Geschlechterneutrale Sprache soll die Gräben zwischen den Geschlechtern überwinden. Das hat viele Fragen zur Folge: Bildet Sprache die Realität ab oder schafft sie eine eigene Wirklichkeit? Kann Sprache allein für mehr Gleichberechtigung sorgen? Wie begegnet man solchen Fragen in der Politik? Einen Eindruck davon vermittelt ein Antrag der CDU-Ortsgruppe aus Rielasingen-Worblingen. Dort kam es Anfang November, als man Volkmar Brielmann zum neuen Vorsitzenden wählte, auch zur Abstimmung über einen Antrag über ein Verbot des Genderns in Behörden und Bildungseinrichtungen. Das Anliegen traf auf offene Ohren. Aber warum ist das so und welche Rolle spielen Frauen in der Politik?
Verschärft Gendern die Trennung der Geschlechter?
„Es geht nicht darum, die Gleichstellung zu behindern. Es geht darum, die Sprache nicht weiter zu vermurksen. Auch in der Bevölkerung macht man sich darüber lustig“, erklärt der neue Ortspartei-Vorsitzende Brielmann seine Zustimmung zum Antrag im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Und da sich der Antrag gezielt auf Bildungseinrichtungen bezieht, ergänzt Brielmann: „In der Schule ist es auch so schon schwer genug“.

Was er fürchtet, ist die geschlechterneutrale Sprache abseits von Binnen-I und Sternchen. Eine, wie er meint, nicht allgemeingültige und damit nicht mehr unterrichtsfähige Sprache, die mit ihrem wachsenden und wechselndem Vokabular neue Hürden schaffe.
Wie sieht in Bezug auf Gleichberechtigung der Frauenanteil im Ortverband aus? Frauen seien „sehr unterbesetzt“, sagt Roswitha Duffner. Sie ist eine der wenigen weiblichen Mitglieder im Ortsverband. Dennoch hat sie für das Gender-Verbot in Behörden und Bildungseinrichtungen gestimmt: „Im Grundgesetz stehen Männer und Frauen als gleichgestellt. Aber davon sind wir weit entfernt. Ich denke, durch das Gendern verschärft sich das nur weiter.“
Ob die CDU die richtige Partei ist, um etwas dagegen zu unternehmen, kommentiert Duffner damit: „Wenn ich Sport machen will, gehe ich in einen Verein und lehne ihn nicht ab, nur weil ich jemanden dort nicht mag.“ Denn letztlich würde man sich dann auch um die positiven Auswirkungen bringen, so Duffner weiter. Nach der Zustimmung im Ortsverein soll der Antrag nun dem Kreisverband vorgelegt werden.
„Wir haben ein Frauenproblem“
Maxima Estrada aus Gottmadingen ist Beisitzerin des Kreisvorstandes der CDU Konstanz, außerdem Mitglied der Jungen Union. Sie ist 19 Jahre alt und macht gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Krankenhaus in Berlin, um sich auf ein Medizinstudium vorzubereiten. Angela Merkel als Vorbild führte sie zur CDU, erzählt sie beim Telefonat mit dem SÜDKURIER. Das grundsätzliche Problem am Gendern liege in der Aufklärung darüber, findet sie. Man bilde sich schnell eine Meinung, wisse aber gar nicht recht, worüber. Und mit Verboten spalte man sowieso nur. Deshalb würde sie dem Antrag auch nicht zustimmen.

Klar ist für sie, dass niemandem daraus ein Nachteil entstehen sollte, ob er gendert oder nicht. Was sie aber begrüßt, ist der Antrag selbst, denn nun entstehe eine Diskussion. Darüber könne man herausfinden, was eigentlich das Problem sein könnte.
Als der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz auf dem Bundesparteitag der CDU im September die Frauenquote verkündete, freute sich Estrada, wie sie erzählt. Auf dem Parteitag hatte eine große Mehrheit dafür gestimmt, ab diesem Jahr ab Kreisebene ein Drittel der Ämter an Frauen vergeben zu werden. Ab 2024 sind 40 Prozent das Ziel und ab Mitte 2025 dann 50 Prozent. „Natürlich haben wir ein Frauenproblem“, sagt sie und betont: „Die Gleichstellung ist nichts, worüber man sich lustig macht.“
Man brauche aber auch Frauen, um die Frauenquote umzusetzen, sagt sie weiter. Gerade Familie und Parteiarbeit seien schwer vereinbar wegen der späten Sitzungszeiten. Außerdem hätten viele Männer ein starkes Netzwerk, das Frauen oft fehle.

„Es geht um mehr als den Genderstern“
Vorsitzender des Kreisverbandes der CDU ist Fabio Crivellari. Die Frauenquote sei eine Herausforderung für die Verbände, sagt er dem SÜDKURIER. „Nach so vielen Jahren der Freiwilligkeitsversuche, mussten wir erkennen, dass die nicht ausreichen. Es brauchte ein starkes Signal, dass Frauen fixe Chancen eingeräumt werden, Parteiämter zu bekleiden“, so der Politiker.
Um der Diskussion zum Genderverbot offen gegenüberzustehen, wolle er sich noch nicht positionieren, gibt aber an: „Es geht um mehr als um den Genderstern. Hätten wir den Eindruck, mit dieser Form der Sprache wäre Frauen oder Transpersonen in ihrer Situation geholfen, dann wäre über eine genderneutrale Sprache sicher nachzudenken. Aber die Problemfelder haben wenig mit der Sprache zu tun, sondern in erster Linie mit Zugängen, Gleichberechtigung und Vorurteilen.“ Politisch wäre es wichtiger, daran etwas zu ändern, so Crivellari.
Politiker vermisst Bezug zum Alltag
Auf gesellschaftlicher Ebene beobachtet Crivellari in Bezug auf geschlechterneutrale Sprache eine hochintellektuelle Diskussion mit wenig Bezug zum Alltag. Sprachliche Inklusion fände daher auch nur in diesen Sphären statt. Es brauche vielmehr Aufmerksamkeit für Ungleichheiten im Beruf und in sozialen Zusammenhängen.
„Worum geht es eigentlich?“, scheinen alle Beteiligten zu fragen. In der Folge soll nun auf Sachebene der Kern herausgeschält werden. Bis der Antrag im Kreisparteitag verhandelt wird, geht noch einige Zeit ins Land: Erst im März wird dort abgestimmt werden. Doch zuvor müsste der Antragsteller dafür sein Anliegen noch einmal schriftlich vorlegen, so Crivellari. Bis dahin bleiben die vielen Fragen wohl bestehen.