Strom, Gas und Wasser – für die meisten Menschen ist es längst selbstverständlich, diese Annehmlichkeiten in den Wohnungen zur Verfügung zu haben. Doch wie kommen Strom, Gas und Wasser zu den Verbrauchern? Wie stehen Singen und Umgebung bei der Energiewende da? Und welche Herausforderungen gibt es künftig? Der Singener Versorger Thüga gibt Einblicke.
Entscheidend für die Versorgung ist zunächst die Leitwarte. Die zählt als kritische Infrastruktur, es gelten strenge Sicherheitsvorkehrungen. Drinnen ist von Leitungen wenig zu sehen. Die Mitarbeiter arbeiten mit großen Monitoren, rund um die Uhr ist die Leitwarte besetzt. An diesem Nachmittag behalten Ralf Stark und Patrick Stromeyer die Versorgungsnetze in Singen und den anderen Gebieten im Auge, in denen das Unternehmen Thüga Energienetze aktiv ist. Beide arbeiten als Dispatcher, was man ungefähr als Überwacher übersetzen kann. Denn sie überwachen, ob alles richtig fließt.
Schemazeichnungen auf Holzbrettern funktionieren auch dann, wenn die Technik ausfällt
Ralf Stark erklärt die schematischen Ansichten. Bei Gasleitungen könne er beispielsweise den Druck am Eingang und Ausgang der Abschnitte erkennen oder ob bei den Sicherheitselementen alles in Ordnung ist. Und auch manche Verteilstationen könne er aus der Ferne steuern. Bei den meisten müssen die Mitarbeiter in der Leitwarte aber einen Kollegen an die richtige Stelle lotsen. Eine typische Aufgabe ist die Umschaltung von Leitungen für Arbeiten. Stark zeigt, wie er einen Abschnitt einer Singener Stromleitung dafür stromlos schalten kann. Die Kunden würden davon nichts merken – für sie werde der Strom über andere Drähte umgeleitet. Zur Sicherheit liegen die Netzpläne auch als Zeichnungen auf großen Holzbrettern vor. „Die Technik kann ausfallen, das Brett nicht“, sagt Stark trocken.

Doch auch bei allem, was in den Leitungen fließt, haben die beiden Thüga-Unternehmen (siehe Text unten) einiges zu tun. Die Energiewende läuft schon, zeigen Unternehmenspräsentationen der beiden Geschäftsführer Markus Spitz und Markus Kittl. Unter anderem betreibe man seit zehn Jahren eine eigene Biogasanlage mit Speiseresten in Kißlegg, für Privatkunden gebe es nur noch Ökostrom und seit 2006 betreibe das Unternehmen das Aachkraftwerk in Singen, zählt Thüga Energie-Chef Markus Spitz auf.
Doch er lässt auch durchblicken, dass nach seiner Einschätzung der Ausbau regenerativer Stromerzeugung schneller gehen müsste. Bis 2030 seien mindestens 20 Prozent Mehrverbrauch beim Strom zu erwarten. Wo soll der herkommen? Das letzte Atomkraftwerk in Deutschland werde bald abgeschaltet, auch Strom aus Kohle höre auf, zählt Spitz auf. Da bleiben nur noch die regenerativen Quellen Windkraft und Solarstrom. Beim Windpark Verenafohren in Wiechs am Randen, an dem die Thüga beteiligt ist, seien die Erwartungen erreicht worden. „Das zeigt: Eine Windkraftanlage lässt sich wirtschaftlich betreiben“, sagt Spitz. Und: „Wenn man Ökostrom will, braucht man auch die Erzeugung.“ Doch Spitz sagt auch, dass man bei solchen Projekten die Menschen mitnehmen müsse, wie es in Wiechs geschehen sei. Im September hat das Unternehmen per Pressemeldung bekanntgemacht, dass es eine neue Solaranlage auf dem Dach seines Kundenzentrums installiert habe. Mit dem Strom sollen demnach vor allem die unternehmenseigenen Elektro-Fahrzeuge geladen werden.

60 Prozent des Haushaltsstroms in Singen sind Ökostrom
Dass die Energiewende schon längst läuft, untermauert Markus Kittl, Geschäftsführer der Thüga Energienetze, mit Zahlen. 60 Prozent des Haushaltsstroms in Singen sei bereits Ökostrom, sagt er. Die Hälfte davon entstehe durch Fotovoltaik-Anlagen vor Ort. Doch Kittl sagt auch: „Bei den Fotovoltaik-Anlagen könnte noch mehr gehen, da haben wir noch Potenzial auf den Dächern.“ Und seine Zahlen zeigen, dass nicht einmal ein Drittel des Singener Strombedarfs bei den Haushalte anfällt. Mehr als die Hälfte geht demnach an die Industrie. Doch auch die Stromleitungen müsse man fit für die Zukunft machen, sagt Kittl. Denn in früheren Zeiten floss der Strom nur vom Kraftwerk zum Verbraucher. Das ändere sich, wenn immer mehr Strom aus kleinen Quellen ins Netz fließe – etwa aus Solaranlagen. Deren Ökostrom habe Vorrang bei der Einspeisung, Strom fließe nun in zwei Richtungen. Darauf könne man mit dickeren Leitungen reagieren – oder durch intelligente Steuerung. Kittl lässt keinen Zweifel daran, dass ihm der letztere Weg sympathischer ist.
Dafür könnte es in fernerer Zukunft darauf hinauslaufen, überschüssigen Ökostrom per Elektrolyse in Form von Wasserstoff zu speichern. 20 Prozent Wasserstoffanteil im Erdgas gehe schon heute, auch bei den Kunden, sagt Markus Kittl. Das Unternehmen beginne mit dem Umbau der Netze für die Wasserstofftauglichkeit. Doch: „Das wird uns noch Jahrzehnte beschäftigen.“ Langfristig sei das Ziel das, was die Fachleute als Dekarbonisierung bezeichnen: Die Gasnetze frei von Kohlenstoffverbindungen zu haben. An einem Pilotprojekt in Heide in Holstein ist die Thüga Gruppe über die dortigen Stadtwerke beteiligt, sagt Kittl.
Die Unternehmen und ihre Geschichte
- Thüga Energie: Die Anfänge des heutigen Unternehmens Thüga Energie lassen sich bis 1924 zurückverfolgen. Damals schloss laut Geschäftsführer Markus Spitz die Stadt Singen einen Gas-Konzessionsvertrag mit dem Berliner Unternehmen Agwea. 1925 wurde das Gaswerk in der Bohlinger Straße gebaut, das Kokereigas herstellte. Weitere Unternehmensumformungen folgten, bis das Gas- und E-Werk Singen im Jahr 2001 zu einem Teil der Thüga AG wurde. Heute hat die Thüga Energie GmbH mit Sitz in Singen etwa 90 Mitarbeiter. Über Beteiligungen sei der Konzern vollständig in kommunaler Hand, so Spitz. Die Stadt Singen sei als Gesellschafter einer Beteiligungsgesellschaft dabei. Die Stadtwerke hätten hingegen noch nie Stromversorgung gemacht. Den Jahresumsatz der gesamten Thüga Gruppe gibt Spitz mit etwa 24 Milliarden Euro an.
- Trennung: Im Jahr 2009 trat das Energiewirtschaftsgesetz in Kraft. Demnach mussten die Netzbetreiber unabhängig von den anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung sein. Bei der Thüga wurden die beiden heutigen Unternehmen gegründet.
- Thüga Energienetze: Dieses Unternehmen entstand durch die Trennung von Netz und Energievertrieb. Heute betreibt die Thüga Energienetze GmbH laut Geschäftsführer Markus Kittl 5000 Kilometer Netze im Hegau, im Allgäu und in der Pfalz und hat mehr als 200 Mitarbeiter.