Wie groß ist die Gefahr, dass im Hegau ein Atommüll-Endlager gebaut wird? In ganz Deutschland wird auf Basis wissenschaftlicher Kriterien nach einem geologisch sicheren Standort gesucht, an dem Atommüll gelagert werden kann. Der Hegau ist eins von 90 Teilgebieten in Deutschland, die für ein Endlager grundsätzlich in Frage kommen. Das liegt an dem Gestein Opalinuston, in dem eine sichere Lagerung möglich ist. Die Teilgebiete machen 54 Prozent der Landfläche aus und betreffen in Baden-Württemberg 39 von 44 Landkreisen. Bis 2031 will die Bundesregierung über die Bundesgesellschaft für Endlagersuche (BGE) zu einer Standortentscheidung kommen.

Phase eins mit Bürgerbeteiligung

Auch Bürger dürfen sich in der ersten Phase des Verfahrens an der Diskussion um den besten Standort beteiligen. Der Gottmadinger Martin Fehringer nimmt seit Januar an den Fachkonferenzen teil. Sein Interesse an der Diskussion: „Erstens möchte ich, dass der Atommüll sicher unterkommt, und zweitens will ich so etwas nicht im Hegau haben.“ Fehringer setzt sich für den Schutz der Landschaft im Hegau ein und engagiert sich aus diesem Grund auch gegen Windkraftanlagen in der Region. Deshalb brachte er in die Diskussion die Punkte ein, die in seinen Augen gegen ein Endlager im Hegau sprechen: die dichte Besiedelung, die Erdbebengefahr, eine Vielzahl an Natur- und Landschaftsschutzgebieten und den Tourismus. Eine große Rolle spiele auch, so Fehringer, dass die Opalinuston-Schicht im Hegau nicht homogen sei. Derzeit, so seine Einschätzung, ist der Hegau bei der Standortsuche aus dem Rennen und er könne ein Stück weit Entwarnung geben. Nach seinen Informationen würden Tiefenbohrungen in Norddeutschland und Bayern zur genaueren Analyse durchgeführt, aber keine einzige in Baden-Württemberg.

Fachlich fundiert und transparent

Die Standortsuche bezeichnet er bisher als fachlich fundiert und transparent. „Da sind viele Wissenschaftler beteiligt und es zählen die Fakten“, erklärt er. So habe er auch viel über die Geologie im Hegau erfahren und sei zum Experten für Atommüllendlagerung geworden. Nach streng wissenschaftlichen Kriterien komme der Hegau nicht infrage. Er hofft nun, dass keine politischen Interessen in die Diskussion mit reinspielen. Deshalb fordern er und viele Beteiligte eine dritte Fachkonferenz. Fehringer wundert sich, dass sich keine Politiker und Amtsträger aus der Region an der Diskussion beteiligten, um die Interessen des Hegaus zu wahren.

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Kriterien für Standortsuche

CDU-Bundestagsabgeordneter Andreas Jung war 2013 Mitglied der Bund-Länder-Kommission „Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe“, die das Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung vorschlug und die Kriterien für eine Standortsuche formulierte. Danach scheiden Erdbebengebiete der Stufe „größer eins“ und damit weite Teile des Hegaus aus. Jung will sich als Wahlkreisabgeordneter dafür einsetzen, dass in die weitere wissenschaftliche Bewertung alle vorhandenen Erkenntnisse verlässlich einfließen. „Auch deshalb habe ich schon kurz nach Vorstellung des Zwischenberichts am 28. September 2020 zu einem Online-Bürgerdialog mit Steffen Kanitz, dem Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung, eingeladen“, erklärt Jung. Daran hätten zahlreiche Bürger aus dem Kreis Konstanz teilgenommen und regionale Aspekte seien umfassend diskutiert worden.

Erdbebengefahr ist ein Ausschlusskriterium

Bei den Gebieten im Hegau, die nicht schon von vorneherein wegen der Erdbebengefahr ausgeschlossen sind, müssten nun alle bislang nicht berücksichtigten Faktoren umfassend einbezogen werden. Darauf dringe er und das sei auch zugesichert worden. Konkret gehe es dabei etwa um die Zerklüftung der hiesigen Opalinuston-Vorkommen und um die Fragen, die sich aufgrund der Nähe des Hegaus zum Trinkwasserspeicher Bodensee ergeben. Eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hätte schon 2007 infrage gestellt, ob das durch Vulkanismus zerklüftete Gestein genügend Sicherheit für ein Endlager biete. Entscheidend sei, dass alle weiteren Schritte auf wissenschaftlicher Basis mit maximaler Transparenz und in politischer Verantwortung von Bundestag und Bundesrat beschlossen würden.

Schweizer Standort beschäftigt Gottmadingen

Gottmadingens Bürgermeister Michael Klinger beschäftigt sich von Berufs wegen eher mit der Endlager-Standortsuche in der Schweiz. Die grenznahe Region Zürich Nordost, wenige Kilometer südlich von Schaffhausen, ist einer von drei Standorten, die infrage kommen. 2022 soll es in der Schweiz eine Ankündigung des Endlagerstandortes geben, die Entscheidung soll der Schweizer Bundesrat 2030 treffen. Klinger hat sich dafür eingesetzt, dass Gottmadingen als Mitglied der Schweizer Regionalkonferenz gehört wird. Positiv findet er an der deutschen Standortsuche, dass man das Verfahren auf Null gesetzt und nach streng wissenschaftlichen Kriterien in ganz Deutschland geschaut habe, wo geeignete Regionen sind. Nach seinem Kenntnisstand sei der Hegau ungeeignet, weil die Opalinuston-Schicht nicht durchgängig, sondern durch den Vulkanismus zerklüftet sei. Es gebe im Gegensatz zur Schweiz kein dichtes, homogenes Gestein, das für eine Endlagerung geeignet sei.

Zur Geschichte und zum Verfahren

  • Zur Geschichte: 2011 wurde der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Um den Standort Gorleben als Atommüll-Endlager habe es harte Auseinandersetzungen gegeben, erinnert CDU-Bundestagsabgeordneter Andreas Jung. Ein Endlager sollte aber größtmögliche Sicherheit bieten und brauchte dazu einen breiten Konsens. 2013 wurde das Standortauswahlgesetz beschlossen. Gesucht wurde auf Basis wissenschaftlicher Kriterien der Standort mit der bestmöglichen Sicherheit in Deutschland. Von einer „weißen Landkarte“ aus werden immer mehr Gebiete ausgeschlossen, bis nur noch ein Standort übrig bleibt. Die Bund-Länder-Kommission „Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe“, deren Mitglied Jung war, legte Empfehlungen zu allen Fragen der Endlagersuche vor. 2017 seien diese Empfehlungen gesetzlich umgesetzt worden. Im Herbst 2020 hat die BGE ihren „Zwischenbericht Teilgebiete“ veröffentlicht, der 90 Teilgebiete ausweist. Derzeit wird die Öffentlichkeit durch die Fachkonferenz Teilgebiete beteiligt.
  • Zum Verfahren: Phase eins (aktuell): Fachkonferenzen, Erarbeitung von Vorschlägen für Standortregionen, die oberirdisch untersucht werden sollen, gesetzliche Festlegung. Phase zwei: Oberirdische Erkundungen und Vorschlag für Erkundungen unter der Erde, gesetzliche Festlegung. Phase drei: Erkundung unter der Erde, abschließender Standortvergleich und Standortvorschlag, Entscheidung per Gesetz 2031. Betriebsaufnahme vorgesehen für 2050, Betriebszeit circa 40 Jahre, Bergbarkeit für 500 Jahr, Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahre.