Zum zweiten Workshop des Klima- und Mobiltätskonzept, der jetzt im Milchwerk stattgefunden hat, fanden sich dieser Tage fast ausnahmslos Radfahrer ein. Offenbar stellen sie die größte Gruppe der Personen dar, die an einer Klima- und Mobilitätswende interessiert sind.
Für Frank Gericke von dem Fachbüro Modus Consult, das die Stadt mit der Aufgabe des Konzeptes betraut hat, eine nicht ganz einfache Ausgangslage: „Fast alle hier fahren Rad, es sind wenig Fußgänger und keine Autofahrer. Wir sind also nicht die Mehrheit. Wir müssen deshalb für die anderen mitdenken“, befand er nach der Vorstellungsrunde der rund 30 Teilnehmer.
Wunsch nach Umbau ist groß
Das ist allerdings leichter gesagt als getan, wie sich im Laufe des Workshop-Abends herausstellte. Denn die Teilnehmer verfolgten primär ihre ganz persönlichen Interessen. Und die kamen zum Teil schon einem Paradigmenwechsel gleich. So plädierte eine junge Mutter für einen Wechsel der Priorisierungen im Bereich der Verkehrsteilnehmer. Sie wünschte sich die Abkehr von einer zum Auto ausgerichteten Politik hin zu einer Ausrichtung auf den Fußgängerverkehr.
Selbst wenn man solche Ansätze nicht unbedingt verfolgen möchte, ist der Wunsch nach einem Umbau groß und wohl auch notwendig. Die Verpflichtung des Staates zum Klimaschutz bedingt eine Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes um 55 Prozent bis zum Jahr 2030. Da gilt es also, dicke Bretter zu bohren. Die Eckpunkte für Radolfzell wurden bereits im ersten Bürgerworkshop zu dem Thema im November 2022 festgelegt.
Was wünschen sich die Bürger?
Der Versuch, diese nun zu präzisieren, stellte sich auf der Veranstaltung als nicht ganz einfach heraus. Denn das Fachbüro strebt zum aktuellen Zeitpunkt vor allem grundsätzliche Leitthemen an. Erst in späteren Schritten sollen konkrete Maßnahmen ausgearbeitet werden.
Doch dieses Vorgehen fiel mitunter nicht ganz leicht. Vielfach äußerten die Teilnehmer ganz konkrete Maßnahmen, die sie gerne umgesetzt sehen würden. Sie reichten von der Verbannung der Autos im gesamten Innenstadtbereich über Fahrradstraßen und besser geregelten Parkmöglichkeiten bis hin zu engeren Taktungszeiten der öffentlichen Verkehrsmittel.
Was ist überhaupt machbar?
Viele der Wünsche orientierten sich nicht unbedingt an der Machbarkeit und Finanzierung. Der BUND-Geschäftsführer Ralf Stolz plädierte für „drastische Schritte“, weil man in der Angelegenheit „längerfristig denken müsse“, wie er sagte.
Dem gegenüber stand die Ansicht von Frank Gericke, der aus seiner Berufserfahrung sagte, dass man „mit den Zielen nicht die Welt verändern“ könne: „Das Aufoktroyieren klappt nicht“, befand der Geschäftsführer des Beratungsbüros in diesem Zusammenhang. Daher sollte der Aspekt des Machbaren nicht ganz in den Hintergrund gedrängt werden.
Allein der Blick auf die Finanzen der Stadt Radolfzell dürfte schnell jedes noch so gut gedachte Konzept durchkreuzen, weil schlichtweg das Geld für eine Umsetzung fehlt.
Verkehrsteilnehmer sollen sich an Regeln halten
Für Frank Gericke stand deshalb fest, dass man „die Infrastruktur nicht einfach umbauen kann“, wie er erklärte. Dabei war weniger die Neuaufteilung der Straßenkörper auf der verschiedenen Verkehrsteilnehmer gemeint, als die Tatsache, dass die Breite der Straßen nun einmal begrenzt ist. Vielfach ist der Wunsch nach einem räumlich getrennten Radweg daher nicht umsetzbar.
Für Frank Matthes vom Fachbereich Verkehrswesen bei der Stadt Radolfzell wären viele der Probleme im Straßenverkehr zu lösen, „wenn sich die Verkehrsteilnehmer an die Straßenverkehrsordnung halten würden“ und so nicht andere gefährden, wie er in dem Workshop bemerkte. Damit ist das Klimaproblem freilich nicht gelöst. Um die angestrebte Menge an Kohlendioxid bis zum Jahr 2030 einzusparen, benötigt es in jedem Fall den Willen aller Verkehrsteilnehmer. Und die sollten bei der Ausarbeitung eines Konzeptes nicht ausschließlich aus Radfahrern bestehen.