Die Würfel sind gefallen. Die Singener haben sich am Sonntag im Bürgerentscheid mit klarer Mehrheit für den Bau eines großen Einkaufszentrums mit 16 000 Quadratmetern Verkaufsfläche am Bahnhofsplatz entschieden. Schon im Herbst 2018 könnte das ECE-Center mit rund 80 Läden eröffnet werden, sofern sich die Stadt mit dem Investor jetzt zügig über den Grundstückspreis für das alte Zollareal einig wird. Hier hatte Oberbürgermeister Bernd Häusler in einer SÜDKURIER-Podiumsdiskussion die klare Vorstellung geäußert, dass die Stadt von den Investoren der Otto-Gruppe einen zweistelligen Millionenbetrag erwartet.
Für die Befürworter und die Gegner der Shopping-Mall gehen mit der Entscheidung harte Wahlkampfwochen zu Ende. Kaum anders lassen sich die zahlreichen Kampagnen der vergangenen Monate bezeichnen. Die Meinungsverschiedenheiten haben manchen Graben in der Gesellschaft aufgerissen. Jetzt stellt sich die Frage, wie die Menschen damit umgehen. Am Tag nach der Entscheidung versucht der SÜDKURIER ein Stimmungsbild zu zeichnen.
Reiner Wöhrstein, Sprecher bei der Bürgerinitiative 'Lebendiges Singen' erklärt: "Singen hat "ja" zum Neustart in die Zukunft gesagt, mit Quorum! Das Engagement der Bürgerinitiative "Lebendiges Singen" war überzeugend. Ich hoffe, dass jene Händlerkollegen, die noch nicht überzeugt waren, nun die Chancen nutzen, die das Center bieten wird. Mit dem Ergebnis und gemeinsam wird Singen eine Aufbruchstimmung erleben."
Gerd Springe vom Standortmarketingverein Singen aktiv sagt: „Für uns beginnt die Arbeit jetzt.“ Bis zuletzt haben sich die Verantwortlichen des Handelsmotors der Stadt bedeckt gehalten, wie sie zu dem geplanten ECE-Center stehen, und auch nach der Entscheidung bleibt das Votum aus. Stattdessen blicken Springe und die Geschäftsführerin Claudia Kessler-Franzen strategisch nach vorn. „Wir haben eine eindeutige und klare Entscheidung“, so Springe. Nun gehe es darum, die Zusammenarbeit mit dem neuen Handelspartner auszurichten, und die Innenstadt auch in den ECE-fernen Bereichen attraktiver zu machen. „Es gilt, unseren Entwicklungsplan 2020 zügig und noch schneller umzusetzen“, so Springe.
Thomas Przybylski, Geschäftsführer von Karstadt Singen, wollte als Gegner des Centers keinen Kommentar zum Ausgang des Bürgerentscheids abgeben. Er habe dem Investor aber ebenso wie Regina Henke von der Intitiative "Für Singen" gratuliert. "Das gehört sich so", sagt Przybylski, der sich jetzt wie alle Singener Händler zunächst einmal auf die neue Situation einstellen muss. Die Sprecherin der ECE-Gegner, Regina Henke, hatte gleich nach der Auszählung der Stimmen auch an die Verantwortung von Stadt und Gemeinderat erinnert und angekündigt, dass die Bürgerinitiative die Versprechungen zur Stärkung der Reststadt einfordern werde.
Michael Burzinski, Sprecher der Werbegemeinschaft Cityring, hat am Tag nach dem Entscheid gleich mit dem Vorstand zusammengesessen, um an einer Strategie für die Zukunft zu feilen: "Wir dürfen unser Engagement keinesfalls zurückfahren, sondern müssen zusammenhalten und schauen, was wir aus der Situation machen." Sich in den Schmollwinkel zurückzuziehen, bringe gar nichts. Im Cityring sind sowohl Befürworter als auch Gegner des ECE-Centers vertreten.
Christoph Greuter, Buchhändler, Mitglied des Cityrings und Center-Kritiker, sieht die Daueraufgabe, Kunden für den bestehenden Handel zu begeistern, durch den Bau des ECE-Centers noch anspruchsvoller werden. "Wir müssen gemeinsam eine Marketingstrategie entwickeln, durch die wir von den Kunden wahrgenommen werden. Es ist noch mehr Solidarität, Einigkeit und Einsatz gefordert."
Andreas Renner, früherer OB von Singen, sagt: "Das Ergebnis ist eindeutig und die Bürger haben den Entscheid ernst genommen. Das zeigt die hohe Beteiligung. Das Ergebnis zeigt aber auch, wie feinfühlig der Gemeinderat mit seiner eindeutigen Entscheidung das Meinungsbild der Singener getroffen hat."
Elisabeth Paul freut sich auf das, was kommt und hofft, dass das ECE-Center eine Bereicherung für die Stadt sein wird. Ihr ist es aber wichtig, dass Kritiker des Centers nun auch ins Boot geholt werden. "Die Bürgerinitiative 'für Singen' hat der Entscheidungsfindung in jedem Fall gut getan", sagt sie.
Auch in den sozialen Medien wird über den Ausgang des Bürgerentscheids diskutiert. Gerne zitieren wir hier noch einige Stimmen.
Susanne Sargk schreibt: "Endlich hat die lähmende Hängepartie um das ECE-Center und rund um den Bahnhof ein Ende. Bitte die Planung des Bahnhofsvorplatzes noch mal genau unter die Lupe nehmen, denn der bislang vorgelegte Entwurf ist aus meiner Sicht noch nicht ausgereift."
Andreas Heinzl fürchtet: "Singen geht Kaputt! Die kleinen Geschäfte können zumachen. Schaut mal nach, wie viele ECE in Deutschland gebaut wurden und jetzt leer stehen."
Klaus Hügle zieht diese Aussage in Frage und fordert zur Recherche über ECE-Center auf. Auch Ulrike Gruber antwortet direkt auf die Befürchtungen von Andreas Heinzl: "Das dürfte ein Irrtum sein, denn die Center von ECE werden professionell geführt und auch gemanagt, deswegen kann ich es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Center leer stehen, und schon gar nicht, wenn man so einen guten Standort wie Singen gewählt hat. Hier kann man auch mit Schweizer Kunden rechnen sowie mit dem gesamten Umland. ECE hat sich alles gut überlegt und weiß ganz genau, warum sie den Standort in Singen bevorzugen. Also, bitte nicht immer negativ denken, sondern positiv in die Zukunft schauen."
Nazario Valentino Scirtuicchio hat für sich festgestellt: "Singen ist tot. Durch das ECE Center herrscht wieder Leben in der Stadt."Domenica Redavid schreibt: "Endlich brauchen wir nicht mehr extra in Großstädten fahren, um mal richtig shoppen zu gehen. Ich hoffe jetzt machen das die anderen so bei uns!"
Bürgerentscheid in Kürze
Es war ein kluger Schachzug von Oberbürgermeister Bernd Häusler und Gemeinderat, gleich nach der Ratsentscheidung für den Bau des ECE-Einkaufszentrums (26:3), den Bügern mit Hilfe eines Bürgerentscheids das letzte Wort zu geben. Mit einer Wahlbeteiligung von 36,8 Prozent machten sie regen Gebrauch von ihrem Mitbestimmungsrecht. 21,6 Prozent stimmten für, 15,2 Prozent gegen das ECE. (gtr)