Ein Hauch von Wärme und der verlockende Duft von frisch zubereitetem Essen empfangen Besucherinnen und Besucher, wenn sie die Pforten der Lutherkirche in Singen passieren. Seit dem 14. Januar haben sich die Räume der Kirche in ein regelrechtes Gasthaus verwandelt. Noch bis zum Sonntag, 28. Januar, werden täglich bis zu 300 Menschen nicht nur mit einem warmen Mittagessen versorgt, sondern erleben auch einen Ort der Gemeinschaft und Gastfreundschaft.

Die Besucherinnen und Besucher werden herzlich an ihren Tisch geführt und haben die Auswahl zwischen zwei Hauptgerichten. Dazu gibt es Suppe, Salat und verschiedene Desserts, also ein wahres Drei-Gänge-Menü. Schnelligkeit in der Bedienung ist selbstverständlich, und die Helfer haben stets ein offenes Ohr für die Bedürfnisse und Wünsche der Gäste. Am Sonntag finde wie gewöhnlich der Sonntagsgottesdienst statt, mit dem gemeinsamen Mittagessen direkt im Anschluss, erklärt Pfarrerin Andrea Fink-Fauser.

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Essensverschwendung? Fehlanzeige!

300 Mahlzeiten werden den Gästen täglich serviert. Dabei legt die Vesperkirche großen Wert darauf, Lebensmittel sinnvoll zu nutzen. Wenn etwas übrig bleibt, wird es weitergegeben, eingefroren und bei Bedarf wiederverwertet. „Wir wollen keine Verschwendung. Das warme Mittagessen geht an die Tafel, so wie der übrig gebliebene Kuchen – auch wenn da eher selten Reste sind“, erklärt Bernhard Koller. Er koordiniert in der Vesperkirche die Essensausgabe.

Bernhard Koller war vor seinem Ruhestand als Koch tätig und koordiniert nun in der Vesperkirche die Essensausgabe. Durch seine ...
Bernhard Koller war vor seinem Ruhestand als Koch tätig und koordiniert nun in der Vesperkirche die Essensausgabe. Durch seine Berufserfahrung bringt er wertvolles Vorwissen aus dem Gastronomiebereich mit und sorgt für geregelte Abläufe. | Bild: Lilian Steigele

Jeder ist in der Vesperkirche willkommen

Doch die Vesperkirche ist mehr als nur ein kulinarisches Erlebnis. Im Gegensatz zu anderen Vesperkirchen seien in Singen Bürgerinnen und Bürger aus allen sozialen Schichten willkommen. „Hier versammeln sich Menschen aus allen Gesellschaftsschichten. Personen, die im normalen Alltag nie miteinander reden würden, setzen sich hier an einen Tisch“, betont Pfarrerin Fink-Fauser.

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Aber auch alte Bekanntschaften haben hier schon ein freudiges Wiedersehen genossen. „Wir hatten hier mal zwei ältere Damen, die festgestellt haben, dass sie vor vielen Jahrzehnten zusammen zur Schule gegangen sind“, so Pfarrer Bernhard Knobelspies. Manche Gäste sehe man jeden Tag, andere nur ein Mal und dann nie wieder. Auch viele Menschen, die sonst täglich zur Tafel gehen, kommen laut Knobelspies hierher. Diese hat in den zwei Wochen der Vesperkirche nämlich geschlossen – die Besucher werden direkt hierhin verwiesen.

Freude am Miteinander

Auch bei den Gästen selbst ist die Begeisterung spürbar. „Ich komme total gerne her. Man kommt mit neuen Leuten ins Gespräch und hat einfach eine schöne Zeit gemeinsam“, erzählt Mariano Nasca. Er hat schon als Bedienung mitgeholfen, dieses Jahr ist er aus gesundheitlichen Problemen nur als Gast bei der Veranstaltung.

Mariano Nasca hat auch schon als ehrenamtlicher Helfer in der Vesperkirche gearbeitet. Dieses Jahr ist er aus gesundheitlichen Gründen ...
Mariano Nasca hat auch schon als ehrenamtlicher Helfer in der Vesperkirche gearbeitet. Dieses Jahr ist er aus gesundheitlichen Gründen lediglich als Gast da. | Bild: Lilian Steigele

Beate Jörg ist von Anfang an bei der Vesperkirche dabei. Sie hat mit organisiert und als ehrenamtliche Helferin schon in jedem Bereich mitgeholfen. Heute ist sie als Gast hier. „Die Tischdecke, die freundlichen Gesten, die Gastfreundschaft – für viele ist es einfach wichtig, mal gesehen und respektvoll behandelt zu werden“, sagt sie.

Beate Jörg ist von Anfang an bei der Vesperkirche dabei – sowohl als Gast als auch als ehrenamtliche Helferin besucht sie die ...
Beate Jörg ist von Anfang an bei der Vesperkirche dabei – sowohl als Gast als auch als ehrenamtliche Helferin besucht sie die Vesperkirche jedes Jahr. | Bild: Lilian Steigele

Jeder tut, was er kann

Die Organisation liegt maßgeblich in den Händen des Arbeitskreises christlicher Kirchen. Darüber hinaus stemmen viele Stiftungen, die Singener Tafel, Stadt, Unternehmen und zahlreiche ehrenamtliche Helferinnen und Helfer die Aktion. Freiwillige Helferinnen und Helfer zu finden, ist laut Pfarrer Knobelspies nie eine Herausforderung.

Bis zu 50 Helferinnen und Helfer stemmen täglich den Mittagstisch und sind ebenso bunt gemischt wie die Gäste selbst: „Schulklassen, Firmen, Unternehmen, die Singener Tafel, die Stadt Singen – alle ziehen hier an einem Strang“, erzählt Knobelspies.

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Kann die Vesperkirche mehrmals im Jahr stattfinden?

Bei dem hohen Engagement stellt sich auch die Frage, die Vesperkirche länger oder öfter als ein Mal im Jahr stattfinden zu lassen. Doch die zeitliche Begrenzung erkläre sich nicht nur aus organisatorischer Sicht. Eine längere Vesperkirche würde laut Beate Jörg auch die Belastung für die Helferinnen und Helfer deutlich erhöhen. „Eine längere Vesperkirche wäre schwierig. Lieber geben wir zwei Wochen Vollgas, als am Ende überlastet zu sein“, betont sie.

Claudia Graf ist für die Kuchenausgabe zuständig. Über 30 Kuchen werden täglich von den örtlichen Bäckereien aber auch von zahlreichen ...
Claudia Graf ist für die Kuchenausgabe zuständig. Über 30 Kuchen werden täglich von den örtlichen Bäckereien aber auch von zahlreichen Privatpersonen für die Vesperkirche zur Verfügung gestellt. | Bild: Lilian Steigele

Man müsse bedenken, dass eine Vielzahl von Aufgaben im Hintergrund erledigt werden müsse: Neben der Logistik und der Suche nach Spendern müssen beispielsweise auch die Räume der Kirche erst einmal freigeräumt werden, erklärt auch Pfarrer Knobelspies. Daher sei es für die Organisatoren entscheidend, die Aktion in einem überschaubaren Zeitrahmen zu halten, um eine Überlastung der freiwilligen Unterstützer zu vermeiden.