Matthias Güntert und Isabelle Arndt

Sie wird langsamer, bleibt stehen, greift sich an den Kopf und weint. Eine Passantin versinnbildlicht die Emotionen vieler Singener an dem Tag, an dem die Scheffelhalle brannte. Im Lauf des Tages kommen viele von ihnen an die Brandstelle, unterhalten sich, teilen die Erinnerungen. Singen hat mit dem Brand am frühen Dienstagmorgen seine gute Stube verloren, den Ort für viele Feste und die Erinnerungen daran.

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Am Nachmittag ist die Feuerwehr abgezogen und ein Zaun hält die Passanten auf Abstand. Daran befestigt: Ein Häs und ein Brief der Poppele. „Du warst und bist ein Symbol für Freiheit, Freude, Zusammenhalt und Begegnung. Diese Erinnerungen kann uns keiner nehmen!“ steht da. Doch in all der Trauer blicken die Verantwortlichen auch nach vorne und erklären, wie es nach dem Brand weitergehen soll.

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Am Morgen danach steht nur noch die vordere Fassade des ewigen Provisoriums der Stadt. An den Seiten sind einige Wandteile umgestürzt, das Ende ist schon nicht mehr erkennbar. Rauchschwaden ziehen von den Schuttbergen gen Himmel. „Es sieht aus wie im Krieg“, sagt Abteilungskommandant Stefan Schüttler, als er mit Kommandant Andreas Egger um das Gebäude läuft. Oder besser: Um das, was davon noch übrig ist.

Tiefe Bestürzung bei OB Häusler

Viele Fragezeichen zum weiteren Vorgehen nach der Brandkatastrophe in der Scheffelhalle bleiben noch bestehen. Etwa zur Brandursache, wie Oberbürgermeister Bernd Häusler erklärte. Laut seiner Einschätzung werde es noch Tage dauern, bis es weitere Erkenntnisse von Polizei oder Staatsanwaltschaft gebe. Zu Spekulationen, die im Internet kursieren, wolle er sich nicht äußern.

Mit Drehleiter-Verstärkung aus Rielasingen-Worblingen haben 55 Feuerwehrleute die Flammen gelöscht.
Mit Drehleiter-Verstärkung aus Rielasingen-Worblingen haben 55 Feuerwehrleute die Flammen gelöscht. | Bild: Tesche, Sabine

Auch zum weiteren Vorgehen hinsichtlich Neubau hält sich der OB zurück. „Am heutigen Tag ist dies viel zu früh darüber zu diskutieren“, betonte Häusler. Er wolle das Thema zusammen mit dem Gemeinderat ruhig und sachlich angehen – ohne die Emotionen, die der plötzliche Verlust des Singener Wahrzeichens für jeden Bürger mit sich bringe. „Wir müssen diese Nachricht erst einmal verdauen, es herrscht tiefe Betroffenheit“, so OB Häusler weiter. Der Brand sei noch am Dienstagmorgen der Versicherung gemeldet worden. Auch dort rechne Häusler nicht mit schnellen Erkenntnissen.

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Die Zerstörung der Scheffelhalle ist für Oberbürgermeister Bernd Häusler ein herber Verlust. Er selbst verbinde mit der altehrwürdigen Scheffelhalle viele Erinnerungen. „Das ist alles einfach unfassbar“, so Häusler weiter.

Schon kurz nach Eintreffen der Feuerwehr brannte die Scheffelhalle lichterloh, wie Kommandant Andreas Egger sagt.
Schon kurz nach Eintreffen der Feuerwehr brannte die Scheffelhalle lichterloh, wie Kommandant Andreas Egger sagt. | Bild: Feuerwehr Singen

Auch Roland Frank, Leiter von Kultur und Tourismus Singen (KTS) und damit zuständig für Stadt- und Scheffelhalle, war noch am frühen Morgen an der Brandstelle. „Es ist dramatisch“, brachte er es mit seinen ersten Worten auf den Punkt. Wie es weitergehe? Flohmarkt und Kurse der Tanzschule Seidel könnten erstmal nicht stattfinden, erwiderte er trocken. „Wir wissen noch nicht, wie es weiter geht.“ Gegen den immateriellen Schaden sei der Rest fast zu vernachlässigen: „Da haben unzählige Generationen gefeiert, nicht nur an Fasnacht. Da haben in den 70er-Jahren bekannte Rockbands gespielt. Und jetzt ist alles weg.“

Wiederaufbau bis 2025?

Von einem Wiederaufbau träumt Peter Adrian Gäng, Vorsitzender des Fördervereins Freunde der Scheffelhalle. Mit dem Verlust der Halle sei der Vereinszweck keinesfalls erledigt, erklärte er: „Es kann nur unser Ziel sein, dass dort eine ähnlich schöne, neue Scheffelhalle gebaut wird.“ Dabei sei er sich bewusst, dass Mühlen langsam mahlen, man müsse sich in Geduld üben. Doch ein Wiederauferstehen der Halle zum 100. Jubiläum im Jahr 2025 ist für ihn nicht ausgeschlossen.

„Die ganze Stadt trauert um diese Halle“

Allein am Brandtag habe der Verein zehn neue Mitglieder gewonnen, aktuell sind es dann 160. „Die ganze Stadt trauert um diese Halle“, sagt er. Da hänge viel Herzblut dran – das gelte nicht nur für Singen, sondern für den gesamten Hegau. Von 2.30 bis 4 Uhr sei er am Brandort gewesen, danach habe er mit einigen betroffenen Singenern gesprochen: „Man ist nur noch fassungslos. Ich habe heute Nacht schon Rotz und Wasser geplärrt.“

Poppele-Zunft verliert ihre Heimat

Poppele-Zunftmeister Stephan Glunk beobachtete das Geschehen noch in der Nacht vom Stadtgarten aus mit Tränen in den Augen. Auch Stunden danach saß der Schock tief: „Es ist eine fürchterliche Katastrophe, die uns alle fassungslos macht.“ Die Scheffelhalle sei vor allem die Wochen vor und während der Fasnet etwa mit den beiden Bällen und der Kinderfasnet das Zuhause der Poppele gewesen. „Wir können uns aktuell nicht vorstellen, wo diese Veranstaltungen stattfinden sollen, wenn wir wieder Fasnet feiern dürfen“, so Glunk.

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Der Zunftmeister selbst sprach von einem Supergau für Singen. Denn viele Singener verbinden über Jahrzehnte ihre eigenen Erinnerungen mit der Scheffelhalle. „Mit der Zerstörung geht ein ganzes Stück Identifikation verloren“, betonte Glunk. Das Schöne der Scheffelhalle sei für ihn ihr einzigartiger Charme und das unverwechselbare Flair gewesen. „Es war eine alte aber schöne Halle mit einem dörflichen Charakter – und das meine ich nicht negativ“, so Glunk weiter. Die Zerstörung sei für ihn und die gesamte Zunft nach der abgesagten Fasnet 2021 der nächste Nackenschlag. Hanselevater Joachim Kania pflichtet seinem Zunftmeister bei: „Die Scheffelhalle wird durch den Brand auf einen Schlag aus dem Singener Vereinsleben gerissen.“

Das erste Konzert oder der erste Kuss? Erzählen Sie uns von Ihren Erinnerungen an die Scheffelhalle. Am besten in Wort und/oder Bild per Mail an singen.redaktion@suedkurier.de