Die Staatsanwaltschaft Konstanz hat Ermittlungen gegen den Neurochirurgen Bahram Hashemi eingestellt. Dies sagte Hashemis Anwalt Sylvester Kraemer kürzlich auf Anfrage. Staatsanwalt Andreas Mathy, der auch Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Konstanz ist, bestätigte, dass Ermittlungen gegen einen im Bereich der Neurologie tätigen Arzt eingestellt worden seien, wie üblich ohne einen Namen zu nennen. Kraemer ist ansonsten sehr zurückhaltend mit Informationen für die Öffentlichkeit. Auch sein Mandant äußere sich nicht, so der Anwalt.
Worum geht es? Hashemi hat im Juli 2021 seine Praxis in den Räumen des Singener Krankenhauses aufgegeben, nachdem das Krankenhaus den Kooperationsvertrag mit ihm gekündigt hatte (siehe Kasten). Durch die Schließung der Praxis fiel ein wichtiger Baustein in der gesundheitlichen Versorgung der Menschen weit über den Hegau hinaus weg. Die ebenfalls in Räumen des Singener Krankenhauses liegende Praxis von Aram Bani, der dort weiterhin als kooperierender Arzt operiert, hat sich nach eigenen Angaben für die Versorgung vergrößert.
Eine Praxisschließung, die für Aufsehen sorgte
Der Vorgang hat außerdem für Aufsehen gesorgt, weil im Vorfeld ein Neurochirurg des Bundeswehrkrankenhauses in Ulm Hashemi in einem Gutachten sogenanntes Diagnosetuning vorgeworfen hat – im Klartext: Der Arzt soll Patienten auf dem Papier kränker gemacht haben, als sie sind, um schwerere und teurere Eingriffe abrechnen zu können. Das Gutachten, das der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) in Auftrag gegeben hat und das in einer Version mit wenigen geweißten Passagen dem SÜDKURIER vorliegt, spricht von „systematischer absichtlicher Fehlkodierung“ und „bewusster Fälschung von Operationsberichten“. Das Motiv laut dem Gutachter: Gewinnmaximierung.
GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber fügte bei einem früheren Gespräch eine weitere Facette hinzu. Hashemi soll Vorwürfe gegen andere mit dem Krankenhaus verbundene Ärzte erhoben haben, die sich am Ende als unhaltbar erwiesen hätten. Zu diesen persönlichen Vorwürfen gegen Kollegen gibt es bislang zwar keine von mehreren Seiten unabhängig bestätigte Informationen. Sie hätten aber schlussendlich die Vertrauensbasis zerstört, er habe die Verträge des GLKN mit dem Arzt gekündigt, sagte Sieber. Die Vorgänge rund um die Schließung der Praxis beschäftigen seit geraumer Zeit die Juristen.
Was die strafrechtliche Seite angeht, kann Hashemi nun aufatmen. Die Einstellung der Ermittlungen sei rechtlich gesehen wie ein Freispruch, sagt Anwalt Kraemer: „Von einem Mandanten fällt dann immer eine große Last ab.“ Der Anfangsverdacht, dem die Staatsanwaltschaft Konstanz nachging, sei der des Betrugs und der Körperverletzung gewesen, sagt Behördensprecher Mathy. Vorgelegen haben demnach das Gutachten des Krankenhauses und eines aus einem anderen Verfahren.
Um Betrug sei es gegangen, weil Krankenkassen geschädigt worden sein könnten, erklärt Mathy. Für die Strafverfolger war der Vorwurf des Diagnosetunings aber offenbar nicht so klar wie für den Gutachter, sie schlossen sich dem nicht an. Der mögliche Anfangsverdacht der Körperverletzung habe sich daraus ergeben, dass bei einer medizinisch nicht angezeigten Operation womöglich die Einwilligung eines Patienten unwirksam sei, erklärt Mathy. Sei das der Fall, zähle ein solcher Eingriff als Körperverletzung. Diesen Verdacht hat offenbar das zweite vorliegende Gutachten erregt. Wenn man dem Beschuldigten aber nicht nachweisen könne, dass er wissentlich eine nicht indizierte Operation vorgenommen hat, sei dieser Vorwurf vom Tisch. Das war aus Sicht der Strafverfolger nun offenbar der Fall.
Staatsanwalt bezeichnet Ermittlungen als umfangreich
Die Ermittlungen bezeichnet Mathy als umfangreich. Der bearbeitende Staatsanwalt habe zwar keine Akten beschlagnahmt, aber Akten ausgewertet, die vom Beschuldigten zur Verfügung gestellt worden seien. Weitere Zeugen seien nicht gehört worden. Aber der Beschuldigte habe eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben. Rechtsbeistand Sylvester Kraemer, der die Stellungnahme eingereicht hat, bestätigt dies. Mathy: „Er konnte darin glaubhaft klarmachen, dass er in guter Absicht gehandelt hat.“ Das Element des Vorsatzes, das für Betrug notwendig sei, sei damit weggefallen. Der Beschuldigte habe die Vorwürfe nachvollziehbar entkräften können. Mathy sagt aber auch, dass die Staatsanwaltschaft keine medizinische Bewertung vorgenommen habe: „Wir haben nicht geklärt, ob medizinisch nicht notwendige Operationen gemacht wurden.“
Die juristische Aufarbeitung der Vorgänge dürfte indes noch nicht abgeschlossen sein. Nach SÜDKURIER-Recherchen ist bei der Staatsanwaltschaft noch mehr im Zusammenhang mit demselben Arzt bekannt. Und nach SÜDKURIER-Informationen laufen zivilrechtliche Verfahren. Ob sich die Zivilgerichte von der Einstellung beeindrucken lassen, sei nicht gesagt, erklärt Staatsanwalt Mathy, Zivilrichter könnten die Fälle auch anders sehen. Und Hashemis Rechtsbeistand Kraemer behält sich vor, weitere rechtliche Schritte einzuleiten. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.