Der Angeklagte schaute die Tischplatte an, während der forensische Psychiater seine Entwicklung und Einschränkungen beschreibt. Kein Blick, kein Wort für Richterin Krack, Staatsanwalt Karol Thalheimer, Sachverständigen Hermann Assfalg oder Verteidiger Wolfgang Hoppe. Während der gesamten Verhandlung am Amtsgericht Singen war das so. Das tat er nicht aus Trotz, wie der Sachverständige erklärte, sondern wegen seiner Störung: Der 32-Jährige ist Autist. Und ihm war offenbar sehr unangenehm, weshalb er angeklagt ist. Auf seinen Geräten fanden Ermittler hunderte kinderpornografische Bilder und Videos. Auch Jugendliche waren in eindeutigen sexuellen Posen oder während eines Missbrauchs zu sehen. Das Verfahren zeigte auch, wie schwierig der Umgang mit einem eingeschränkten Angeklagten ist.

Allein auf einem Gerät waren 1556 Kinderporno-Bilder

Letztlich hat sich der Angeklagte selbst überführt. Vor drei Jahren teilte er ein kinderpornografisches Bild in seinem WhatsApp-Status, sodass sein Umfeld es sehen konnte. Andere entdeckten das Bild und sprachen ihn darauf an, schließlich zeigte sich der Angeklagte selbst an. Bei einer Hausdurchsuchung fanden Polizisten mehrere Geräte. Allein auf einem davon zeigten 1556 Bilder und 78 Videos, wie Kinder zu sexuellen Handlungen gezwungen werden. Dazu kamen über 300 Bilder sowie 84 Videos, auf denen Jugendliche zu sehen sind.

„Die Tat ist sehr klar“, sagte Staatsanwalt Karol Thalheimer. Vor Gericht ging es daher vielmehr um die Frage, wie der Angeklagte zu bestrafen ist. Verhandlungsfähig war er trotz seiner Einschränkung, wie der Sachverständige Hermann Assfalg erklärte.

Gefühle anderer sind fremd

Schon früh hätten die Eltern bemerkt, dass ihr Kind anders war als andere: Es vermied Blickkontakt, nutze Spielzeug auf ungewöhnliche Weise. Der Vater saß mit im Gerichtssaal, während Assfalg das sagte. Denn die Eltern sind bis heute Betreuer für ihren Sohn. „Ein autistischer Mensch kann sich nicht so in Gefühle anderer versetzen“, erklärte Hermann Assfalg. Mit dem Sachverständigen habe der Angeklagte problemlos kommuniziert. Man merke zwar die Einschränkungen, denn der 32-Jährige habe eine Lernbehinderung und Unterstützungsbedarf. Das könne auch an einer Hirnschädigung nach Komplikationen bei der Geburt liegen. Aber der Angeklagte könne seinen Alltag weitgehend selbstständig bewältigen.

Der Alltag klappt, Sexualität aber nicht

Problem sei die Sexualität. „Es ist normal, dass eine Stimulation mit Pornos stattfindet, wenn man Sexualität nicht so leben kann“, erklärte Assfalg. Nicht normal sei, dabei Kinder ansprechend zu finden. Nach der Hausdurchsuchung im Jahr 2019 prüften Ermittler sein Internetverhalten und stellten fest: Er habe gezielt nach solchen Bildern und Videos gesucht. Allerdings merke der junge Mann, dass seine pädophile Neigung sozial unerwünscht sei.

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Der Angeklagte war schon vor 15 Jahren wegen ähnlicher Inhalte aufgefallen. Nun erhofften sich die Prozessbeteiligten, dass der Eindruck einer Gerichtsverhandlung nachwirkt. Laut dem anwesenden Vater habe schon das Gespräch mit dem Sachverständigen einen großen Effekt gehabt. Der Angeklagte verbringe seine Zeit nun nicht mehr am Computer, sondern mit Musik. Außerdem sei die Beziehung zu seiner Freundin enger geworden, sogar ein Zusammenziehen stehe im Raum.

„Er braucht die Verhandlung, ist aber ein anderer Mensch geworden“, versicherte der Vater. Er fand aber auch eindeutige Worte für die Inhalte, wegen deren Besitz sein Sohn angeklagt war: „Die Geräte mit dem Schund kann man verschrotten.“

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Betreuung soll einen Rückfall verhindern helfen

Der Sachverständige Hermann Assfalg konnte eine Wiederholungsgefahr nicht ausschließen und sah einen Grenzfall. Allerdings gebe es keinerlei Anhaltspunkte, dass der Angeklagte selbst ein Kind anfassen würde und er sei auch nicht auf Kinder fixiert. Staatsanwalt Karol Thalheimer fand in seinem Plädoyer klare Worte: Wenn der 32-Jährige nochmal auffällig werde, müsse er sich vor dem Landgericht verantworten. Dann sei nicht unwahrscheinlich, dass er in eine psychiatrische Einrichtung müsse – und sein gewohntes Umfeld verliere. „Das ist keine Bagatelle! Die missbrauchten Kinder leiden ihr Leben lang.“

Ein Rückfall soll auch mit äußerer Hilfe verhindert werden: Der vermindert schuldfähige Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Strafe wird für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Während dieser Zeit sollen ein Bewährungshelfer und eine 14-tägige psychologische Behandlung dazu beitragen, dass der Angeklagte nicht rückfällig wird. Auch das Urteil nahm der Angeklagte regungslos entgegen. Es ist rechtskräftig.

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