Für die Kinder und Jugendlichen aus Pflege- und Adoptivfamilien ist das Haus „Trampel-Pfad“ auf dem Hohentwiel ein Ort des Miteinanders, des Lernens, der Entspannung und ein Ort, an dem sie Erfahrungen sammeln und Selbstbewusstsein entwickeln können. Diesen Ort, der einzigartig in Baden-Württemberg ist, soll es aber 2024 nicht mehr geben.
Der Verein „Pfad für Kinder“ Ortsverband Konstanz hat das Haus vom Amt für Vermögen und Bau gemietet. Das Amt in Konstanz betreut Immobilien, die im Besitz des Landes Baden-Württemberg sind. Der Mietvertrag läuft zum Ende des Jahres nach zehn Jahren ab. Das Amt will ihn nicht verlängern, obwohl eine Verlängerung des Vertrags um zehn Jahre schon mündlich besprochen worden sei, berichtet Angelika Gattmann, stellvertretende Vorsitzende des Vereins und Pflegemutter von zwei Pflege- und zwei Adoptivkindern. Der Grund: Der eine Pächter der Domäne, Schäfer Michael Thonet, will mit seiner größer werdenden Familie aus Platzgründen wieder in das Haus einziehen.

Für den Verein sei diese Entscheidung überraschend gekommen und die Mitglieder fühlten sich vor den Kopf gestoßen, erklärt Angelika Gattmann. Der Verein hatte mit dem Bau eines Lerngartens bereits ein neues Projekt geplant und dafür Förderzusagen erhalten. „Ich bin sauer und traurig“, sagt die Co-Vorsitzende: „Nicht in erster Linie wegen des Hauses und der vielen ehrenamtlichen Arbeitsstunden, die wir in die Renovierung gesteckt haben, sondern wegen der Kinder und den Eltern, die nicht mehr herkommen können.“
Pächter sagt, die Bedingungen waren klar
Pächter Michael Thonet ist der Meinung, dass diese Entscheidung nicht überraschend kam. Das Land als Eigentümer der Domäne habe von Anfang an gesagt, dass das Haus wieder vom Pächter bewohnt werden könne, wenn er es benötige. Das Haus sei immer als Pächterwohnhaus vorgesehen gewesen. Deshalb war der Pachtvertrag auch auf zehn Jahre festgeschrieben und der Verein habe das gewusst. Er wohne derzeit in der Angestelltenwohnung gegenüber, doch dort sei jetzt zu wenig Platz für seine Familie. „Wir könnten auch in eine Wohnung nach Singen ziehen, aber das Land schreibt vor, dass der Pächter auf der Domäne wohnen muss“, erklärt Thonet.
Das Amt für Vermögen und Bau bestätigt das. Das an den Verein vermietete Gebäude werde aktuell wieder benötigt, um die Domäne als landwirtschaftlichen Betrieb wirtschaftlich weiter zu betreiben, erklärt Amtsleiter Thomas Steier. Die Gründe dafür habe der Pächter der Domäne bereits Mitte des Jahres plausibel dargelegt. „Wir wissen um die gesellschaftlich wichtige Tätigkeit des Verein Pfad und haben deshalb in mehreren Gesprächen alternative Lösungen gesucht, allerdings ohne Erfolg“, schreibt Thomas Steier.
Deshalb habe das Amt bereits im September 2022 dem Verein angekündigt, dass der Mietvertrag über die Festmietzeit bis Ende 2023 nicht verlängert werden kann. „Wir bedauern dies sehr und haben uns dem Verein gegenüber gerne bereit erklärt, unsere Kontakte in die Gemeinden und Landkreise zu nutzen, um den Verein bei einer Neuunterbringung zu unterstützen“, so der Amtsleiter.
Pflegefamilien sind auf Unterstützung angewiesen
Für die Mitglieder des Vereins sei es ein großer Verlust, dass das Haus bald nicht mehr genutzt werden kann, erklärt die Co-Vorsitzende. Eine Familie habe ihr gesagt, dass, wenn es das Haus nicht mehr gebe, sie ihr Pflegekind nicht mehr behalten könnten. Die Belastung sei zu hoch und die fehlende Entlastung und Unterstützung im Alltag durch die Angebote im Haus seien nicht auszugleichen. Vor diesem Hintergrund frage sie sich, was dem Land ein Kinderleben wert sei, dass es Landschaftsschutz über das Wohlergehen von Kindern und Jugendliche stelle, die durch alle Raster fallen.
Im Vereins-Haus auf dem Hohentwiel finden unter anderem Fortbildungen für Pflege- und Adoptiveltern zu Themen wie „Entwicklung bei Pflegekindern“ oder „Bindung und Bindungsverhalten des Kindes“ mit Kinderbetreuung statt. In den Oster- und Sommerferien gab es Freizeiten für meist zehn bis zwölf Kinder je Gruppe, die sich dann zum Beispiel als Naturforscher betätigten. Die Angebote und das Konzept hätten sich herumgesprochen: Die Familien seien aus ganz Baden-Württemberg auf den Hohentwiel gekommen.

Der Verein hat sich 2012 dafür beworben, das Haus mieten zu dürfen. Die Domänen-Pächter hätten sich nach ihren Informationen damals dafür ausgesprochen, das Haus aus der Domäne herauszulösen, weil der Bauerhalt und die Nebenkosten zu hoch seien. Der Pfad-Verein bekam aufgrund seines gesellschaftlichen Engagements die Zusage. „Das Haus war zu diesem Zeitpunkt aus unserer Sicht nicht mehr bewohnbar“, sagt die Pflegemutter. Doch die Mitglieder hätten es sich zur Aufgabe gemacht, das Haus herzurichten.
Verein leistete 4500 Arbeitsstunden ehrenamtlich
4500 Ehrenamtsstunden an Arbeit und viele Tausend Euro hätten die Mitglieder des Vereins in zwei Jahren in die Renovierung des Hauses gesteckt. Neue Bäder, eine Küche, alle Wände und Böden seien gemacht worden. „Die Ehrenamtsstunden und das Material wurden vom Land teils vergütet und sind auf die Miete angerechnet worden“, schildert die Co-Vorsitzende. „Das Haus wurde mit so viel Liebe und Herz renoviert und jetzt, wo es sich gut etabliert hat, muss der Verein ausziehen. Das ist schon bitter“, sagt auch Vereinsmitglied Brigitte Steidle.
Wie es weitergeht, wissen die Mitglieder nicht. „Den Verein wird es weiterhin geben und er steht auch weiterhin mit Rat und Tat den Pflege- und Adoptivfamilien zur Seite“, erklärt Angelika Gattmann. Es wäre toll, wenn sie ein anderes Haus für ihre Angebote für die Familien finden würden. „Vielleicht gibt es jemanden, der ein altes Haus oder ein Grundstück hat, das er in eine Stiftung geben möchte“, erklärt sie. In Räumlichkeiten zur Miete wollen sie nicht mehr gehen.