Elisa Gorontzy

Autos beherrschen die Straßen und die Innenstadt ist am besten zu Fuß zu durchqueren. Im Vergleich dazu hat man es als Radfahrer in Singen nicht einfach. Fridays-for-Future-Aktivisten der Singener Ortsgruppe kritisieren, dass sich die Situation für Radler sogar trotz der neuen Fahrradstraße zwischen Bruderhofstraße und Hegau-Gymnasium nicht unbedingt verbessert hat. 

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Um auf die Problemstellen im Radnetz aufmerksam zu machen, nehmen uns Benjamin Janke und Tabikan Runa mit auf eine Radtour. Start ist am Singener Bahnhof. Hier montierte die Stadt zuletzt neue Fahrradstellplätze.

Die modernen Fahrradstellplätze am Bahnhof sind kompliziert anzuwenden, finden die Aktivisten.
Die modernen Fahrradstellplätze am Bahnhof sind kompliziert anzuwenden, finden die Aktivisten. | Bild: Elisa Gorontzy

„Toll, aber die Bedienung ist einfach zu kompliziert“, findet Tabikan Runa. Benjamin Janke zeigt auf die Geländer seitlich der Bahngleise. Überall stehen dort Fahrräder – für den Aktivisten ein klares Zeichen von Stellplatzmangel.

Fehlt es immer noch an Stellplätzen? Zumindest stehen derzeit an den Geländern des Bahnhofs jede Menge Drahtesel.
Fehlt es immer noch an Stellplätzen? Zumindest stehen derzeit an den Geländern des Bahnhofs jede Menge Drahtesel. | Bild: Elisa Gorontzy

Kein Fahrradweg im Zentrum

Ab jetzt begleiten uns die genervten Blicke von Autofahrern. Der Grund: Zumindest zwischen 10 Uhr morgens und 19 Uhr abends ist Radfahrern untersagt, durch die Fußgängerzone zu kurven. Wenn wir zum Hegau-Gymnasium wollen, müssen wir wohl oder übel auf die Straße ausweichen.

Zeitlich begrenzt: Zwischen 10 und 19 Uhr dürfen in der Fußgängerzone keine Fahrräder unterwegs sein.
Zeitlich begrenzt: Zwischen 10 und 19 Uhr dürfen in der Fußgängerzone keine Fahrräder unterwegs sein. | Bild: Elisa Gorontzy

Wenn es schon keinen Fahrradweg durch die Innenstadt gibt, müsste dann nicht wenigstens einer außenrum führen? Benjamin Janke hat einen Lösungsvorschlag: „Von den zweispurigen Bundesstraßen – Freiheitstraße und Ekkehardstraße – könnte eine Spur weggenommen und zu einer Fahrradstraße gemacht werden. So würden Autofahrer uns Fahrradfahrer als Verkehrsteilnehmer eher respektieren.“ Ob das aber genehmigt wird, wagt er zu bezweifeln.

Das Kreuz mit der Fahrradstraße

Weiter geht es zum Hegau-Gymnasium. Dort angekommen, hagelt es erste Kritik zur neuen Fahrradstraße. „Die hört da auf, wo es am gefährlichsten wird“, sagt Benjamin Janke. Das werde schon im Kreuzungsbereich nahe des Hegau-Gymnasiums hin zur Schillerstraße deutlich. „Hier fehlt die Markierung“, betont Tabikan Runa. Erst danach tauchen wieder der typisch rote Fahrbahnbelag und die entsprechenden Warnschilder vor uns auf. „Schön, nur fahren hier nie viele Autos durch“, kommentiert Tabikan Runa.

Im Kreuzungsbereich nahe des Hegau-Gymnasiums fehlt die Markierung – ausgerechnet dort, wo es gefährlicher ist als in der ...
Im Kreuzungsbereich nahe des Hegau-Gymnasiums fehlt die Markierung – ausgerechnet dort, wo es gefährlicher ist als in der Schillerstraße selbst. | Bild: Elisa Gorontzy

Die Fahrradstraße führt auch am Don Bosco Kindergarten in der Uhlandstraße vorbei, ein Bereich, der sowieso nur zu Fuß oder mit dem Rad durchquert werden kann. Hier scheint es so, als würde weniger Gefahr von Autos ausgehen – eher von Radfahrern für spielende Kinder oder morgendliche Schulgänger.

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„Die Fahrradstraßen-Markierungen werden falsch oder an unnötigen Stellen eingesetzt“, fasst Benjamin Janke zusammen. Die beiden Aktivisten wünschen sich Schutzmarkierungen eher an querenden Straßen, an denen die Fahrradstraße kurz aufhört, wie zum Beispiel in den Kreuzungsbereichen an der Widerholdstraße, Uhlandstraße und Beethovenstraße.

Plötzlich endet die Fahrradstraße: Die Kreuzung Im Iben unterbricht den Fahrradweg. Hier gilt auf einmal rechts vor links.
Plötzlich endet die Fahrradstraße: Die Kreuzung Im Iben unterbricht den Fahrradweg. Hier gilt auf einmal rechts vor links. | Bild: Elisa Gorontzy

Der Hinweg unserer Fahrradtour endet in der Bruderhofstraße. „Ab hier werden wir Radfahrer eingeladen, auf der Straße weiter zu fahren“, erklärt Benjamin Janke. Sein Zwischenfazit: Radfahrer sind zu wenig in den Straßenverkehr integriert – überhaupt finden die Klimaschützer, dass Singen den Kommunenpreis für eine fahrradfreundliche Stadt bislang noch nicht verdient hat.

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Im Zweifel doch auf die Hauptstraße

Auf dem Rückweg, über Ampeln hinweg, halten die Jungs am Rathaus an. „Wenn wir die Straßen bis hierhin überqueren möchten, müssen wir absteigen und zu Fußgängern werden. Das ist eher umständlich“, schildert Tabikan Runa.

Anschließend machen die beiden Aktivisten auf die Radweg-Karte aufmerksam. Hier wird bildlich klar, dass die Innenstadt keinerlei Fahrradwege zu bieten hat und diejenigen, die außerhalb verlaufen, meistens nicht die schnellsten Routen zum Ziel darstellen. „Es ist bei den Fahrradwegen in Singen und Umgebung nie klar, ob es sich um Freizeitstrecken handelt oder nicht“, findet Benjamin Janke. „Wenn ich es eilig habe, fahre ich am Ende dann doch lieber auf der Hauptstraße.“

Zum Abschluss auch ein Lob

Das klingt alles sehr kritisch. Abschließend finden die Aktivisten dennoch auch lobende Worte: „Ich finde toll, dass die Stadt Singen überhaupt etwas macht, um fahrradfreundlicher zu werden – leider nicht immer an den passenden Stellen“, resümiert Tabikan Runa.

Über die Reparatursäulen freuen sich Tabikan Runa (links) und Benjamin Janke.
Über die Reparatursäulen freuen sich Tabikan Runa (links) und Benjamin Janke. | Bild: Elisa Gorontzy

„Gut ist auch, dass vereinzelt Reparatursäulen für Fahrräder stehen“, ergänzt Benjamin Janke. Für die Zukunft würden sich die Klimaschützer wünschen, dass durch ihre konstruktive Kritik und den Austausch mit der Stadt die Lage für Radfahrer stetig besser wird und immer mehr Menschen ihre Wege auf zwei Rädern bewältigen können – der Umwelt zuliebe.

So reagiert die Radverkehrsbeauftragte: Petra Jacobi bezieht Stellung

  • Zum Stellplatzmangel: „Aktuell werden Bügel in der Erzberger Straße und Hegaustraße sowie am Herz-Jesu-Platz und Heinrich-Weber-Platz montiert“, berichtet die Singener Fahrradbeauftragte Petra Jacobi. „Die Innenstadt verfügt jetzt schon über 400 Stellplätze.“ Um die Situation am Bahnhof zu verbessern, werde aber noch im Jahr 2020 eine Fahrradabstellanlage westlich des Bahnhofgebäudes errichtet. Sie soll circa 190 Stellplätze anbieten.
  • Zur Zeitbegrenzung: Zwischen 10 und 19 Uhr ist das Fahrradfahren in der Fußgängerzone untersagt. Dazu sagt Andrea Jacobi: „Die Fahrradfurt ist eingeschränkt, da die Sitzmöbel der Gastronomie für Radfahrer gefährlich werden könnten.“
  • Zum Thema neue Fahrradwege: Petra Jacobi sagt, dass ständig Radwege abschnittsweise erneuert werden. Im Jahr 2020 seien weitere Fahrradstraßen in Planung, wie beispielsweise in der Worblinger Straße. Nach der Fertigstellung des Einkaufszentrums sei es denkbar, die Hegaustraße entsprechend für Fahrräder zu öffnen.
  • Zu den Unterbrechungen der Fahrradstraße: „Wir haben die ganze Strecke nicht bevorrechtigen dürfen – es gab Sicherheitsbedenken von Seiten der Polizei. Im Bereich Im Iben ab Beethovenstraße bis Reichenaustraße stehen noch bauliche Maßnahmen an. Danach kann die Bevorrechtigung für Radfahrer weiter eingerichtet werden.“ Dennoch liege die Fahrradstraße in der Nordstadt optimal, mittig, und biete einen idealen Anschluss an die geplante Bebauung nördlich der Bruderhofstraße, sagt Petra Jacobi.
  • Zur Zukunft: Insgesamt sei in den vergangenen Jahren viel dafür getan worden, um Freude am Radfahren zu vermitteln, betont Petra Jacobi. Man wolle sich aber auch weiterhin für ein fahrradfreundliches Singen engagieren.