Nach 117 Jahren auf der Mettnau hat das Radolfzeller Krankenhaus am 30. Juni 2023 seine Türen für immer geschlossen. Nach langer Krankheit verstorben, könnte in der Traueranzeige des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz stehen. Aber friedlich eingeschlafen, der Tod als Erlösung.

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Erlös von einem Kostenfaktor

Radolfzeller werden dies etwas anders sehen. Erlöst wurde nur der GLKN von einem Kostenfaktor. Zurück bleibt aber eine Stadt in Trauer, die nicht nur den Verlust einer im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendigen Institution beweint. Die Radolfzellerinnen und Radolfzeller haben auch ein Stück Geschichte, Sicherheitsgefühl und Vertrauen verloren.

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Stirbt ein geliebter Mensch, durchleben die Hinterbliebenen mehrere Trauerphasen: Leugnen und nicht wahrhaben wollen, ausbrechende Emotionen, die eigentliche Aufarbeitung des Verlustes und dann letztlich die Akzeptanz. In welcher Phase Radolfzell sich befindet, ist schwer zu sagen. Jeder Betroffene befindet sich womöglich in einer anderen Phase, den Verlust des Krankenhauses zu betrauern.

Das Radolfzeller Krankenhaus auf der Mettnau schließt jetzt offiziell seine Türen.
Das Radolfzeller Krankenhaus auf der Mettnau schließt jetzt offiziell seine Türen. | Bild: Jarausch, Gerald

Eine Aufarbeitung scheint jedoch noch nicht in Sicht zu sein. Der Ärger über den Inhalt des Strukturgutachtens der Hamburger Beraterfirma Lohfert & Lohfert und des TÜV-Berichts ist noch immer groß. Viele wollen nicht wahrhaben, dass das Haus auf der Mettnau in einem derart desolaten Zustand sein soll.

Das Gutachten hatte einen Investitionsstau von 93 Millionen Euro errechnet. Der TÜV attestierte mangelhaften Brandschutz, das Krankenhaus sei nicht mehr verkehrssicher. Die Logik hinter der Entscheidung, es zu schließen, scheint also klar und nachvollziehbar zu sein. Es gibt noch zwei Krankenhäuser im Landkreis, niemand soll auf medizinische Versorgung verzichten müssen.

Radolfzeller verlieren mehr als nur ein Krankenhaus

Der Verzicht der Radolfzeller findet auf einer anderen Ebene statt. Es ist zum einen das Sicherheitsgefühl, welches das Krankenhaus in der gesamten Stadt verbreitet hat. Auch wenn die meisten Fachabteilungen lange umgezogen waren und Patienten ohnehin schon oft nach Singen oder Konstanz für eine Behandlung gehen mussten.

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Im Notfall war das Krankenhaus aber da, vor Ort. Jetzt müssen Notfallpatienten in die Singener Ambulanz, die schon seit jeher ein Platzproblem hat. Jeder kennt jemanden, der dort war und viele Stunden warten musste, bis er einen Arzt zu Gesicht bekommen hat. War es in Radolfzell früher nicht genauso, als es noch die Notfallambulanz gab? Dem eigenen Klinikum verzeiht man Unzulänglichkeiten nun mal leichter.

Es gibt nicht den einen Schuldigen

Zum anderen ist da das Gefühl, betrogen worden zu sein. Die 93 Millionen Euro sind nicht einfach so passiert, diese Summe ist bewusst nicht investiert worden. Im Lauf der Jahre waren viele Menschen dafür verantwortlich, den einen Schuldigen gibt es nicht.

Nur die Gewissheit: Der GLKN hat Gelder in die anderen beiden großen Häuser gesteckt, das Radolfzeller Krankenhaus blieb derweil auf der Strecke. Jetzt darauf zu vertrauen, dass der GLKN schon für die Versorgung der Menschen aus Radolfzell und der Höri sorgen wird, bis ein neues Zentralkrankenhaus gebaut wird, fällt schwer.

Die Aufarbeitung dieser historischen Entscheidung, das Krankenhaus zu schließen, wird also noch andauern. Noch steht das Gebäude auf der Mettnau und noch ist nicht klar, was damit in Zukunft geschehen soll. Bis zur Akzeptanz ist es noch ein weiter Weg. Der einzige Trost ist, dass die vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Radolfzell faire Bedingungen für ihren Wechsel bekommen haben und die meisten auch weiterhin in einer Einrichtung des GLKN tätig sein werden. Das Radolfzeller Krankenhaus war eben nicht nur ein Gebäude.