Es hat für einige Erschütterungen gesorgt, als der Singener Neurochirurg Bahram Hashemi im Sommer 2021 seine Praxis geschlossen hat. Denn dadurch ist ein überregional wichtiger Teil der Singener Gesundheitsversorgung weggefallen – zumal der Arzt auch auf Honorarbasis am Singener Krankenhaus operiert hat. Seitdem läuft eine umfangreiche juristische Aufarbeitung.
Kürzlich hat das Konstanzer Landgericht geurteilt, dass der Arzt im Fall einer Patientin Operationen durchgeführt habe, die medizinisch gesehen gar nicht oder nicht im durchgeführten Umfang angezeigt gewesen seien (der SÜDKURIER berichtete). Einen der Eingriffe bewertete das Gericht in seinem Urteil, das der Redaktion vorliegt, als „sowohl fehlerhaft als auch rechtswidrig“ – eine sehr deutliche Einordnung.
Arzt und Krankenhaus wurden zur Zahlung von 60.000 Euro Schadenersatz verurteilt, den allerdings die Versicherung des Neurochirurgen allein übernommen hat. Hashemi selbst ist nach wie vor nicht für eine Stellungnahme zu erreichen, auch über einen seiner Anwälte ist eine Kontaktaufnahme nicht gelungen.
Operation ohne Einwilligung zählt als Körperverletzung
Kann das Urteil strafrechtliche Auswirkungen haben? Immerhin wird eine Operation, zu der ein Patient keine wirksame Einwilligung gegeben hat, laut dem „Deutschen Ärzteblatt“ nach laufender Rechtsprechung als Körperverletzung betrachtet. Bernhard Bense, Rechtsbeistand der Patientin im jetzigen Zivilverfahren, sieht daher auch starke Anhaltspunkte dafür, dass der Verdacht auf Körperverletzung besteht und die Staatsanwaltschaft weiter ermitteln sollte.
Dies werde jedoch zunächst nicht passieren, sagt Andreas Mathy, Staatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Konstanz. Das aktuelle Urteil sei bei seiner Behörde nicht auf offiziellem Wege bekannt geworden. Wenn sich Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Sachverhalte ergeben, gehe man davon aus, eine Nachricht vom Zivilgericht zu bekommen, erklärt er. Diese habe es bislang nicht gegeben. Frühere Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts des Betruges und der Körperverletzung, die unter anderem auf einem Gutachten aus dem Zivilverfahren fußten, hatte die Behörde nach einer umfangreichen Stellungnahme des Arztes im Februar eingestellt. An der damaligen Bewertung habe sich vorerst nichts geändert, sagt Mathy nun.
Krankenhaus hätte abrechnen müssen
Die Staatsanwaltschaft Konstanz ist aber in anderer Hinsicht mit Vorgängen rund um einen Singener Neurochirurgen befasst. In diesem Fall gehe es um den Anfangsverdacht des Abrechnungsbetrugs, erklärt eine Sprecherin. Demnach habe der Arzt als niedergelassener Arzt abgerechnet, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen hätten. Das Krankenhaus hätte die entsprechenden Eingriffe abrechnen müssen, so die Behördenvertreterin.
Diese Ermittlungen seien im März aufgrund eines Verfahrens vor dem Landgericht Konstanz in Gang gekommen, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft weiter. Vor dem Landgericht wurde auch im Zivilrechtsstreit zwischen dem Arzt und dem Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) verhandelt, in dem sich Hashemi gegen die Kündigung von Miet- und Kooperationsverträgen durch das Krankenhaus wehrt. Im Februar fand dazu vor dem Landgericht ein Gerichtstermin statt, bei dem entsprechende Fälle mit Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung entscheidend waren.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Hashemis Praxis Leistungen abgerechnet habe, die das Krankenhaus hätte abrechnen müssen. Das hat nun offenbar zu den neuen Ermittlungen geführt.
Uneinig über Kündigung der Zusammenarbeit
Die rechtliche Auseinandersetzung zwischen Bahram Hashemi und dem GLKN geht unterdessen weiter. Das Landgericht Konstanz gab in erster Instanz dem Krankenhaus Recht, die Kündigung der Kooperation wurde als korrekt eingestuft und der Arzt musste die Praxis räumen. Der Vorgang liege nun seit April beim Oberlandesgericht Karlsruhe, wie Mirja Poenig, Richterin und Pressesprecherin des Landgerichts Konstanz, auf Anfrage schreibt. Der Kläger, also Bahram Hashemi, habe Berufung eingelegt. Seine Anwältin in diesem Fall, Tatjana Wolf, hatte diese bereits früher gegenüber dem SÜDKURIER angekündigt. Nun darf sich das Oberlandesgericht Karlsruhe als nächste Instanz mit der Sache beschäftigen.
Wie eng die Verbindungen von Kooperationsarzt und Krankenhaus einmal waren, verdeutlicht ein Detail: Im Briefkopf eines GLKN-Schreibens, das aus dem Jahr 2017 datiert, ist Hashemi als Leiter der Wirbelsäulenchirurgie aufgeführt. Wie GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber nun berichtet, habe Hashemi seine früheren Praxisräume im April dieses Jahres auch freigegeben, die in einem Gebäude des Singener Krankenhauses liegen. Von außen ist kein Hinweis auf die Praxis mehr zu sehen. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.