Die plötzliche Schließung des Radolfzeller Krankenhauses hat für ein Beben in der Stadt gesorgt. Nachdem sich der erste Schock etwas gelegt hat, macht sich bei vielen Frust und Enttäuschung über die Entwicklungen im Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) breit. In einer Pressekonferenz formulierten Oberbürgermeister Simon Gröger und Bürgermeisterin Monika Laule sowie die Fraktionssprecher von FGL, CDU, SPD, FDP und Freie Wähler ihre Erwartungen an den GLKN.
Noch 2018 gab es schwarze Zahlen
Während Gröger den Mitarbeitern des Radolfzeller Krankenhauses seinen Dank und Respekt für ihre Arbeit aussprach und den GLKN aufforderte, dem Krankenhaus-Personal höchste Aufmerksamkeit und Unterstützung zukommen zu lassen, waren die Worte von Bürgermeisterin Monika Laule weniger versöhnlich.
„Wir sehen unser Krankenhaus nicht als Kostentreiber“, sagte sie. Noch im Jahr 2018 hätte das Radolfzeller Klinikum schwarze Zahlen erwirtschaftet. Vom GLKN erwarte sie nun in dem Wiederaufbau medizinischer Strukturen ein genauso schnelles Handeln wie der Verbund es bei der Schließung des Klinikums gezeigt hätte.

Noch deutlichere Worte findet der SPD-Stadtverband Radolfzell. Nicht nur das systematische Abziehen von Abteilungen aus dem Krankenhaus in den vergangenen Jahren sei ärgerlich und enttäuschend, viel schlimmer sei, dass ein derartiger Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern und den Entscheidungsgremien einen maximalen Schaden an der Demokratie anrichte.
Das Gefühl, getäuscht und belogen worden zu sein
Denn schließlich habe der GLKN den Radolfzellerinnen und Radolfzeller stets etwas anderes zugesagt und versprochen. „Zurecht fühlt man sich getäuscht, hingehalten, belogen. Dies ist unwürdig und absolut indiskutabel“, schreibt Hannes Ehlerding, einer der Vorsitzenden des SPD-Stadtverband. Es sei im vorliegenden Fall zudem ein Verrat an hohen gesellschaftlichen Werten. Gesundheitsversorgung sei kein Wirtschaftsgut, welches man sich vielleicht leisten könne, vielleicht auch nicht.

Die SPD Radolfzell formulierte auch klare Forderungen an den GLKN. Dieser solle die zugesagte Verantwortung für die Menschen weiterhin übernehmen und die Zukunft des Krankenhauses im Verbund und der medizinischen Versorgung zügig und transparent kommunizieren. Auch kritisiert die SPD den Zeitpunkt der Krankenhausschließung. Die politischen Zeichen aus Berlin würden auf einen Wandel stehen.
Eine grundlegende Krankenhausreform sei angekündigt, die kleinere Krankenhäuser als Grundversorgung erhalten solle. Es sei eine radikale Reform geplant, die Verbesserungen für Krankenhäuser bringen sollte. Der Zeitpunkt der Schließung der Radolfzeller Einrichtung hätte aus Sicht der SPD „kaum aberwitziger gewählt werden können“.

Freie Wähler pochen auf MVZ
Auf ein medizinisches Versorgungszentrum mit chirurgischer Notfallambulanz pochen noch immer die Vertreter der Freien Wähler, die dieses Manifest nach Bekanntgabe des Gutachtens durch die Firma Lohfert & Lohfert im Gemeinderat einbrachten. Fraktionssprecher Dietmar Baumgarter betonte während der Pressekonferenz noch einmal die Notwendigkeit eines MVZ und dass dieses nun sofort kommen müsse.

Auch Bernhard Diehl (CDU) forderte einen fairen Umgang mit dem Krankenhauspersonal und unverzüglich eine neue Perspektive für die Menschen vor Ort. Jürgen Keck (FDP) kritisierte, dass trotz aller Beteuerungen des GLKN die Doppelstrukturen in Konstanz und Singen nie abgebaut wurden. „Der GLKN war hier nicht transparent“, so Keck.
Auch Stimmen aus Radolfzell haben zu Schließung beigetragen
Weiter holte Siegfried Lehmann, Fraktionssprecher der FGL, aus, der selbst Mitglied im GLKN-Aufsichtsrat ist. Aus der Perspektive eines Aufsichtsrates sei es alternativlos gewesen, nicht für eine Schließung des Krankenhauses zu stimmen. Die Entscheidung fiel laut Aufsichtsratsvorsitzendem Zeno Danner einstimmig aus.

Aus Radolfzell sitzen nur Siegfried Lehmann und der ehemalige Oberbürgermeister Martin Staab in diesem Gremium. „Die Schließung dieses Krankenhauses hat viele Mütter und Väter und diese sitzen zum Teil auch hier“, so Lehmann.

Krankenhaus zwischen Konstanz und Singen zerrieben
Das Radolfzeller Krankenhaus sei zwischen den Standorten Konstanz und Singen zerrieben worden, denn der GLKN habe sein Versprechen von einer schlanken und besseren Versorgung im Kreis nie eingehalten. Und laut Lehmann werde diese Konkurrenz zwischen den beiden Klinikstandorten auch nicht aufhören, wenn es nicht ein neues, zentrales Klinikum für den gesamten Landkreis geben werde.
Um die Notfallambulanz in Singen zu entlasten, forderte auch er die Einrichtung einer wohnortnahen chirurgischen Notfallversorgung für Radolfzell und die Höri. „Es kann nicht sein, dass Radolfzeller als Bittsteller in die Singener Notaufnahme kommen und dort etliche Stunden warten müssen“, sagte Lehmann.
Förderverein gibt sich geknickt
Jürgen Mäder, Mitglied des Vorstandes des Krankenhausfördervereins Radolfzell und niedergelassener Arzt in Gaienhofen, bedauerte die Schließung des Krankenhauses, dem er sich seit 35 Jahren sehr verbunden fühlte.
Er bedauere vor allem für die immer älter werdende Gesellschaft den Wegfall des Radolfzeller Krankenhauses. In der kleineren Einrichtung würden multimorbide Patienten, also Patienten mit verschiedenen gleichzeitig auftretenden Krankheiten, eine deutlich bessere Versorgung erhalten, als dies in großen Kliniken mit spezialisierten Einheiten der Fall wäre. Ein MVZ in Radolfzell nannte Mäder eine Illusion, da eine durchgängige Notfallversorgung schlicht nicht leistbar sei. Außerdem sei Radolfzell jetzt schon notfallmäßig durch die Klinik in Singen mitversorgt.
Landkreis betont die gute Versorgung von Radolfzell
Auf diesen Umstand machten auch noch einmal Landrat Zeno Danner und GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber aufmerksam. Es bestehe keinerlei stationäre Versorgungslücke in Radolfzell. Die kritische Fahrzeit von maximal 30 Minuten für Notfälle werde weiterhin eingehalten. Auch die Notfallversorgung sei gewährleistet und der Notarzt-Standort in Radolfzell bleibe von der Beendigung des Krankenhausbetriebes unberührt.