Seit 28 Jahren kassiert ein Mann Urteile wegen Diebstahls, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Betrugs. Jetzt steht er vor dem Landgericht Konstanz und wieder geht es um Diebstahl, Fahren ohne Führerschein, Kennzeichenbetrug, Urkundenfälschung und versuchten Computerbetrug sowie noch nicht abgesessene und bezahlte Strafen. Mit ihrem Urteil will die Strafkammer dafür sorgen, dass das Treiben des 42-Jährigen ein Ende findet: Der Mann mit 35 Vorstrafen muss ein Jahr und sechs Monate in Haft.
Die Freundin weint, als sie das Urteil hört. Der Angeklagte protestiert. Er habe sich dem Gericht nicht entziehen wollen. Doch Tatsache ist: Der Angeklagte war am 13. Februar nicht zur Hauptverhandlung erschienen. Auf Nachforschungen gelang es seiner Mutter wohl, ihn telefonisch zu erreichen. Sie habe aber seinen Aufenthaltsort nicht sagen wollen, berichtet Joachim Dospil. Der Angeklagte hielt sich mutmaßlich bei seiner Freundin in Schaffhausen auf. Eine Streife des Zollamts Singen nimmt ihn am 31. März fest.
Warum er beim ersten Mal nicht vor Gericht erschienen ist? Er will genau das Handy verloren haben, auf dem sich ein Attest befand, welches sein Wegbleiben erkläre. Das Gericht hatte seine nachträgliche Entschuldigung nicht anerkannt.
Auch nach dem Urteil fürchtet die Strafkammer, dass der Mann sich entziehen könnte: Bis zur Vollstreckung kommt der 42-Jährige nicht auf freien Fuß, denn die Strafkammer sieht Fluchtgefahr.
Viele Anklagepunkte, keine gute Prognose
Von den vielen Anklagepunkten wird einer fallengelassen: der Vorwurf der Beteiligung an einem Einbruch in eine Tierarztpraxis in Singen. Der Angeklagte will den Täter mitten in der Nacht gefahren haben, ohne zu wissen, was dieser vorhatte. Während der Tat habe er nichtsahnend im Auto gesessen und gewartet, sagt der 42-Jährige. Das Gericht stellte diesen Tatvorwurf ein und die Staatsanwaltschaft stimmte dem zu, um mit dem Prozess voranzukommen.
Zu den anderen Taten sagt der Vorsitzende Richter Joachim Dospil bei der Verkündung des Urteils: Es bleibe nur das schärfste Mittel, dem Mann die Freiheit zu entziehen. Denn das Paket mit den einschlägigen Vorstrafen sei so groß, dass nichts anderes in Frage komme. Der früher schwer Kokain-Abhängige fahre zum Beispiel hartnäckig ohne Führerschein, egal welche Strafe ausgesprochen wurde.
Die Sozialprognose für den Mann ohne Arbeit sei so schlecht, dass eine Bewährung nicht mehr infrage komme. Dospil rät dem Angeklagten, den Aufenthalt in der Haft zu nutzen und eine Drogentherapie zu beginnen. Aktuell lebt der 42-Jährige mit Ersatzstoffen. Und der Vorsitzende Richter gibt ihm noch einen Rat auf den Weg: Wenn er so gern Auto fahre, dann solle er doch den Führerschein machen, wenn er wieder in Freiheit sei.
Staatsgewalt moniert Ignoranz des Beklagten
Staatsanwalt Karol Thalheimer argumentiert ähnlich. Er stellt eine gewisse Beharrlichkeit, Ignoranz und Gleichgültigkeit beim Angeklagten fest, der sich permanent über das Gesetz hinweg setze. Sein Geständnis schlage positiv zu Buche, allerdings gebe es auch Videoaufnahmen und Zeugen, also vielfältige Beweise. „Es wäre nicht sinnvoll gewesen, die Taten zu bestreiten.“
Auch er sieht keinerlei positive Sozialprognose: Der Angeklagte habe keine Arbeit, keine Ausbildung, seine Suchtproblematik sei nicht behandelt, er habe keinerlei Überblick über seine Ausstände, und seine Freundin gebe ihm nicht so viel Halt, dass sie ihn von Straftaten abhalten könne. Auch er sieht Fluchtgefahr.
Verteidigerin plädiert für nochmalige Chance
„Wo soll er denn hin?“, fragt dagegen Verteidigerin Kristina Müller. Sie plädiert dafür, dem 42-Jährigen mit einer Bewährungsstrafe nochmals eine Chance zu geben und seine Sucht zu berücksichtigen. Auch die Verteidigerin sagt: „Die Vorstrafen sprechen gegen ihn.“ Es sei ihm aber abzunehmen, dass er die Taten bereut. Der Angeklagte hatte bekannt, er wolle künftig straffrei leben: „Ich will gar nichts mehr machen.“
Zuletzt habe der Angeklagte laut Anklage einen Mähroboter nur stehlen wollen, um ihn wieder zu verkaufen, und so Geld für Drogen zu bekommen. An einer Selbstbedienungskasse in Singen hatte er das Etikett eines 950 Euro teuren Geräts gegen das einer Ware von knapp 10 Euro ausgetauscht. Der Betrug flog noch vor Ort auf, es sei also beim Versuch geblieben, sagt die Anwältin. Letztlich sei ja niemand zu Schaden gekommen.
Dem Mann sei auch zugutezuhalten, dass er vor Gericht gesagt habe, wo ein anderes Diebesgut zu finden sei: Er hatte in Villingen einen elektrischen, über 2000 Euro teuren Kinderwagen gestohlen. Bei einer Hausdurchsuchung war dieser nicht entdeckt worden.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auch gegen die Untersuchungshaft kann der Mann Beschwerde einlegen.