Es stimmt: Bis zu den Kommunalwahlen am 26. Mai nächsten Jahres ist noch eine Weile hin, und doch drängt die Zeit. Wer mitmachen will, sollte sich jetzt um einen Platz auf eine der Wahllisten bemühen – vor allem aus zwei Gründen. Erstens müssen die Listen rund drei Monate vor der Wahl eingereicht werden, zweitens braucht’s für den Erfolg eines gewissen Bekanntheitsgrades. Denn obwohl bei den Kommunalwahlen die Parteizugehörigkeit durchaus eine Rolle spielen kann, gilt das persönliche Format der Kandidaten als wichtiger Faktor.

Das ist der Grund, warum es sich in Singen bei den bekannten Gruppierungen um offene Listen handelt. Das heißt: Man muss nicht einer Partei angehören, um als Kandidat auf die Liste der CDU, der SPD, der Grünen oder der FDP zu kommen. Selbstverständlich gilt dies auch für die Freien Wählern und die Neue Linie, deren Grundverständnis ohnehin stark auf ihrer parteilichen Unabhängigkeit beruht.

Ob es über diese sechs derzeit im Gemeinderat vertretenen Parteien weitere Gruppierungen geben wird, die sich um die 32 Sitze im Gemeinderat bewerben, steht derzeit noch nicht fest. Zwar ist auch die Linke im aktuellen Gemeinderat mit einem Mandat vertreten, der Amtsträger jedoch war während der gesamten Mandatszeit von fünf Jahren so gut wie nicht präsent. Im Gespräch ist allerdings eine Liste, die im Moment den Arbeitstitel SÖS trägt (als Kürzel für „Singen – Ökologisch und Sozial“). Ob sich daraus etwas ergibt, ist ebenso ungewiss wie eine prinzipiell vorstellbare Liste der AfD.

Die sechs aktiven Vertretungen im Gemeinderat sind zuversichtlich, dass sie genügend Kandidaten finden. Für Marion Czajor von der Neuen Linie liegt das daran, dass sich die mit vier Stadträten im Gemeinderat vertretene Fraktion bewährt hat. Vor 25 Jahren, als sich die Neue Linie als Abspaltung von der CDU gebildet hat, sei das nicht unbedingt garantiert gewesen. Dass die Neue Linie nun über einen Fundus potenzieller Kandidaten verfügt, liegt für Marion Czajor vor allem am „Bonus der freien Gruppe“. Man sei nicht belastet durch parteipolitische Zwänge oder die Politik in Stuttgart und Berlin, sondern konzentriere sich ausschließlich auf die kommunalen Themen. „Dadurch sind wir ganz nah dran an der Lebenswirklichkeit der Menschen in Singen“, sagt sie.

Auch die Freien Wähler verfügen über das Pfund der parteipolitischen Unabhängigkeit, doch laut Hubertus Both könnte die Kandidatensuche durchaus besser laufen. Seit einem Jahr frage man gezielt das Interesse von denkbaren Bewerbern ab, „aber in der örtlichen Geschäftswelt zum Beispiel winken viele einfach nur ab“. Der Fraktionssprecher der vier FW-Stadträte hat dafür nur bedingt Verständnis, denn obwohl das Amt mit einem einigem Zeitaufwand verbunden ist, sieht er angesichts demokratiefeindlicher Tendenzen die Gefahr, dass „wir hierzulande mal wieder nicht den Anfängen wehren“.

Ganz gut dagegen sieht’s nach Angaben von Kirsten Brößke bei der FDP aus, die im Singener Gemeinderat mit drei Stadträten vertreten ist. Zwar rennt man bei den Liberalen nicht gerade die Türen ein, doch bei den gezielten Ansprachen gebe es doch klare Hinweise dafür, dass eine stattliche Liste von Bewerbern zustande kommen werde. Bei der Suche nach geeigneten Bewerbern hat Kirsten Brößke übrigens ein sehr gutes Argument fürs Mitmachen: Sie selbst sei als Zugezogene letztlich erst durch die Kommunalpolitik in Singen wirklich heimisch geworden.

Bild 1: In Singen beginnt die Kommunalwahl schon jetzt mit der Kandidatensuche
Bild: Tesche, Sabine

Die Integrationskraft der Kommunalpolitik hebt auch Veronika Netzhammer hervor. „Kommunalpolitik fängt an, wenn man aus der Haustür geht“, sagt die CDU-Fraktionssprecherin. Die mit zehn Stadträten stärkste Gruppierung im Singener Gemeinderat hat keine Probleme bei der Kandidatensuche, was auch daran liege, dass damit nicht erst in der Phase vor einer Wahl begonnen werde. Und bei der Ansprache, ob jemand Interesse an der kommunalpolitischen Mitarbeit habe, spiele es keine Rolle, ob der Betreffende Parteimitglied sei. „Das war bei uns immer schon so“, hebt Veronika Netzhammer hervor.

Bei den Grünen spielen die Parteistatuten zwar auch keine entscheidende Rolle für einen Listenplatz, doch laut Fraktionssprecher Eberhard Röhm gelten sie doch als Richtschnur. So will man den Wählern beispielsweise eine nach Geschlechtern ausgewogene Liste präsentieren. Die derzeit drei Grünen-Stadträte stellen übrigens Rückenwind durch die großpolitische Lage fest. Früher sei man bei der Kandidatensuche immer mal wieder auf Skepsis gestoßen, heute gelten die Grünen als salonfähig. Eberhard Röhm ist deswegen zuversichtlich, dass sich genügend Bewerber finden lassen.

Ebenfalls guter Dinge für die Kandidatensuche ist Regina Brütsch. Die SPD-Fraktionssprecherin der mit sieben Stadträten zweitstärksten Gruppierung im Singener Gemeinderat sieht allerdings ein anderes Problem, dass längst nicht nur auf die Kommunalpolitik, sondern auf viele gesellschaftliche Bereiche zutrifft. „Es sind immer wieder die gleichen Leute, die sich engagieren“, sagt sie – und weil auch dies stimmt, kann nicht früh genug auf die Kommunalwahl am 26. Mai hingewiesen werden.