Es sind Szenen, die man eher aus Katastrophenfilmen kennt: Eine Mutter sucht mit Tränen in den Augen nach ihrem Sohn – doch als sie ihn endlich gefunden hat, sagt dieser nur: „Mama, mir geht es doch gut.“ Danach schließt die Mutter ihren Sohn in die Arme. Anlass für solche Szenen ist am Mittwoch ein Großeinsatz von Feuerwehr und Rettungskräften an der Zeppelin-Realschule in Singen.

Mehrere Schüler hätten laut Schulleiter Johannes Briechle in einem Flügel der Zeppelin-Realschule plötzlich über Husten geklagt. „Da die Lage nicht einschätzbar war, haben wir die Feuerwehr alarmiert“, so Briechle. Um 10.37 Uhr ging der Notruf auch bei der Polizei ein, wie die Pressestelle schildert.

Ein Hubschrauber ist vorsichtshalber angerückt, konnte aber ohne Patient am Bord wieder fliegen.
Ein Hubschrauber ist vorsichtshalber angerückt, konnte aber ohne Patient am Bord wieder fliegen. | Bild: Matthias Güntert

80 bis 90 Schüler und Lehrer klagten über Probleme beim Atmen, wie Katrin Rosenthal als Sprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz schildert. Drei Schülerinnen und Schüler sowie eine Lehrkraft seien so verletzt worden, dass sie ins Krankenhaus gebracht wurden – allerdings nicht mit dem zwischenzeitlich auf einer nahen Wiese gelandeten Rettungshubschrauber, der wieder abgeflogen ist. Die anderen Betroffenen wurden in der Nähe versorgt, nachdem die Schule mit 600 Schülern vorsichtshalber evakuiert wurde.

Hier befindet sich die Zeppelin-Realschule in Singen.
Hier befindet sich die Zeppelin-Realschule in Singen. | Bild: Maptiler/OSM

Über 200 Helfer innerhalb kurzer Zeit vor Ort

Welcher Stoff diese Reaktionen ausgelöst hat, ist noch unklar: Laut Oberbürgermeister Bernd Häusler, der kurz nach der Alarmierung ebenfalls vor Ort war, sei der reizende Stoff in einer Toilettenanlage aufgetreten. Um welchen Stoff es sich dabei handle und woher er gekommen sei, könne man aktuell nicht sagen. Das bestätigte vor Ort Stefan Tröndle, Pressesprecher der Singener Feuerwehr.

Blaulicht-Organisationen sprechen sich ab: Neben Polizei und Feuerwehr sind auch DRK und THW vor Ort.
Blaulicht-Organisationen sprechen sich ab: Neben Polizei und Feuerwehr sind auch DRK und THW vor Ort. | Bild: Matthias Güntert

Seine Kollegen waren bis gegen 16 Uhr damit beschäftigt, dem Phänomen auf den Grund zu gehen – und Kollegen sind zahlreich: Neben der Singener Feuerwehr seien auch die Feuerwehren aus Rielasingen-Worblingen und Konstanz im Einsatz. Tröndle sprach von 120 Einsatzkräften der Feuerwehr und 90 Rettungskräften. „Da ist alles unterwegs, was irgendwie verfügbar ist.“

Dutzende Rettungswagen stehen an der Rielasinger Straße bereit.
Dutzende Rettungswagen stehen an der Rielasinger Straße bereit. | Bild: Matthias Güntert

Wie ernst die Lage an der Zeppelin-Realschule war, zeigte sich nicht nur durch die massive Präsenz von Blaulicht-Organisationen: Der Bereich um die Zeppelin-Realschule war weitläufig abgesperrt. Dennoch baten die Polizeibeamte Passanten und Schaulustige, den Bereich noch großräumig zu meiden. „Wir wissen noch nicht, was es ist“, sagte ein Polizist.

Suche nach der Ursache dauert an

Entgegen erster Meldungen geht die Polizei nicht mehr von Reizgas aus. Laut Pressestelle handele es sich um einen reizenden Stoff. Feuerwehrsprecher Stefan Tröndle bestätigte dies, denn typische Symptome bei Reizgas wie tränende Augen seien nicht aufgetreten. „Die genaue Struktur steht noch nicht fest, das ergeben jetzt die Messungen im Inneren“, sagte ein Polizeisprecher vor Ort.

Reizgas-Notfall an Zeppelin-Realschule in Singen: Rettungskräfte sind im Großaufgebot vor Ort.
Reizgas-Notfall an Zeppelin-Realschule in Singen: Rettungskräfte sind im Großaufgebot vor Ort. | Bild: Matthias Güntert

Die Feuerwehr hatte vor dem Gebäude zwei Dekontaminations-Stellen aufgebaut. „Eine dieser Dekontaminations-Stellen ist für Lehrer und Schüler, die andere für die Einsatzkräfte“, so Tröndle. Von dort ging es für Einsatzkräfte in Spezial-Schutzanzügen ins Innere der Schule. Dort werde geprüft, um welchen Reizstoff es sich handle – und wo er herkomme. Wie kräftezehrend der Einsatz ist, zeigte sich daran, dass die Feuerwehrleute immer wieder Pausen einlegen müssen.

Am Nachmittag erklärt Polizeisprecherin Katrin Rosenthal, dass es bislang keine Hinweise auf einen möglichen Verursacher gebe. Ein Experiment an der Schule könne ausgeschlossen werden, ein ganz schlechter Scherz sei aber denkbar. Die Polizei habe die Ermittlungen übernommen.

Eltern zwischen Schreckmoment und Erleichterung

Laut Bürgermeisterin Ute Seifried war in der Bildungsakademie eine Informationsanlaufstelle für besorgte Eltern eingerichtet. „Wir versuchen, Ordnung reinzubekommen“, sagte sie. Die Evakuierung sei laut Schulleiter Johannes Briechle indes reibungslos abgelaufen. Schüler und Lehrkräfte seien ein eingespieltes Team bei solchen Szenarien. „Wir proben Brandfälle an unserer Schule zweimal im Jahr“, so Briechle. Die nächste Übung wäre am Dienstag geplant gewesen – doch die könne man sich nun ja sparen.

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Auch von den Eltern gibt es Lob für das professionelle Vorgehen von Lehrern und Rettungskräften. Etwa von CDU-Stadtrat Jürgen Schröder, der zwei Kinder auf der Zeppelin-Realschule hat. „Hervorragende Arbeit“, attestiert er ihnen. Für Schröder selbst sei es ein Schreckmoment gewesen, als die Nachricht sich verbreitet hatte.

Wie es weiter geht: Gebäude ist freigegeben

Schulleiter Johannes Briechle ist am späten Nachmittag schon wieder in seiner Schule anzutreffen, er bespricht mit Konrektor Florian Kunemann das weitere Vorgehen. Und das sieht nur auf den ersten Blick Schule nach Plan vor: Am Donnerstag, 4. Mai, startet zur zweiten Stunde um 8.40 Uhr wieder der Unterricht. Briechle rechnet allerdings damit, dass die ersten Stunden erstmal von Gesprächen geprägt sein werden: „Das macht was mit den Kindern, wenn sie Hubschrauber und so viele Einsatzkräfte sehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir für sie da sind.“

Auch einige Stunden nach dem Ereignis findet er lobende Worte für die Schulgemeinschaft: Allesamt hätten sehr besonnen und ruhig reagiert, nachdem die erste Frage nach einer Übung verneint wurde. „Das war Ernst, wir hatten Glück im Unglück“, so der Schulleiter. Das Gebäude sei seit dem Nachmittag wieder freigegeben, groß aufräumen müsse man darin nicht.

Die Zeppelin-Realschule in Singen ist am 3. Mai abgesperrt, zahlreiche Rettungskräfte sind im Einsatz.
Die Zeppelin-Realschule in Singen ist am 3. Mai abgesperrt, zahlreiche Rettungskräfte sind im Einsatz. | Bild: Matthias Güntert

Straßen waren bis Nachmittag gesperrt

Aus Sicherheitsgründen waren die Straßen rund um die Schule bis circa 16 Uhr gesperrt. Dazu gehörten laut Polizeisprecherin Katrin Rosenthal die Rielasinger Straße, die Lange Straße und die Worblinger Straße sowie die Bahnhofstraße. Eine Umfahrung des Einsatzbereichs war demnach über die Lange Straße in die Georg-Fischer-Straße möglich.

Am Tag danach gibt es das Update: Die Spurensuche beschäftigt sogar Spezialisten in Mannheim. Und bei den Verletzten gibt es gute Nachrichten.