Still und leise waren die letzten Stunden des Krankenhausbetriebes. Um 12 Uhr am Freitag ist das Radolfzeller Krankenhaus von der Meldezentrale des Deutschen Roten Kreuzes abgetrennt worden. Der Betrieb ist nun offiziell eingestellt. Auf den Tag haben sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie alle Radolfzeller monatelang vorbereiten können. Und doch sind große Emotionen mit im Spiel.
Tage vorher schon kochte die Diskussion um die Zukunft des Krankenhauses im Radolfzeller Gemeinderat hoch. Kurz vor dem endgültigen Ende, das niemand mehr abwenden konnte, beschäftigen sich die Stadträtinnen und Stadträte mit der Frage, was nun aus dem Gebäude wird.
OB spricht von einem „schwarzen Tag“
Eingangs äußerte sich Oberbürgermeister Simon Gröger mit einer Rede zu dem Thema. Er sprach von einem „schwarzen Tag für Radolfzell“ und zollte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Krankenhauses seinen größten Respekt für ihren Einsatz. Das Krankenhaus gehöre zu Radolfzell, doch das Herz seien schon immer die Mitarbeiter gewesen. Er wiederholte auch noch einmal die klare Forderung des Radolfzeller Gremiums in Richtung Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz, den Standort für das geplante Zentralkrankenhaus zentral zu wählen.

Bevölkerung braucht Perspektiven
Radolfzell werde sich weiterhin aktiv in die Entscheidungsfindung, wo das neue Krankenhaus gebaut werden soll, einbringen, versicherte Gröger. Doch die Bevölkerung brauche nun eine Perspektive für die medizinische Versorgung. Dies wolle er auch gegenüber dem GLKN nochmals deutlich machen. Noch in der selben Woche war der OB mit Landrat und Aufsichtsratsvorsitzender Zeno Danner sowie GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber zum Gespräch verabredet. Thema: Die Zukunft des Gebäudes auf der Mettnau.

Dazu hat es in der Vergangenheit einige Anträge der CDU und der Freien Wähler gegeben. Vor allem Dietmar Baumgartner beharrte auf dem Standpunkt, dass das Krankenhausgebäude zurück in den Besitz des Spitalfonds wandern solle. Kostenfrei natürlich. „Was nützt uns das Gebäude, wenn wir es nicht bespielen“, sagte er. Diesem Vorschlag wollten sich theoretisch alle anschließen, nur praktisch wollte niemand so früh schon einen Gemeinderatsbeschluss dazu in Stein meißeln.

Viele offene Fragen
Zu viele Unklarheiten gebe es noch zu klären. Das Grundstück gehört dem Spitalfond, das Gebäude ist 2003 in Besitz der Hegau-Bodensee-Klinik (HBK) GmbH übergegangen. Bisher hat der GLKN keine Erbpacht bezahlt, da vertraglich geregelt war, dass das Grundstück kostenfrei überlassen werde, wenn darauf ein Krankenhaus betrieben werde.
Nun wird kein Krankenhaus mehr betrieben. Wie es nun weitergeht, wird wohl auch Thema des Gesprächs zwischen OB Gröger und GLKN-Spitze sein. „Wir dringen hier in juristisch komplexes Erbbaurecht ein“, so Gröger. Die Intention, dass das Krankenhausgebäude zu Radolfzell gehöre und zurück in den Besitz des Spitalfonds wandern solle, könne er jedoch verstehen und sehe dies ähnlich. Der Gemeinderat verständige sich auf eine Sondersitzung, in der sie alle noch offenen Fragen zum Krankenhaus klären möchten.

Und diese sind zahlreich. Zum einen haben die Radolfzeller Gemeinderäte das vernichtende TÜV-Gutachten, demnach der Brandschutz im Gebäude nicht mehr gewährleistet werden konnte, nicht vorgelegt bekommen. Bis heute nicht. Auch die Folgenutzung, zum Beispiel durch ein Medizinisches Versorgungszentrums, ist noch lange nicht geklärt.
Nicht jeder will ein MVZ
Und auch da zeichnen sich die ersten Unstimmigkeiten innerhalb des Gemeinderates ab: Gisela Kögel-Hensen (FGL) äußerte ihre klare Haltung. „Ein MVZ bringt uns nichts, wir brauchen eine Notfallversorgung am Wochenende und in den Abendstunden, tagsüber gibt es ausreichend Angebote“, so die Stadträtin. Eine Nutzung des Gebäudes durch die Mettnau-Kur schloss Kurdirektor Eckhard Scholz aus. Man könne sich aber vorstellen, dass man durchaus Synergien für Teile des Gebäudes nutzen könne.
Gemeinderat beschwört Einigkeit
Norbert Lumbe (SPD) beschwor eine gemeinsame Haltung des Radolfzeller Gemeinderates in der Sache. „Wir haben uns in jedem Punkt solidarisch gezeigt und verhalten“, resümierte er den bisher verlaufenen Prozess. Auch im weiteren Verlauf der Verhandlungen und Diskussionen solle der Rat mit einer Stimme sprechen und weiterhin zusammenstehen.
Trotz des Aufrufs zur Harmonie ließ es sich Thilo Sindlinger nicht nehmen, gegen Lumbe zu sticheln und ihn daran zu erinnern, dass die SPD vor zehn Jahren dem Beitritt des Klinikverbundes zugestimmt hatte. Der GLKN habe das Krankenhaus „ausgequetscht wie eine Zitrone“, so Sindlinger. Lumbe verteidigte die Entscheidung seiner Fraktion vor einem Jahrzehnt: „Was passiert ist, war nicht abzusehen.“