Der Singener Urologe und CDU-Stadtrat Franz Hirschle erfreut sich in der politischen Wahrnehmung der benachbarten großen Kreisstadt Radolfzell überschaubarer Beliebtheitswerte. Seine Aussage, es bräuchte für eine neue Kreisklinik einen Standort mit guter Infrastruktur und kurzen Wegen zu den bereits bestehenden medizinischen Zentren ‚und die sind in Singen und nicht in der Prärie‘ (Hirschle), wird in Radolfzell als unfair empfunden.

Zwischen Radolfzeller Prärie und Singener Pampa

Was Hirschle als Prärie bezeichnet, ist das aufgeforstete Gewann Kempfrain an der Bundesstraße 34 in der geographischen Mitte des Landkreises, welches die Stadt Radolfzell als Grundstücksvorschlag für den Standort einer neuen Kreisklinik innerhalb des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz (GLKN) eingebracht hat. Mit Prärie verbindet Jürgen Keck, Stadtrat der FDP in Radolfzell, eher eine Weidelandschaft. Das sei der bewaldete Kempfrain definitiv nicht.

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Aber hier teilt Keck die Singener Meinung, für ihn kommt das Grundstück als Klinikstandort wegen der Aufforstung nicht in Frage: „Wir brauchen ein Grundstück, das an der Bahnlinie zwischen Singen und Radolfzell liegt, damit es auch aus Konstanz gut erreichbar ist.“ Morgens, mittags, abends, in der Nacht müssten die Beschäftigten jederzeit über den Seehas Anschluss haben. Entlang der Bahnlinie gebe es durchaus Grundstückslösungen, die umsetzbar seien.

Diese Fläche hat Radolfzell dem GLKN angeboten:

Quelle: Stadt Radolfzell/ Bild: Google Earth/ SÜDKURIER-Grafik: Steller
Quelle: Stadt Radolfzell/ Bild: Google Earth/ SÜDKURIER-Grafik: Steller | Bild: Steller, Jessica

Keck empfiehlt ohnehin, mehr auf Konstanzer Belange zu achten. „Wir sind nicht auf Gedeih und Verderben auf die Singener angewiesen, bei denen sind wir ohnehin schon durchs Raster gefallen.“ Das von der Stadt Singen vorgeschlagene Grundstück für den Klinikneubau bezeichnet Keck als „Pampa am Hohentwiel“.

Aber nicht das offensichtlich weitgehend fehlende Gehölz stört Keck an dem von der Stadt Singen eingebrachten Standort, es ist die Lage: „Es entspricht nicht der Forderung nach Zentralität, es liegt nicht in der Mitte des Kreises.“ Der Radolfzeller FDP-Stadtrat hält fest: „Beide Grundstücksvorschläge entsprechen nicht den Vorgaben, die im Gutachten von Lohfert und Lohfert stehen.“

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Keck stellt sich gegen die offizielle Linie

Damit schert Jürgen Keck aus der Linie aus, die OB Simon Gröger und Vertreter anderer Fraktionen bei der Vorstellung des Radolfzeller Grundstückvorschlags in einer digitalen Pressekonferenz vertreten haben. Sie bezeichneten das Grundstück Kempfrain als für diesen Zweck geeignet und machbar.

Abseits der Grundstücksfrage gibt es innerhalb des Gemeinderats Radolfzell nach wie vor unterschiedliche Auffassungen. Dietmar Baumgartner von den Freien Wählern glaubt, dass die Entwicklung der Baupreise einen Klinikneubau verhindern. „Das kann sich der GLKN nicht leisten.“ Der Stadtrat spricht von einem „Moloch in der Gesellschaftsstruktur“ des Gesundheitsverbunds. „Der Patient bleibt bei dieser Struktur auf der Strecke.“

Martina Gleich bemängelt fehlende Transparenz

Stadträtin Martina Gleich hat die Eckpunkte wie Zeitplan für die Umsetzung und Standortgarantie für die bestehenden Häuser bis zum Bezug einer neuen Klinik für die CDU im Gemeinderat eingebracht. Allerdings sei sie von der Schließung der Chirurgischen Ambulanz in Radolfzell überrascht worden. Eine von den Verantwortlichen im GLKN und Kreis immer wieder beteuerten Bereitschaft zur Transparenz kann Martina Gleich nicht erkennen: „Wir wurden nicht informiert.“ Das sei ein erneuter Vertrauensverlust.

„Wir wollen die beste Lösung für den Kreis und der reicht von Hohenfels bis Tengen.“ Martina Gleich, CDU Radolfzell
„Wir wollen die beste Lösung für den Kreis und der reicht von Hohenfels bis Tengen.“ Martina Gleich, CDU Radolfzell | Bild: Andreas Kochloeffel

Auch die Reaktionen aus Singen auf den Radolfzeller Grundstücksvorschlag für die neue Klinik empfindet sie als „Arroganz und Provokation“. Sie mahnt in Richtung der Industriestadt mehr Fairness an: „Auch Radolfzell hat das Recht, einen Vorschlag einzubringen, nicht nur die anderen.“ Flächenverbrauch sei Flächenverbrauch, egal wo er stattfinde. Das Kirchturm-Denken habe bei der Frage der medizinischen Versorgung nichts zu suchen. „Wir wollen die beste Lösung für den Kreis und der reicht von Hohenfels bis Tengen.“

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Patienten geht es vorrangig um Behandlung, oder?

Für Anja Matuszak ist die ganze Sache eine „vertrackte Situation“. Die Stadträtin der Freien Grünen Liste bezweifelt, dass ein neues Krankenhaus alle Probleme lösen könne. Matuszak findet, dass die medizinische Versorgung in der Diskussion zu kurz kommt. Für den Patienten sei die Frage des Standorts nicht so relevant: „Essentiell ist doch bei der medizinischen Versorgung, was muss behandelt werden und erst dann kommt die Frage wo“, sagt Anja Matuszak. Viele Dinge im Gutachten und Aussagen dazu könne sie nicht nachvollziehen. „Warum soll ein Umbau im laufenden Betrieb nicht funktionieren, das funktioniert woanders auch?“

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Der Mangel an vernünftiger Kooperation

Norbert Lumbe (SPD) will daran festhalten, dass alle im Kreis Konstanz grundsätzlich im Sinne einer gemeinsamen Lösung zusammenarbeiten. Sonst gehe die Idee des kommunalen Krankenhauses verloren: „Von der besten Lösung werden alle profitieren.“ Und doch nimmt Lumbe die Unstimmigkeiten im Gesundheitsverbund wahr: „Es mangelt nicht nur an der Transparenz von Entscheidungen, es mangelt an der Bereitschaft zu einer vernünftigen Kooperation.“