Ehrenamtliches Engagement kennt kein Alter, was sich am Beispiel von Anita Selau und Christel Wößner sehr gut zeigt. Die beiden Damen sind 78 Jahre alt und noch topfit. Gemeinsam mit sechs weiteren Frauen organisieren sie regelmäßig das Sonntagscafé. Die Frauen laden Senioren und jeden, der Lust dazu hat, zum gemeinsamen Kaffee und Kuchen ein. Das Sonntagscafé befindet sich im Aufenthaltsraum des betreuten Wohnens des Deutschen Roten Kreuzes in der Singener Nordstadt, Feldbergstraße 42. Das Rote Kreuz stellt den acht Frauen die Räume kostenlos zur Verfügung, normalerweise wird der Raum vermietet.
Der erste Aufruf nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das Sonntagscafé wurde im Gemeindebrief im Dezember 1995 veröffentlicht. Das erste Treffen war am Nachmittag des 17. März 1996 – und an den Rahmenbedingungen hat sich in den folgenden über zwei Jahrzehnten kaum etwas geändert. "Als ich im Jahre 2000 in Rente ging, hat bei einem Fest in der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde der damalige Pfarrer Schulz für das Sonntagscafé geworben. Ich habe mich gemeldet, seitdem sind wir dabei", erinnert sich Anita Selau. Auch Christel Wößner ist inzwischen in Rente. Anita Selau war kaufmännische Angestellte, Christel Wößner Erzieherin.
Ein Angebot von Senioren für Senioren
"Wir wollen den alleinstehenden Senioren einen Ort der Begegnung bieten. Manche wollen einfach, dass man ihnen zuhört und dass sie sich unterhalten können", sagt Anita Selau. Gegründet wurde das Sonntagscafé von Senioren für Senioren, wobei eine Hauptaufgabe der acht Frauen in der Beschaffung von Kuchen für die von 14.30 bis 16.30 Uhr dauernden Treffen besteht. Christel Wößner betont: "Bevor die Leute ihre Mäntel ausziehen, schauen sie meist erst mal nach, was es für Kuchen gibt. Selbstgemachter Kuchen, das ist ganz wichtig. So etwas mögen die Leute einfach." Daher bringen jeweils zwei der Frauen einen selbst gebackenen Kuchen mit.
Gebacken werden jeweils zwei verschiedene Sorten, die vorher abgesprochen werden. Der Kuchen ist nicht umsonst, sondern kostet pro Stück 1,50 Euro. Dazu gibt es Kaffee, manchmal auch Torten. Das Geld kommt einem guten Zweck zugute und sobald 500 Euro zusammen sind, spenden die Frauen das gesammelte Geld für Projekte in der Gegend um Singen. Es gibt auch Ausnahmen, sagt Christel Wößner. So wurde das Spendengeld unter anderem schon dem Kinderhaus in Donaueschingen, der Telefonseelsorge oder dem Frauenhaus zur Verfügung gestellt. Die förderwürdigen Projekte wählen die Frauen selber aus. Unterstützt werden sie vom Pfarrer Paul Wassmer von der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde in Singen. Alle drei Monate treffen sich die Frauen mit dem Pfarrer und besprechen sich. Dabei geht es auch um das Spendengeld, wobei die Frauen das letzte Wort haben.
Als Nebeneffekt entstand ein Bilderbuch für Flüchtlingskinder
Ein schönes Erlebnis war für beide Helferinnen, als sie an der Herstellung eines Bilderbuchs für Flüchtlingskinder mitgewirkt haben. "Der Anreiz dazu kam von der Frankfurter Buchmesse. Dabei hat man ein Bilderbuch hergestellt mit dem Alphabet darin: A wie Auto, Ampel, Arzt – eben all die Dinge, die die Kinder wissen müssen." Das Bilderbuch wurde für sechs Grundschulen hergestellt und in der Druckerei der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde produziert. Eine Lehrerin gab den Frauen später die Rückmeldung, dass die Kinder so die deutsche Sprache leichter erlernen.
Was die beiden an ihrem Ehrenamt und am Sonntagscafé reizt? Die Begegnungen mit Menschen, deren Freude und dass etwas Gutes beim Spenden entstehe, sagt Christel Wößner. Natürlich backen die beiden auch gerne, anders würde es wohl auch nicht gehen. Wieviel Zeit sie für das Ehrenamt aufwenden, können die beiden nicht sagen. Sie müssen einkaufen gehen, Kuchen backen und überlegen, was mit dem Spendengeld passiert. Anita Selau sagt: "Wir sind Rentner, wir haben Zeit. Ich kann den Sonntag opfern, weil mein Mann auch Rentner ist."
Zur Ferienzeit, zum Beispiel im Sommer und an Weihnachten, findet das Sonntagscafé nicht statt. Der SÜDKURIER kündigt die Treffen des Sonntagscafés regelmäßig an.
Zur Serie
In loser Folge stellt der SÜDKURIER in der Reihe "Helfer vom Dienst" Menschen vor, die sich aus eigenem Antrieb für das Gemeinwohl einsetzen. Viele von ihnen gehen von sich aus auf Institutionen zu, die bereits entsprechende Angebote ausgearbeitet haben. In der Serie werden deshalb auch die Einrichtungen vorgestellt. (aba)