Auf der Reise in die Vergangenheit ist die Serie „Dem Namen auf der Spur“ nun bei einem Stadtteil angelangt, der trotz seines jungen Alters nicht wegzudenken ist: die Weinburg. Anders als so manche Vermutung nahelegt, hat deren Entstehung aber nichts mit Burgen, Rittern und dem Mittelalter zu tun – sondern mit Wein. Nach dem Altbohl klärt Historiker Christof Stadler nun über die Entstehung der Weinburg auf.
Der Rebbau macht den Anfang
Entgegen des Alters der Stadt Radolfzell kommt der Name Weinburg aus der jüngeren Vergangenheit. Laut Christof Stadler sucht man selbst noch um 1900 vergebens auf Karten nach der Weinburg. Der Begriff für die nördliche Anhöhe der Kernstadt entstammt nämlich dem 20. Jahrhundert. Die Fläche sei früher als „Stürzkreut“ bekannt gewesen. Diese sei erstmals urkundlich unter dem Namen Stiersgerút im Jahr 1373 aufgetaucht.
Aber: Dem heutigen Namen entsprechend war das Gebiet schon im 14. Jahrhundert mit dem Rebbau verknüpft, erklärt Stadler. Da die Stadt Radolfzell über wenig Territorium verfügt habe, sei die Möglichkeit zum Anbau von Weinreben auf das Stürzkreut und die Mettnau beschränkt gewesen, so der Historiker.

Damals habe der steile Stichweg von der St. Anna Kapelle zum Buchhof das Gebiet in eine Ost- und Westhälfte geteilt. Christof Stadler berichtet, dass noch zur Zeit des Eisenbahnbaus rund die Hälfte der Fläche mit Reben bepflanzt gewesen sei. Dies habe sich jedoch bis zum Ersten Weltkrieg geändert, als nahezu alle Reben durch bessere Verdienstmöglichkeiten für die Arbeiter und Krankheiten verschwunden seien.
Ursprünglich war eine Familie Namensgeber
Der Wandel von Stürzkreut zu Weinburg hat einen längeren Weg hinter sich. Christof Stadler erklärt, dass der Name Stürzkreut nichts mit „stürzen“ zu tun habe. Diese Herleitung wäre zwar eigentlich plausibel, denn „kreut“ (gereuth) stamme von roden, was in der Kombination zusammen passen würde.
Doch stattdessen lasse sich Stürz auf den Familienname Stier zurückführen, die Familie sei im 14. Jahrhundert als Lehensträger im Besitz des Gebietes gewesen. Zu dieser Zeit sei das Gebiet zu Gunsten des Rebbaus gerodet worden. Laut Stadler ist dann im 17. Jahrhundert der Zusammenhang mit der Familie Stier in Vergessenheit geraten und so habe sich seit dem 18. Jahrhundert der Name „Stürz“ durchgesetzt.
Diese Rolle spielte das Café Weinburg
Im Laufe der Zeit sei es dann zu einer zunehmenden Bebauung des Gebietes gekommen. Angefangen habe dies mit einer Kapelle, die in der Barockzeit um 1720 an der Stelle des heutigen Kindergartens Josef Zuber errichtet wurde, so Stadler. Am steilsten Abschnitt des Buchhofstiegs sei spätestens im 19. Jahrhundert ein Bierkeller im Untergrund errichtet worden.

1855 sei es dann zu einer Annäherung an den Begriff „Weinburg“ gekommen, als der Bierbrauer Alois Teufel nahe seines Bierkellers einen Biergarten anlegen ließ. Dieser soll die Keimzelle des späteren „Café Weinburg“ gewesen sein.
Wieso Weinburg und nicht mehr Stürzkreut?
Der aufsteigende Tourismus half der Weinburg zu entstehen, zu wachsen und zu gedeihen. So sei Anfang des 20. Jahrhunderts das Bedürfnis nach Ausflügen und die Verbreitung des Fernverkehr aufgekommen, was die Stadt dazu veranlasst habe, Gastronomie an den Rändern der Stadt entstehen zu lassen. Christof Stadler erklärt, dass so das Café Stürzkreut für Ausflügler entstanden sei.

Im weiteren Verlauf habe 1912 der Konstanzer Schneider Georg Lengenfelder das Rebhäuschen und auch den Bierkeller erworben, die er zu einem Wirtsbetrieb umbauen ließ. So sei der turmartige Bau über dem Bierkeller entstanden, der die Geburtsstunde der „Weinburg“ einläutete, erklärt Stadler.
In den folgenden Jahren sei es zum Ausschank von Kaffee, Wein und Spirituosen gekommen, mit dem Ziel Gäste aus der Stadt anzulocken. Durch weitere Anbauten sei mit einer großen Gartenterrasse, Fernsicht und der Möglichkeit zum Luft- und Sonnenbaden geworben worden.
Gerade diese Aussicht habe dazu geführt, dass in den 1920er- und 1930er-Jahren die Beliebtheit des oberen Stürzkreut als Baugelände zugenommen habe. Folglich habe sich die populäre Bezeichnung „Weinburg“ durchgesetzt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1980er-Jahre sei die Weinburg endgültig zugebaut worden.