Falsches Sicherheitsgefühl oder eine Lösung, um Schulschließungen zu vermeiden? In den vergangenen Monaten wurde viel diskutiert über Luftfilter und ihre Verwendung in Schulen. Offenbar ist die Wirkung solcher Geräte soweit nachgewiesen, dass es inzwischen ein Förderprogramm für deren Anschaffung gibt: Das Land hat einen Fördertopf mit 60 Millionen Euro gefüllt, der Bund will sogar 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Doch längst nicht alle Klassenzimmer in Singen und im Hegau werden mit gefilterter Luft ins neue Schuljahr starten: Es fehlen Geld und Geräte. „Die beste Methode, um Viren aus der Luft zu bekommen, ist immer noch das regelmäßige Lüften alle zwanzig Minuten“, sagt Singens Bürgermeisterin Ute Seifried. Sie warnt auch davor, sich mit Filtern in eine falsche Sicherheit zu wiegen.

Förderung nur für Räume, die schwer belüftbar sind. Was das bedeutet

Wenn Gemeinden ihre Klassenzimmer mit Luftfilteranlagen ausstatten, übernimmt das Land bis zu 50 Prozent der Kosten. So das Versprechen. Doch genaue Förderrichtlinien wurden erst vor wenigen Tagen bekannt. Seit Montag können Schulen also Luftreiniger bestellen – wenn ihre Räume geeignet sind. Fördermittel gibt es nur für Räume, die schwer zu belüften sind. Das ist laut Definition des Umweltbundesamtes dann der Fall, wenn Fenster nur kippbar sind oder es nur schmale Lüftungsklappen gibt.

Bürgermeister Johannes Moser im vergangenen Jahr an seinem Schreibtisch im Engener Rathaus.
Bürgermeister Johannes Moser im vergangenen Jahr an seinem Schreibtisch im Engener Rathaus. | Bild: Tesche, Sabine

Engens Bürgermeister Johannes Moser kritisiert, dass das Förderprogramm hohe Erwartungen bei Lehrern, Eltern und Schülern schürt, die so nicht erfüllbar sein werden: „Eine flächendeckende Ausstattung der Klassenzimmer wird nicht möglich sein, weil Luftreiniger in der benötigten großen Anzahl nicht kurzfristig geliefert werden können.“

Singen: Geräte müssen ausgeschrieben werden

Teils kommt es schon bei der Bestellung zu Problemen: 70 von 335 Klassenzimmern sollen in Singen ausgestattet werden. Doch erst musste die Stadtverwaltung auf die Förderrichtlinien warten. Dann kann nicht auf einmal bestellt werden: „Aufgrund der Anzahl der Luftfilter die wir benötigen, müssen wir die Geräte ausschreiben“, erklärt Bürgermeisterin Ute Seifried. Der Gemeinderat hat Kosten von bis zu 245.000 Euro zugestimmt. Dazu kommen Wartungskosten von voraussichtlich 27.650 Euro pro Jahr.

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Doch nun können die Hersteller wohl doch nicht so schnell liefern wie versprochen. Seifried rechnet daher mit Verzögerungen. Eine erste Lieferung soll aber rechtzeitig zum Schulstart eintreffen.

Ute Seifried, Sozialbürgermeisterin Singens, im Juni vergangenen Jahres.
Ute Seifried, Sozialbürgermeisterin Singens, im Juni vergangenen Jahres. | Bild: Kirsten Astor

Wie viel Fördergelder die Stadt erhält, müsse noch geklärt werden. Denn Singen habe kaum Räume, die laut Definition schwer belüftbar sind. „Wir haben daher jetzt auch die Räume mit aufgenommen, die zum Beispiel an viel befahrenen Straßen liegen. Dafür werden wir dann aber wahrscheinlich keine Fördergelder bekommen“, erklärt Seifried. Für Kita-Räume sehe die Stadt aktuell keinen Bedarf.

Engen ging mit Filtern voraus

Einen anderen Weg wählte Engen, dort sind bereits seit Wochen Luftfilter im Einsatz. 24 sind es insgesamt: 14 in der Grundschule und je fünf am Gymnasium und am Anne-Frank-Schulverbund, wie Bürgermeister Johannes Moser erklärt. Seit Mitte April sorgen die Geräte in der Grundschule für bessere Luft – und ein gutes Gefühl, wie Schulleiter Holger Laufer im Juli dem SÜDKURIER erklärte.

Helfen die vergleichsweise günstigen Geräte überhaupt?

Bezahlt wurden die Geräte vom Schulbudget und mit Mitteln, die das Land im Rahmen des Digitalpakts zur Pandemie-Bekämpfung bereitstellte. „Die beschafften Luftreiniger an den Engener Schulen haben mindestens einen H 13 Filter mit einem hohen Luftdurchlass und sollten grundsätzlich geeignet sein“, erklärt Bürgermeister Johannes Moser auf Nachfrage. Denn mitunter kam Skepsis auf, da die Geräte nur rund 500 Euro pro Stück gekostet haben – und nicht zwischen 3000 und 4000 Euro, womit beispielsweise Singen rechnet.

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Weitere Geräte soll es in Engen aber erstmal nicht geben, weil Lüften nach wie vor die einfachste und wirksamste Maßnahme sei. Das erklärt Moser nach Absprache mit den Schulleitungen. Er verweist auch auf die möglichen Kosten: Ministerpräsident Winfried Kretschmann habe Luftfilter besonders für die Klassen 1 bis 6 empfohlen. Allein die Räume für diese Klassenstufen auszustatten, würde in Engen eine Investitionssumme von rund 100.000 Euro bedeuten, sagt Moser.

Gottmadingen will weiter lüften

Auch Gottmadingen setzt weiter auf das vielseits empfohlene Lüften: „Mobile Luftreiniger sind in Ausnahmen sinnvoll. Die Stoßlüftung ist zu bevorzugen“, fasste Alexander Kopp vom Bauamt im technischen Ausschuss zusammen. Zu diesem Ergebnis kam er auch nach intensivem Austausch mit Singen. Kopp hat hochgerechnet, dass eine Vollausstattung die Gemeinde rund 248.000 Euro für ihre 67 Unterrichtsräume kosten würde. Dazu kämen jährliche Wartungskosten in Höhe von 26.500 Euro.

Angesichts solcher Summen kommen die Mitglieder des Gemeinderats zu dem Ergebnis, dass „mobile Geräte nur in konkret definierten Ausnahmefällen“ anzuschaffen seien. Ein solcher Fall ist ein Klassenzimmer in der alten Hebelschule. Dort lassen sich die Fenster nur eingeschränkt öffnen.

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Blick auf den Schulstart: Luftfilter werden keine Quarantäne vermeiden

Dass Luftfilter kein Allheil-Mittel für die Corona-Pandemie sind, mahnt Singens Bürgermeisterin Ute Seifried. „Wenn ein Fall in einer Klasse auftritt, muss sie in Quarantäne, da hilft auch kein Luftfilter. Wir sind deshalb der Auffassung, dass Lüften, Testen und Maske tragen die effektiveren Maßnahmen sind.“ Letztlich entscheide das Kultusministerium darüber, ob Schulschließungen mit Luftfiltern verhindert würden. Seifried persönlich hält aber nichts davon, Schulen wieder zu schließen.

Engens Bürgermeister Johannes Moser blickt optimistisch auf den Schulstart: Er gehe davon aus, dass es nach den Sommerferien im Präsenzbetrieb weiter geht.

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