Frau Jacobi, Sie sind jetzt seit knapp 2 Jahren die Radverkehrsbeauftragte in Singen. Was ist in dieser Zeit auf den Weg gebracht worden?
Singen hat mich positiv überrascht. Schöne touristische Radwege wie der Heidelberg-Schwarzwald-Bodensee-Weg wie auch der Flusserlebnispfad Hegauer Aach führen durch die Stadt. Landesradwege kreuzen sich mit einem großflächigen Alltagsradnetz. 2012 wurde für die Verbesserung des Alltagradnetzes von dem bundesweit renommierten Institut PGV aus Hannover ein Radverkehrskonzept zur Optimierung des Radverkehrs im Stadtgebiet mit kleineren und größeren Maßnahmen erstellt. Aus diesem Maßnahmenpaket haben wir in den letzten zwei Jahren hauptsächlich Beschilderungs- und Markierungsmaßnahmen umgesetzt. Weiter wurde im ganzen Stadtgebiet im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht Belagssanierungen und Risseverfugung durchgeführt. Der Radverkehr wird über zwei Jahre durch ein großes Förderpaket der RadKultur, einer Initiative des Verkehrsministeriums von Baden-Württemberg, besonders beworben. 2018 wurde zu den Veranstaltungen wie dem Stadtfest Radchecks, Radstar-Wettbewerbe und Visual-Bike-Tours angeboten. Ebenso wurden zehn neue Radservice-Stationen finanziell gefördert, die in der Kernstadt und in jedem Stadtteil von Singen für den Radfahrer zur Verfügung stehen.
Die Stadt Singen ist seit 2010 Mitglied der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen. Was bringt die Mitgliedschaft der Stadt?
Der Ausschuss für Stadtplanung und Bauen entschied im November 2009 einstimmig, den Radverkehr grundsätzlich zu fördern. Seit November 2010 ist Singen Mitglied fahrradfreundlicher Kommunen Baden-Württemberg (AGFK-BW). Zu den Aufnahmekriterien zählt vor allem die Zielsetzung, Singen zur fahrradfreundlichen Stadt zu entwickeln. Die Öffentlichkeitsarbeit für den Radverkehr mit verschiedenen Kampagnen steht hier im Vordergrund. Letztes Jahr warben wir für den Schulterblick mit Duftherzen-Aktion, zum Nikolaus gab es Leuchtwesten und Lichtgutscheine. In diesem Jahr belohnen wir mit Brötchentüten den Pendler auf dem Rad.
Etwa gleich lange besteht der städtische Arbeitskreis Rad- und Fußverkehr? Wer ist da drin, wie oft tagt er und was kann dieser bewirken?
Im Arbeitskreis sind neben dem Fachbereichsleiter und Alltagsradler Torsten Kalb und mir als Radverkehrsbeauftrage auch Vertreter der Verkehrspolizei und der Straßenverkehrsbehörde, Fachleute aus den Abteilungen Straßenbau, Umwelt und Klimaschutz, Sicherheit und Ordnung sowie der Stadtplanung, Vertreter der Gemeinderatsfraktionen und der ADFC-Ortsgruppe. Das Gremium tagt zwei Mal im Jahr. Im Arbeitskreis werden Maßnahmenpakete aus dem Radverkehrskonzept besprochen und als Empfehlung in den Gemeinderat eingereicht. Über die Maßnahmenpakete wird dann ein Beschluss vom zuständigen Ausschuss oder dem Gemeinderat gefasst.

Aus dem Radverkehrskonzept von 2012, in dem 176 Maßnahmen aufgelistet sind, wurden bisher etwa zu einem Drittel umgesetzt. Was hat derzeit die höchste Priorität?
Die Einrichtung der Fahrradstraßen Im Iben und Schillerstraße. Wenn diese erfolgreich ausgeführt sind, werden weitere im Stadtgebiet folgen.
Beim kürzlich veröffentlichten ADFC-Fahrradklimatest liegt Singen auf Platz 196 von 311 teilnehmenden Städten in der Kategorie 20- bis 50.000 Einwohner. Angesprochen werden bei der Umfrage auch Schulwegpläne. Gibt es sowas in Singen?
Schulwegepläne sind für Schulen vorhanden und können bei den Schulen direkt eingesehen werden. Jede Schule hat einen Verkehrsbeauftragten, der per Erlass vom Ministerium für Inneres, Digitalisierung, Migration für den sicheren Schulweg zuständig ist. Radschulwegepläne für alle weiterführenden Schulen in Singen sind in der Planung. Das Hegau-Gymnasium hat in Zusammenarbeit mit Eltern, Schulleitung und der Stadt einen sehr guten Radschulwegeplan ausgearbeitet. In dieser Form werden wir ab dem nächsten Schuljahr weitermachen.
Die Ampelschaltungen für Radfahrer werden eher schlecht bewertet. Kann die Stadt da überhaupt was ändern?
Für die großen Ampelanlagen an den Kreuzungen der Bundes- und Landesstraßen ist die Straßenbauverwaltung des Landes zuständig. Umprogrammieren der Schalt-Phasen ist leider extrem aufwendig und mit exorbitanten Kosten verbunden. In Zukunft plant Singen einen eigenen Verkehrsrechner zu kaufen. Abhängig vom tatsächlichen Verkehrsaufkommen wird die Ampelschaltung optimiert werden.
Die Öffnung von Einbahnstraße oder das Fahren in der Fußgängerzone für Radfahrer wird positiv bewertet. Gibt es zu diesen Punkten weitere Planungen?
Im Stadtgebiet werden aktuell alle Einbahnstraßen im Gegenverkehr für den Radfahrer freigegeben. In der Hauptfußgängerzone August-Ruf-Straße ist das Befahren wochentags nur im Zeitraum 19.00 Uhr bis 10.00 Uhr freigegeben, wobei der Radverkehr den Fußgänger auf keinen Fall gefährden und daher nur in Schritttempo fahren darf. Im Gegensatz zur Scheffelstraße, die ganztätig für Radfahrer frei, ist in der August-Ruf-Straße mehr Fußgängeraufkommen. Der Hauptstrom befindet sich mittig der Straße, Bestuhlung, Kunstwerke oder Brunnenanlagen engen zusätzlich den Straßenquerschnitt ein. Eine eigene Fahrradspur Heinrich-Weber-Platz bis zum Bahnhof ist deshalb nicht geplant.
Welche Aufgaben haben Sie sonst noch bei der Stadt Singen?
Aktuell bin ich mit einigen Baustellen befasst, zum Beispiel der Umgestaltung des Kreuzplatzes/ östliche Brunnenstraße in Überlingen, dem Radwegeausbau an der Roseneggstraße am Waldfriedhof, den Radwegeausbau mit Beleuchtung an der Randenbahnstraße, die Umgestaltung der Kreuzung Güterstraße/Pfaffenhäule für mehr Radfahrersicherheit sowie dem Einrichten der Fahrradstraßen "Im Iben" und "Schillerstraße", wo vorab eine Oberflächensanierung erfolgt und später die Markierungsarbeiten.
Fragen: Susanne Gehrmann-Röhm
Zur Person
Petra Jacobi ist Bauingenieurin und arbeitet seit Juli 2017 bei der Stadt als Radverkehrsbeauftragte. Für die Verbesserung des Radverkehrs stehen etwa 150 000 Euro pro Jahr im Haushalt zur Verfügung. Privat erledigt Petra Jacobi die sieben Kilometer lange Strecke von ihrem Wohnort zur Arbeit fast immer mit dem Rad. Um weitere Verwaltungsmitarbeiter zu sensibilisieren, aufs Rad umzusteigen, hat man kürzlich zehn neue Dienstpedelecs angeschafft.
Mehr Info im Internet unter:
http://www.stadtradeln.de/singen