Die Zahl sagt einiges über den Bedarf aus: Im November 2016 nahmen die Mitarbeiter des Palliativzentrums ihre Arbeit auf und in den seither vergangenen rund anderthalb Jahren wurden mehr als 280 Palliativpatienten im Landkreis Konstanz betreut. Es handelt sich um Menschen, die über das neue Hospiz- und Palliativzentrum in Singen die Chance hatten, die letzte Phase ihres Lebens in häuslich-familiärer Umgebung zu verbringen und dabei im Rahmen einer ganzheitlichen Begleitung mit schmerzlindernden Mitteln versorgt zu werden.

Wolfgang Heintschel in seiner Funktion als Geschäftsführer des Zentrums lag im Rahmen der ersten Bilanz über die Tätigkeiten der Palliativbetreuung die gesamtgesellschaftliche Bedeutung am Herzen. "Die Gesellschaft leistet sich hier etwas Außerordentliches", sagte er vor dem Hintergrund, dass die Begleitung von Menschen in den zumeist nur noch Wochen oder Tage währenden Lebens der AOK als Partnerin aufseiten der Krankenkasse rund eine halbe Million Euro im Jahr wert ist.

Und das Geld muss dabei nicht erkämpft werden: Uwe Daltoe als stellvertretender Geschäftsführer der AOK Hochrhein-Bodensee steht voll und ganz hinter der seit Ende 2015 bestehenden gesetzlichen Regelung, die einen Rechtsanspruch auf ambulante und stationäre Versorgung während der letzten Lebensphase festlegt. "Es geht um ein würdevolles Leben", so seine Überzeugung, "und die Menschen haben da Besseres verdient als ein Dahinvegetieren." Die Besonderheit des Angebots allerdings hängt für den bei der AOK speziell für die ambulante Palliativversorgung zuständigen Alexander Akamhuber unmittelbar von der Bereitschaft zur Übernahme der Aufgaben ab. Neben dem Dank für die Helfer und ihren Rund-um-die-Uhr-Bereitschaftsdienst hob er die interdisziplinäre Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Palliativversorgung hervor.

Basis bleibt dabei das Einverständnis des Patienten sowie ein familiäres Umfeld, das die Begleitung der letzten Lebensphase in vertrauter Umgebung mitträgt. Bei Sarah Söll, die ihren im Januar an einer schweren Krankheit im Alter von 37 Jahren verstorbenen Mann begleitete, war das der Fall. Ihren Schilderungen war zu entnehmen, dass die Herausforderungen an die Grenzen der Belastbarkeit gehen und ohne die Hilfe der Palliativhelferinnen nicht zu meistern gewesen wären. Deren Einsatz wird von Iris Eggensberger und Eveline Fendrich koordiniert, insgesamt besteht das mit 4,5 Stellen ausgestattete Palliativzentrum über sieben speziell ausgebildete Pflegefachkräfte.

Jeder zehnte Patient wünscht sich Palliativhilfe am Ende des Lebens

  1. Das Hospiz- und Palliativzentrum in Singen ist für den gesamten Kreis Konstanz zuständig. Es befindet sich in der Villa Wetzstein in der Hegau­straße 31 und wurde bewusst in der Innenstadt angesiedelt, in unmittelbarer Nachbarschaft wird zurzeit das Hospiz-Gebäude erstellt. Vertragspartner sind die gesetzlichen Krankenkassen unter der Federführung der AOK. Der Kreis gilt bei der Versorgungsstruktur als relativ entwickelt.
  2. Die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (kurz: SAPV) ermöglicht es Menschen mit einer weit fortgeschrittenen, unheilbaren Erkrankung mit begrenzter Lebenszeit, durch leidenslindernde medizinische und pflegerische Behandlung in der vertrauten häuslichen Umgebung begleitet zu werden. Mit integriert im SAPV sind auch seelsorgerische Dienste sowie die Hilfen durch speziell qualifizierte Mediziner.
  3. Für die Patienten sind die Leistungen der SAPV kostenfrei. Voraussetzuung ist die entsprechende medizinische Indikation. Nach Angaben des Hospiz- und Palliativzentrums entwickeln etwa zehn Prozent der Menschen in ihrer letzten Lebensphase einen besonderen Versorgungsbedarf, der durch die palliativ definierten Leistungen – stationär im Hospiz oder in der ambulanten Versorgung durch "Palliativ daheim" – erfüllt werden kann. (tol)