Reaktion auf die Leserbriefe im SÜDKURIER. Hierzu hätten die Freien Wähler öffentlich eingeladen, allerdings sei keiner der jetzigen Leserbriefschreiber unter den Gästen gewesen.

Peter Blum, Vorsitzender der Freien Wähler in Radolfzell, steht hinter der Kandidatur Staabs und wünscht sich einen sachlichen Wahlkampf.
Peter Blum, Vorsitzender der Freien Wähler in Radolfzell, steht hinter der Kandidatur Staabs und wünscht sich einen sachlichen Wahlkampf. | Bild: rax peter blum 3.JPG

Peter Blum erinnert an das Engagements Staabs in Bezug auf die kurzfristige Schließung des Radolfzeller Krankenhauses. Staab ist Mitglied des Aufsichtsrates des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz und hatte sich bei der Abstimmung über die Schließung enthalten, wie er im Nachgang der nicht-öffentlichen Sitzung mitgeteilt hatte. Auch soll er für den Neubau am Standort in Radolfzell gestimmt haben.

Für Peter Blum ist das Grund genug, hinter Staabs Kandidatur zu stehen. Er wünscht sich einen sachlichen Wahlkampf. „Freie Wähler entscheiden frei, ebenso wie jeder Bürger bei der Wahl, wem sie zutrauen, sie im Ortschafts- und Gemeinderat sowie im Kreistag mit Erfahrung und Weitblick zu vertreten und das Ehrenamt mit viel Zeitaufwand und Engagement für die Bürgerschaft ehrenamtlich aufwendet“, so Blum.