Der Streit zwischen den Freien Wählern und dem restlichen Gemeinderat samt Stadtverwaltung wegen der Nachnutzung des Krankenhaus-Gebäudes geht in die nächste Runde. Nachdem der Antrag der Freien Wähler in einer Sondersitzung vor der Sommerpause mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, hatte der Ortsverein einen so genannten Bürgerantrag angekündigt.

Damit wollen sie das Thema Rückgabe des Gebäudes auf der Mettnau und Einrichtung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) wieder auf die Tagesordnung des Gemeinderates heben. Die notwendigen Unterschriften für diese Art von Bürgerantrag wollten sie bis Ende des Monates sammeln.

Antrag kommt gar nicht von den Bürgern

Nun äußern sich Stadtverwaltung sowie die Fraktionssprecher der Freien Grünen Liste, SPD und CDU in einer gemeinsamen Stellungnahme zu diesem Thema zu Wort. Irritierend am Bürgerantrag sei, dass er gar nicht aus der Bürgerschaft komme, sondern vom Ortsverein der Freien Wähler, schreiben Oberbürgermeister Simon Gröger, Bürgermeisterin Monika Laule sowie Siegfried Lehmann (FGL), Bernhard Diehl (CDU) und Norbert Lumbe (SPD). Sie kritisieren den Umgang mit demokratisch gefassten Mehrheitsbeschlüssen, denn der Gemeinderat habe bereits beraten und beschlossen.

„Alle Fraktionen des Gemeinderats und die Verwaltungsspitze haben das Ziel, nach Schließung des Krankenhauses durch den ...
„Alle Fraktionen des Gemeinderats und die Verwaltungsspitze haben das Ziel, nach Schließung des Krankenhauses durch den Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) in Radolfzell dennoch eine bestmögliche Gesundheitsversorgung zu haben.“OB Simon Gröger laut einer gemeinsamen Stellungnahme mit SPD, CDU und FGL | Bild: Marinovic, Laura

Alle haben doch das selbe Ziel

„Alle Fraktionen des Gemeinderats und die Verwaltungsspitze haben das Ziel, nach Schließung des Krankenhauses durch den Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) in Radolfzell dennoch eine bestmögliche Gesundheitsversorgung zu haben“, heißt es in der Stellungnahme. Das Handeln des Freien Wähler schwäche aber die Position der Stadt Radolfzell bei der Weichenstellung auf Kreisebene für die landkreisweite Lösung durch ein modernes Zentral-Klinikum. Hier haben sowohl die Stadt Radolfzell als auch die Stadt Singen je zwei Grundstücke für den Neubau vorgeschlagen. Die Entscheidung soll noch in diesem Jahr gefällt werden.

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Weiter nehmen Stadtverwaltung und Fraktionen Stellung, warum ein MVZ nicht die alleinige Lösung für die medizinische Versorgung Radolfzells sein könne. Sie wehren sich auch gegen den Vorwurf, unentschlossen zu sein und Verweigerung zu betreiben. Denn schon am 29. November 2022 habe der Gemeinderat einstimmig das „Radolfzeller Manifest“ beschlossen mit klaren Forderungen an den GLKN.

So steht in diesem geschrieben: „Der Gemeinderat der Stadt Radolfzell erwartet, dass die GLKN mbH im Falle der Schließung des Krankenhauses Radolfzell in diesem Haus unmittelbar anschließend ein Medizinisches Versorgungszentrum mit chirurgischer Notfall-Versorgung und Nachsorge-Versorgung (MVZ) einrichtet. Diese Erwartung ist abhängig vom künftigen Standort des zentralen Klinikneubaus.“

Arztsitze lassen sich nicht so einfach einrichten

Die Freien Wähler würden rechtlichen und finanziellen Erfordernisse, die für eine Gründung und den Betrieb eines MVZ zwingend erforderlich seien, außer Acht lassen. Hier würden die Freien Wähler den Eindruck erwecken, notwendige Arztsitze ließen sich so einfach einrichten lassen. Weder der GLKN, der Spitalfonds oder die Stadt Radolfzell könnten dies aber nach Belieben tun.

Die Innere Abteilung im Radolfzeller Krankenhaus: Hier ist das Licht ausgegangen.
Die Innere Abteilung im Radolfzeller Krankenhaus: Hier ist das Licht ausgegangen. | Bild: Marinovic, Laura

Zuständig für die Verteilung von ärztlichen Kassensitzen sei der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für Baden-Württemberg. Dieser entscheide, ob eine Region für bestimmte Arztgruppen über- oder unterversorgt sei. Und der Landkreis Konstanz sei gerade was Fachärzte beträfe laut diesem Gremium überversorgt. Deswegen bestehe eine Zulassungsbeschränkung für die „allgemeine, spezialisierte und die gesondert fachärztliche Versorgung“, wie Verwaltung und Fraktionen weiter schreiben.

Auf der Höri fehlen 1,75 Arztstellen, mehr nicht

Einzig im Bereich der hausärztlichen Versorgung gebe es ein Defizit von 1,75 Hausarztstellen, insbesondere im Bereich der Höri. Ein neues MVZ könnte also nur die zwei noch offenen Hausarztstellen besetzen, aber keine neuen Fachärzte.

Hier weisen der OB und die Fraktionssprecher auf die Diskrepanz zwischen der Realität und der Planung des Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hin, welche aber für die Entscheidung für oder gegen ein MVZ keine Rolle spielt: Denn obwohl es im Landkreis lange Wartezeiten für Facharzt-Termine gäbe, existiere auf dem Papier kein Fachärztemangel. Je nach Fachrichtung bestehe eine Überversorgung von 21 bis 81 Prozent, so die Erläuterung.

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Zur weiteren Forderung der Freien Wähler, das Krankenhausgebäude kosten- und lastenfrei zurück zu bekommen, möchten die Sprecher von SPD, CDU und FGL sowie die Verwaltung darauf hinweisen, dass es dabei um viel Geld, Risiken und Verpflichtungen gehe. „Es muss zuerst eine fachliche Einschätzung geben, welche vertraglichen, steuerlichen, bilanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen eine Rückgabe des Krankenhausgebäudes mit Grundstück an den Eigentümer Spitalfonds Radolfzell hätte“, schreiben sie in der Stellungnahme.

Die komplexen Verflechtungen würden wohlüberlegtes Handeln erfordern, Schnellschüsse seien nicht zielführend.