Der Gemeinderat in Singen ist in aller Regel flott unterwegs, im Fall der Entscheidung über den künftigen Umgang mit der bestehenden Bausubstanz in der Singener Innenstadt wurde jedoch eine zusätzliche Diskussionsrunde eingebaut. Erstmals präsentiert hatte die Stadtverwaltung die sogenannte Erhaltungssatzung im Frühjahr, wobei den Stadträten ziemlich schnell bewusst wurde, dass die Vorlage einen Grundsatz der bisherigen baupolitischen Entscheidungsfindung verändert.

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Die Folge: Das Thema wurde in den Ausschuss für Stadtplanung, Bauen und Umwelt verlegt, wo ausführlich die Auswirkungen vor allem für die Eigentümer von Gebäuden erläutert wurden. Am Ende befürworteten sieben Mitglieder des Ausschusses den Entwurf der Stadtverwaltung, die drei Ausschussmitglieder der CDU lehnen sie nach wie vor ab. Beschlossene Sache ist die Erhaltungssatzung damit noch nicht, das letzte Wort spricht der Gemeinderat in seiner Sitzung am Dienstag, 28. Juli, ab 16 Uhr im Thügasaal der Stadthalle.

Es geht um rund 90 Gebäude

Und um das geht es: Im Bereich zwischen der Bahnhofs- und Freiheitstraße im Süden beziehungsweise Norden sowie der Hauptstraße im Westen und der Höristraße im Osten gibt es rund 90 Gebäude, die als prägend für die Entwicklung des Quartiers angesehen werden. Für den Status eines Denkmalschutzes reicht die Substanz nicht, umgekehrt stufen die Stadtplaner etliche der Gebäude aus der Gründerzeit um 1900 als prägend für den Charakter des Quartiers ein.

Ein jüngeres Beispiel dafür, dass es sich hierbei um ein handfestes Problem handelt, zeigte die vor gut einem Jahr geführte Diskussion über das Geburtshaus des Singener Malers Curth Georg Becker in der Scheffelstraße. Eine Anfrage für den Abriss des Hauses zum Zweck eine Wohnungsneubaus löste gleichermaßen im Gemeinderat und in der Bevölkerung Diskussionen aus. Mit einer Erhaltungssatzung könnte in ähnlich gelagerten Fällen künftig ein Mittelweg zwischen Denkmalschutz und Abrissbirne eingeschlagen werden.

Weg zwischen Denkmalschutz und Abrissbirne

Das Problem dieses Mittelwegs ist der sich daraus ergebende Interpretationsspielraum. In der Ausschusssitzung geriet dabei – wie schon in der Gemeinderatsdiskussion im Frühjahr – die Frage etwaiger wirtschaftlicher Nachteile für die Eigentümer der Gebäude ins Zentrum der Diskussion. Der Entwurf der Erhaltungssatzung sieht für derartige Fälle die Möglichkeit des Eigentümers zur Forderung nach Übernahme durch die Stadt vor, wobei sich der Kaufpreis am Markt zu orientieren hat. Wie das konkret aussähe, lässt sich im Vorfeld allerdings nicht festlegen.

Oberbürgermeister Bernd Häusler plädierte für die Annahme des Entwurfs, weil die Verwaltung damit über eine Chance zur Steuerung der Quartiersentwicklung verfüge. Voll und ganz hinter dem Entwurf steht auch Karin Leyhe-Schröpfer von den Grünen. Sie teilt die Ansicht der Stadtplaner, dass „Singen etwas zu verlieren hat“ und es an der Zeit ist, „der Abrissmentalität etwas entgegenzuhalten“. Die Skepsis einiger Ausschussmitglieder abzubauen versuchte SPD-Stadtrat Walafried Schrott. Er ist überzeugt, dass die Innenstadt in Sachen Unverwechselbarkeit nur gewinnen könne, gleichzeitig aber auch nichts verhindert werde.

Klaus Niederberger überzeugte dies jedoch nicht. Auch er sei für den Erhalt der auf der Vorschlagsliste befindlichen Gebäude, die Eingriffsmöglichkeiten der Stadt erscheinen dem CDU-Stadtrat jedoch als zu weitreichend. Zugleich drückte er allerdings seine Verwunderung über die Ruhe der Eigentümer aus. So sei ihm nicht klar, ob bei Veränderungen künftig der Gemeinderat oder das Bauamt zuständig ist. „Als Eigentümer wäre ich da doch einigermaßen verunsichert“, so Klaus Niederberger, der zusammen mit seinen Fraktionskollegen Angelika Berner-Assfalg und Ralf Knittel im Ausschuss gegen die Erhaltungssatzung stimmte.

Nach wie vor verunsichert sind dagegen Stadträte wie Markus Weber (Neue Line) und Volkmar Schmitt-Förster (Freie Wähler). Beide stimmten im Ausschuss zwar für den Entwurf, Markus Weber zeigte sich davon aber nicht „überbegeistert“: Er kann sich nicht vorstellen, woher die Stadt das Geld für die Ausübung etwaiger Gebäude- oder Grundstückskäufe nehmen soll. Und Volkmar Schmidt-Förster äußerte Bedenken gegenüber einer Politik, die das Singener Zentrum zu einer Fassadenstadt machen könnte. Das wäre der Fall, wenn bauliche Anpassungen aus wirtschaftlichen oder ökologischen Gründen sinnvoll sind und das Äußere als historisierendes Element konserviert wird.