Manche Dinge ändern sich nie. Zum Beispiel, dass Stephan Glunk irgendwie immer eine Gitarre dabei hat. An der Hohentwiel-Gewerbeschule, deren stellvertretender Leiter er bis Sommer 2023 war, ist er als Lehrer mit der Gitarre bekannt. Und er absolviert kaum einen öffentlichen Auftritt ohne das Instrument. Der 44. Bieranstich der Gottmadinger Narrenzunft Gerstensack machte da keine Ausnahme.
Glunk wurde dabei zum Ehrengerstensafter ausgerufen, ein Titel, den auch sein Vater Karl schon trug. Der Sohn bedankte sich für den Ehrentitel nun närrisch-virtuos mit einem Rap über die bisherigen Ehrengerstensafter und mit zwei Liedern. Der Fischerin vom Bodensee attestierte Glunk so, dass sie eines nicht habe, nämlich den schönen Ehrengerstensafterstab, den er überreicht bekam.

Und auch gegen den Singener Erznarren Popolius vom Krähen – immerhin die Galionsfigur der Singener Fasnacht, deren Darsteller Timo Heckel ebenfalls im Publikum war – wolle er den Stab verteidigen. Popolius müsse sich mit seiner Peitsche begnügen, sang Glunk. Den Kriminaltango dichtete der neue Ehrengerstensafter zu einer Danksagung für den „tollen Stab“ um.
Zu vorgerückter Stunde war das Publikum in der rappelvollen Fahr-Kantine da auf einen Schlag wieder hoch konzentriert, hing Glunk buchstäblich an den Lippen und spendete begeisterten Beifall. „Das ist eine wunderbare Ehre für mich“, sagte Glunk nach seinem Auftritt.

Dabei wäre die Übergabe beinahe gefährdet gewesen, jedenfalls wenn man dem vorigen Träger der Auszeichnung und Zunftmeister der Rattlinger-Zunft aus Rielasingen, Holger „Io“ Reutemann, glaubt. De Bue vu Realessinge hatte im Jahr 2023 Carola Schäpke als Träger der Ehrung abgelöst und in der Zwischenzeit gut auf den Stab, ein Unikat, aufgepasst. Damit er nicht wegkommt, habe er ihn gut versteckt. Und reimte nun: „Bim Sueche bin i faschd verreckt.“
Zwei Schläge auf den Zapfhahn genügen
Als Handwerker habe er ein Maschinchen gebastelt, damit die Namensschilder nicht immer so krumm und schief auf dem Stab sitzen – was Reutemanns Nachfolger Glunk auch gleich ausprobierte. Und mit zwei kräftigen Schlägen und ohne Spritzer zapfte Reutemann dann auch noch das Fass mit dem Jubiläumsbier an. Das wurde zum 150-jährigen Bestehen der Gerstensack-Zunft auch in 100 Flaschen zu je 20 Euro zum Kauf angeboten.
So fiel die Wahl auf Stephan Glunk
Doch wie kam es überhaupt dazu, dem Ober-Fasnachter aus der Nachbarstadt und Hegau-Metropole die prestigeträchtige Ehrung zu verleihen? Gerstensack-Zeremonienmeister Christoph Graf beschrieb den Auswahlprozess und ließ währenddessen das Publikum raten, auf wen die Wahl gefallen ist. Ein Mann sollte es sein, denn der Stab war ja Corona-bedingt von 2020 bis 2023 in den Händen von Carola Schäpke.
Fürs Jubiläumsjahr sollte ein ausgewiesener Fasnachter her. Etwas mit Musik wäre noch flott, so Graf. Und Fußball mindestens auf dem Niveau der Singener DJK, wo der Geehrte bei den Alten Herren (AH) antrete. Als Fasnachter sei er kreativ und wolle nun auch noch die Scheffelhalle wieder errichten, so Graf.

Ein besonderer Ehrengerstensafter in einem besonderen Jahr – ein Jubiläum gibt es ja auch noch zu feiern. Ab Freitag, 19. Januar, werde das Festzelt für das Narrentreffen aufgestellt, sagte Zunftmeister John Weber in seiner Begrüßung. Und er dankte den Zunftmitgliedern: „Wahnsinn, was mit so einer tollen Zunft möglich ist.“
Großveranstaltung stand zur Debatte
Dass die Narren hinter den Kulissen durchaus mit der Gemeinde gerungen haben, als es um die Narrentage am Wochenende vom 26. bis 28. Januar ging, ließ Zeremonienmeister Graf in seiner Ansprache durchblicken. Die Gemeinde unterstütze es doch noch, nun werde das Narrenfest richtig schön, so Graf.

Doch die Politik bekam auch ansonsten ihr Fett weg, wie bei der Saalfasnacht üblich. So griff Graf noch einmal auf seine Rede vom Jahr 2023 zurück, in der es schon um die Probleme mit den „Schwachmaten vom Staat“ gegangen sei. Zunftmeister John habe damals die ausufernden Sicherheitsvorschriften praktisch im Alleingang erfüllt.
Dabei sei die Fasnet doch nationales immaterielles Kulturerbe der Unesco, da sollte man meinen, es dürfe nicht sterben. Und alle Politiker würden sich gerne auf Pressefotos im Glanz der Fasnet sonnen. Mit dem Hinterfragen von Unsinn sei es hingegen nicht so weit her.
Auch Gabi Raff spießte in ihrer Büttenrede so manches auf, was ihr ungereimt vorkam – diesmal als Assistentin der Geschäftsleitung im Homeoffice. Plötzlich seien die Grünen für Windkraft, die sie mit Hinweis auf den Rotmilan so lange bekämpft hätten, sinnierte sie da etwa. Doch auch Berliner Hafermilch-Macchiato-Trinker, Fachkräftemangel im Bundeskabinett oder König Charles, der nun die Hüte seine Mutter auftragen muss, zog sie durch den Kakao. Ein Auftakt nach Maß für das Jubiläumsjahr, wie auch Zunftmeister Weber am Ende des Fassbieranstichs befand.
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