Sie sind im Februar nach Vancouver geflogen, um dort ein Praktikum bei einer Übersetzungsagentur zu beginnen. Hat das Virus damals schon eine Rolle gespielt?
Am 28. Februar ging mein Abflug. In den Medien hatte ich nur gehört, dass es das Virus in China gibt. Ich bin mir nicht sicher, ob es da überhaupt schon Fälle in Europa gab. Höchstens von Infizierten in Italien war mit bekannt.
Wie hat sich die Situation dort für Sie weiterentwickelt?
Ich habe effektiv zwei Wochen im Büro gearbeitet, als wir wegen Corona plötzlich alles auf Homeoffice umstellen mussten. Das war schade, da ich mich auf den Kontakt mit neuen Kollegen gefreut hatte. Aber trotz der kurzen Zeit habe ich dort neue Leute kennengelernt, mit denen ich manchmal am Wochenende Ausflüge in der Umgebung unternehme. Es gibt viele National-Parks um Vancouver, in denen wir wandern gegangen sind. Läden, Restaurants und Touristenattraktionen haben ja auch hier geschlossen gehabt.
Das war vermutlich alles anders, als Sie es sich vorgestellt hatten. Wie sah Ihr Alltag dann in den letzten Wochen aus?
Unter der Woche arbeite ich von 9.30 Uhr bis 17 Uhr. Morgens haben wir dann meistens online ein Team-Meeting, um Fragen vom Vortag zu klären oder zu planen, was als nächstes ansteht. Es gab zwar weniger Übersetzungsaufträge, aber ich habe an einem Buch über das Übersetzen von Webseiten mitgeschrieben. Dazu habe ich also recherchiert oder Korrektur gelesen. Mittlerweile kann ich nach Feierabend Ausflüge unternehmen, aber als ich in Kanada angekommen war, war es schon um 7 Uhr dunkel. Da hat es sich nicht gelohnt, noch raus zu gehen.
Wie ging es Ihnen in dieser ungewissen Situation?
Insgesamt habe ich Glück, denn ich befinde mich an der Westküste. Hier gab es kaum Infizierte. Das sah an der Ost-Küste mit den Großstädten Toronto und Ontario anders aus. Deshalb habe ich hier auch trotz allem viele Freiheiten, denn eine Kontaktbeschränkung beispielsweise gab es nicht. Außerdem wohne in einer WG mit drei Mitbewohnerinnen, sodass ich nicht alleine war. Auch meine Tätigkeit kann ich sehr gut, von zuhause aus nach gehen. Das ist auf jeden Fall ein Komfort. Wenn es mir dann doch einmal zu viel wurde, bin ich beispielsweise in den nahe gelegenen Stanley-Park gegangen. Dort kann man gut drei bis vier Stunden wandern gehen.
Haben Sie sich überlegt früher zurück nach Deutschland zu kommen?
Mein Praktikum geht noch bis August. In dieser Zeit habe ich einen Urlaubstag plus offizielle Feiertage. Ein Flug nach Deutschland ist weit. Da lohnt es sich nicht nur ein Wochenende heimzufliegen. Da ich trotz allem mein Praktikum weiter machen kann, habe ich mir keine Gedanken über eine frühere Abreise gemacht. Eine Mitpraktikantin von mir ist jedoch direkt im März zurück in ihre Heimat Belgien gereist. Aktuell wüsste ich nicht einmal, ob Rückflüge möglich sind.
In Deutschland werden mittlerweile viele Regelungen wieder gelockert. Wie ist die aktuelle Situation bei Ihnen vor Ort?
Die Regelungen in Deutschland kenne ich nicht alle, aber vermutlich wird es hier lockerer gehandhabt. In den letzten paar Wochen haben die Geschäfte begonnen wieder aufzumachen. Für die Restaurants gilt dasselbe. Da ich jedoch bisher noch nicht essen gegangen bin, weiß ich nicht, wie das abläuft. Eine offizielle Maskenpflicht gibt es zumindest nicht. Bei einem Strandbesuch habe ich gesehen, dass die Einhaltung der Abstandregeln beaufsichtigt wird. Wie es an der stärker betroffenen Ostküste aussieht, habe ich keine Ahnung.
Und was bedeutet das für Ihre Arbeit?
In den letzten Wochen ging es dort eher langsam zu. Es wurden kaum neue Aufträge gestellt. Jetzt nimmt das aber wieder langsam zu, da macht die Arbeit mehr Spaß. Das wir von zuhause arbeiten, wird trotzdem bis zum Ende meines Aufenthalts beibehalten werden.
Bei Ihnen ist es gerade 23 Uhr, während in Singen die Sonne schon wieder aufgeht. Das sind doch einige Stunden Zeitverschiebung. Wie ist Ihr Kontakt in die Heimat?
Die Zeitverschiebung ist tatsächlich das was mich am meisten stört (lacht). Das ist oft schwierig, wenn ich mit Leuten von zuhause in Kontakt treten will. Wenn ich Feierabend habe, dann schlafen in Deutschland bereits alle.
Ist es für Ihre Familie nicht schwierig, dass Sie so weit weg sind?
Zum Glück geht es allen gut. Natürlich ist die Situation einschränkend, aber immerhin sind alle gesund. Meine Eltern machen sich da natürlich immer ein bisschen Sorgen, gerade wenn ich im Ausland bin und diesmal kann ich nicht mal schnell zurückkommen.
Wie geht es für Sie voraussichtlich nach diesem Praktikum weiter?
Geplant war, dass mein Freund mich in Vancouver besuchen kommt. Wir wollten noch ein bisschen das Land erkunden. Da bin ich aber noch pessimistisch, denn es gilt weiterhin eine Einreisesperre. Zurück in Deutschland werde ich mich an meine Masterarbeit setzen. Zwei Masterkurse fehlen mir außerdem noch. Doch diese kann ich erst im nächsten Sommersemester wieder belegen. Deswegen hatte ich eigentlich die Hoffnung solange noch weitere Berufserfahrungen sammeln zu können. Jetzt muss ich schauen, ob das möglich sein wird.
Zur Person
Jessica Vogt ist in Singen geboren und absolvierte 2014 ihr Abitur am Hegau-Gymansium. Danach ging es für sie ein Jahr lang als Au Pair nach England und anschließend nach Freiburg um einen Bachelor in Anglistik zu machen. Auch während ihres Studiums zog es sie für ein Erasmus-Jahr nach Schottland. Mittlerweile studiert sie an der Fachhochschule Würzburg und macht ihren Master als Fach- und Medienübersetzerin. Aus diesem Grund zog es sie für ein Praktikum bei einer Übersetzungsagentur nach Kanada, um dort mehr Einblicke in den Berufsalltag zu erlangen und ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Im September hofft sie zurück nach Deutschland kommen zu können.