Ihr Arbeitsplatz ist dort, wo aktuell keiner freiwillig sein möchte. Christina Wöhrle und Christoph Labuhn sind Seelsorger am Radolfzeller Krankenhaus. In diesen Tagen erleben sie Patienten, die ihren Krankenhausaufenthalt ohne ermutigende Besuche von Familie und Freunden durchstehen müssen.
Hinzu kommt die ständige Angst, sich selbst mit dem Coronavirus zu infizieren. „Die Isolation schlägt schon auf das Gemüt“, sagt Christina Wöhrle. Deswegen würden sie trotz der eigentlich verordneten Distanz immer wieder den Kontakt zu Patienten suchen und gezielt auf Patienten zugehen, die ihre Hilfe brauchen.
Manchmal geben Mitarbeiter des Pflegepersonals einen Tipp, wer vielleicht besonders Zuspruch oder ein Gespräch gebrauchen könnte. „Wir arbeiten viel enger mit dem Klinikpersonal zusammen als davor“, sagt Christina Wöhrle. Manchmal kämen die Bitten, nach einem bestimmten Patienten zu sehen, von Angehörigen.
Die ethischen Fragen für den Extremfall sind bereits geklärt
Als neue Aufgabe kam die Beratung ethischer Fragen der Coronakrise hinzu. Mediziner und Seelsorgen hätten sich bereits vor Wochen zusammen gesetzt und gemeinsam ein Konzept für den Extremfall erarbeitet. Die Überlastung des italienischen Gesundheitssystems habe viele sehr besorgt. Solche Szenen habe man an den Krankenhäusern des Klinikverbundes verhindern wollen.
Es galt also die Frage zu klären: Wenn der absolute Extremfall eintritt, es mehr Patienten als Intensivbetten und Beatmungsgeräte gibt, wer bekommt dann die medizinische Hilfe und wer nicht. „Wir haben uns darauf geeinigt, es nicht am Alter festzumachen, sondern mehr auf den allgemeinen Zustand des Patienten zu achten“, sagt Christoph Labuhn.
Labuhn arbeitet auch am Singener Klinikum und hat dort auch schon einen Corona-Patienten auf seinem letzten Weg begleitet. Er durfte nicht zu ihm gehen, sondern hat ihm den Beistand über ein Fenster zukommen lassen. Das Pflegepersonal durfte als einziges direkt zu dem sterbenden Patienten. „Wir müssen kreative Formen der Seelsorge finden, die mit den Richtlinien im Krankenhaus funktionieren“, sagt Labuhn.
Doch da sei man im Team mit allen Krankenhausmitarbeitern auf einem guten Weg. Die medizinische Versorgung und Sicherheit des Personals und der Patienten sei das Wichtigste. „Wir wollen Problem lösen und Teil des Problems sein“, so der Diakon. Den Angehörigen konnte er dann von den letzten Stunden des Verstorbenen berichten, und dass er nicht allein war. Das sei oft ein großer Trost in diesen Tagen.
Auch Pflegerinnen und Pfleger brauchen einmal Zuspruch
Hin und wieder sind sie auch für Mitarbeiter des Klinikverbundes Ansprechpartner und Stütze. Diese stünden aktuell vor großen Herausforderungen. Auch Pflegekräfte hätten Angst sich anzustecken oder Patienten zu gefährden. Doch trotz der großen Belastung würden sie ihr Bestes für die Patienten geben. „Sie sind sehr einfühlsam und versuchen ein Ambiente zu schaffen, dass den Patienten ihre Isolation etwas leichter macht“, sagt Labuhn.
Außerdem sei jedes Patientenzimmer mit einem Telefon ausgestattet, so könnten die Patienten wenigstens mit ihren Angehörigen sprechen. Die eigene Arbeit im Seelsorge-Team sei ebenfalls digitaler geworden. Die Teilnahme an Konferenzen würde über Videochat funktionieren. „Wir haben es davor gar nicht so in Betracht gezogen, aber ich glaube, einiges werden wir auch nach der Coronazeit beibehalten“, sagt Christina Wöhrle.
Ein Flötenkonzert für das Krankenhaus
- Zu den Personen: Christoph Labuhn ist Diakon und evangelischer Krankenhaus-Seelsorger am Gesundheitsverbund. Christina Wöhrle ist Pastoralreferentin und in der katholischen Klinikseelsorge tätig. Ebenfalls ist sie Kurseelsorgerin in der Mettnaukur .
- Die zahlreichen Angebote der Krankenhaus-Seelsorge, wie ein offener Singkreis, eine Vorlesezeit oder der gemeinsame Gottesdienst, würden aktuell nicht mehr stattfinden. Außer dem Klinikpersonal dürfe auch aktuell niemand mehr in das Krankenhaus hinein oder hinaus. Je nach Erkrankung würden Patienten nur wenige Tage in der Klinik bleiben. Doch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der Geriatrie, die in Radolfzell angesiedelt ist, läge bei drei Wochen, informieren die beiden Krankenhaus-Seelsorger. Diabetes-Patienten würden auch weit über einem Monat im Krankenhaus bleiben müssen. Um den kranken Menschen eine Freude zu machen, hat die Klinikseelsorge ein kleines Konzert organisiert. Die beiden Querflötenspielerinnen Eva Bielefeld und Minne Bley würden vom Garten aus vor den Patientenzimmern beliebte Volkslieder spielen.