Das Theater auf der Insel Reichenau ist zurück. Das ist eine gute Nachricht nach dem Corona-Lockdown im Vorjahr. Viel besser noch ist: Das Theater im Theaterglashaus auf der Insel ist ganz grandios zurück. Das liegt zum einen an der Stückauswahl, drei Einakter des großen deutschen Komödienautors Curt Goetz. Aber viel mehr noch liegt es an den fünf Münchner Schauspielern, die den geistreichen und gewitzten Texten neues Leben einhauchen, die zusätzlich die Pointen auf den Punkt bringen, die humoresken wie die nachdenklichen Momente präzise interpretieren und die Nuancen nicht vernachlässigen. Das Premieren-Publikum war begeistert, lachte viel und spendete am Ende langen Applaus.

Darum geht es in dem Dreiakter

Den Auftakt bildete das Stück „Der Hund im Hirn“. Ein zu früh von einer Reise zurückgekehrter Professor erahnt schnell, dass ihn die Gattin betrogen hat. Und lehrt den Ehebrecher, der vom Hund gebissen wurde, hinterhältig das Fürchten. Um Ehebruch geht es auch in „Die Rache“, aber auf deutlich subtilere Art. Das Stück ist eher ein moralisches Drama um ein Beziehungsgeflecht, in dem sich drei Menschen – Mann, Frau, Ehebrecher – unheilvoll verfangen haben. Und sehr komisch wiederum ist der Ausklang mit „Minna Magdalena“, wo es eher um Doppelmoral geht. Die vermeintliche Unzucht eines jungen Dienstmädchens wird von ihrem Arbeitgeberpaar als Undankbarkeit empfunden. Und am Schluss wird das Paar durch eine überraschende Wendung selbst des schlechten Denkens überführt.

Konrad Adams, Johannes Haag und Sonja Reichelt (von links) im Einakter „Der Hund im Hirn“.
Konrad Adams, Johannes Haag und Sonja Reichelt (von links) im Einakter „Der Hund im Hirn“. | Bild: Zoch, Thomas

Die Kombination dieser drei Einakter sorgt zum einen nicht nur für Heiterkeit, Nachdenklichkeit und Abwechslung beim Publikum. Sie bietet den Schauspielern auch Gelegenheit, ihre Wandlungsfähigkeit an einem Abend zu zeigen. Allen voran Sonja Reichelt, weil sie in allen drei Stücken eine Rolle hat – und diese immer großartig ausfüllt: als gar nicht so feine Frau Professor, als Berliner Schnauze und dann als heulende, knicksende, junge Unschuld vom Land. Konrad Adams, der auch die Leitung des Theaters auf der Insel seit 2019 hat, brilliert mal als perfider Professor, dann als ungewollt wortgewandter einfacher Arbeiter. Johannes Haag muss zwar zweimal den Ehebrecher mimen, doch er tut dies sehr differenziert und den Stücken entsprechend – und sehr komisch in „Der Hund im Hirn“.

Die Schauspielerin und Regisseurin Ute Fuchs hatte das Inseltheater 1999 gegründet und gab es aus gesundheitlichen Gründen an Konrad ...
Die Schauspielerin und Regisseurin Ute Fuchs hatte das Inseltheater 1999 gegründet und gab es aus gesundheitlichen Gründen an Konrad Adams ab. Mit der Premiere war sie sehr zufrieden. | Bild: Zoch, Thomas

Adela Florow überzeugt als steifer Diener ebenso wie als etwas überkandidelte Herrin. Und auch Norbert Heckner, der als Staatsanwalt erst Korrektheit, dann Gefühle verkörpert und später als etwas verwirrter Professor gefühlvoll korrekt sein will und völlig daneben liegt. Ebenso schlicht wie gelungen ist auch das Bühnenbild. Ein Tisch und ein paar Stühle werden jeweils neu arrangiert. Und im Hintergrund sorgt ein großes Tuch für die stimmige Atmosphäre: mal mit einem rustikalen Kamin, einem Bücherregal und dann mit einem Gemälde von van Gogh. Und untermalt wird die Inszenierung mit Liedern von Paul Lincke.

Im Bild Adela Florow, Norbert Heckner und Konrad Adams (von links) im Einakter „Minna Magdalena“.
Im Bild Adela Florow, Norbert Heckner und Konrad Adams (von links) im Einakter „Minna Magdalena“. | Bild: Zoch, Thomas

Unter dem Premieren-Publikum war auch die Schauspielerin und Regisseurin Ute Fuchs, die das Inseltheater 1999 gegründet und dies 2019 aus gesundheitlichen Gründen an Konrad Adams abgegeben hatte. Sie sei absolut zufrieden mit ihren Nachfolgern, sagte sie. Adams hatte schon in den Jahren zuvor mitgewirkt. „Ich wusste ja, wen ich empfohlen habe“, sagte Ute Fuchs. Und erfreulicherweise habe Konrad Adams dann zugesagt. Dieser sei klug und menschlich sehr fein. Die aktuelle Inszenierung finde sie sehr erheiternd, nachdenklich und doch mit Humor durchmischt. Die Schauspieler hätten schwer gearbeitet, meinte Ute Fuchs. Es sei generell schwieriger, Komödien als Dramen zu spielen, weil es Schlag auf Schlag gehen müsse. Und es sei sicher nicht einfach, das vorab in München zu proben und sich dann in kurzer Zeit auf der Reichenau an den neuen Rahmen zu gewöhnen.

Die Reichenauerin Simone Baumer fand den Abend kurzweilig. Sie sagt: „Ich fand die Auswahl sehr interessant und gelungen.“ Und nach der coronabedingten Abstinenz habe es Charme, wieder ins Theater zu gehen. Claudia Lier aus Konstanz war zum ersten Mal beim Inseltheater: „Ich finde es klasse, es gefällt mir gut.“ Vor allem die Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit sage ihr zu. Sie sei zudem überrascht, wie bekannt die Schauspieler eigentlich seien – vor allem durch TV-Rollen. „Mich begeistert das jetzt schon richtig“, sagte sie. Sehr angetan waren auch die Feriengäste Elfi und Rolf Bergmann aus Rheinland-Pfalz. Sie spiele selbst als Laienschauspielerin und habe schon ein paar Mal bei einer Profitruppe mitwirken können, sagte Elfi Bergmann. Daher wisse sie, wie sehr es auf den Punkt ankomme. Und sie fanden es toll, einmal diese Schauspieler live zu sehen – vor allem Norbert Heckner, der in der TV-Serie „Bulle von Tölz“ den Pathologen spielte. „Das ist eine unserer Lieblingsserien“, so Rolf Bergmann. Sie seien zwar schon öfter Gäste auf der Reichenau gewesen, aber zum ersten Mal im Theaterglashaus. „Die Atmosphäre ist schon sehr ungewöhnlich“, meinte Rolf Bergmann.

Die Rahmenhandlung

Eingebettet sind die drei Einakter in eine komisch-kuriose Rahmenhandlung. Ein Theaterdirektor (Adams) beklagt sich beim Kritiker (Haag), dass dieser ein Stück verrissen hat, das er selbst empfohlen und sogar unter Pseudonym geschrieben hatte. Ein unbekannter Autor (Heckner) platzt herein und führt dann seine Einakter vor. Und danach befindet der Kritiker: „Gelacht, gepackt, gerührt“. Der Autor zeige Herz und Geist. „Es hat mir gefallen, aber ob es dem Publikum gefallen hat…“, meint der Kritiker. Auf jeden Fall hat es dem Publikum bei dieser Premiere gefallen. Einziger Wermutstropfen: Wegen Corona können pro Aufführung nur jeweils 50 Besucher dabei sein. Diese Inszenierung hätte weit mehr Zuschauer verdient.