Eng geht es zu im Versammlungsraum der Singener Feuerwehr. Stuhl um Stuhl füllt sich der Saal mit adrett uniformierten Männern und einigen Frauen. Ja, die Frauenquote lässt mit sieben Prozent auch in Singen noch zu wünschen übrig, wie der stellvertretende Kernstadt-Kommandant Stefan Tröndle einräumen muss. „Immerhin sind wir besser als der Landesdurchschnitt mit fünf Prozent.“
Tröndle hat die Zahlen für die Hauptversammlung aufbereitet. Aufmerksam folgen die Mitglieder seinen Ausführungen. 68 von 104 sind an diesem Abend anwesend. Kommandant Stefan Schüttler, auch verantwortlich für den Bevölkerungsschutz, hätte sich über noch mehr Teilnehmer gefreut. Aber die aktiven Feuerwehrmänner und -frauen sind in ihrer Freizeit unterm Jahr schon reichlich gefordert, wie die Berichte zeigen sollen.
459 Einsätze der städtischen Wehr vermeldet Kommandant Stefan Schüttler für 2022. Der Kommandant der Gesamtwehr, Mario Dutzi, rechnet den Kollegen der Kernwehr sogar 497 Einsätze an. Dabei habe sich der seit vielen Jahren geforderte Standort Süd, der im Juli 2022 in Betrieb ging, schon jetzt bewährt, weil sich sowohl die Rüstzeiten als auch die Anfahrtswege verkürzten. Viele Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr arbeiteten in den Betrieben in der Südstadt und seien dadurch schneller in der Wache.

Ein kleiner Wettbewerb zwischen Südstadt und Kernstadt sei fruchtbar, erklärte Schüttler. „Er birgt aber auch das Risiko der Spaltung der Wehr. Das wollen wir unbedingt vermeiden.“ Umso wichtiger sei die Kameradschaftspflege sowie die Ausbildungswochenenden, welche die Mitglieder zusammenschweißen.
Fortbildung wird zur Mangelware
Während der Nachwuchs mit Unterstützung des Fördervereins aus den eigenen Reihen der Wehr geschult wird, sind die höheren Dienstgrade mit Verantwortung auf die Ausbildung in der Landesfeuerwehrschule angewiesen. Doch hier beklagen Stefan Schüttler und Mario Dutzi den seit Jahren bestehenden Mangel an Fortbildungsplätzen. Ein Zustand, der eine sehr weitsichtige Planung erfordere.
Umso größer war die Freude über hochrangige Beförderungen innerhalb der städtischen Wehr nach bestandenen Prüfungen. Stolz nahmen die Absolventen ihre Urkunden für die neuen Dienstgrade vom Feuerwehrmann, Ober- und Hauptfeuerwehrmann, vom Löschmeister und Oberlöschmeister bis hin zum Hauptlöschmeister entgegen. Rüdiger Grundmüller gab nach 15 Jahren unter großem Applaus sein Amt als stellvertretender Zugführer des dritten Zuges an Fabian Grundmüller ab.
Großeinsätze bewegen die Feuerwehrleute
Wie wichtig es für den Schutz der Bürger ist, dass die Abläufe bei der Feuerwehr ganz genau durchgetaktet und organisiert sind, schilderte Stefan Schüttler anhand dreier Großbrände im vergangenen Jahr. Da war zum einen der Vollbrand der Friedenskirche mit Nebengebäude im März 2022, bei dem sich bis heute der Verdacht auf Brandstiftung nicht bestätigt hat. Oder der durch Funkenflug entstandene Traktorbrand auf einem Erdbeerfeld im Römerziel bei extremer Trockenheit im Mai. Im Juli musste die Feuerwehr in der Innenstadt 23 Bewohner aus ihren Wohnungen retten, weil die Fluchtwege durch brennende Mülleimer versperrt waren.

Und alle haben den Großbrand in der Singener Nordstadt noch in Erinnerung, bei dem ein Wohngebäude und eine kleinere Wohnung total zerstört wurden und die Feuerwehr ein Übergreifen der Flammen auf die Nachbargebäude verhindert hat.
Brandmeldeanlagen halten Feuerwehr auf Trab
Doch längst geht es bei der Feuerwehr nicht mehr alleine um die Brandbekämpfung. Weil mittlerweile über 100 Gebäude mit automatischen Brandmeldeanlagen ausgestattet sind, werde die Wehr auch häufiger alarmiert. Häufig löst sich der Einsatz dann in Wohlgefallen auf, weil es sich um einen Fehlalarm handelt. Spitzenreiter sei das Singener Krankenhaus, erklärt Stefan Tröndle.
57 Prozent der Einsätze finden nachts oder an Wochenenden statt; 43 Prozent unter der Woche zwischen 7 und 17 Uhr. 96,3 Prozent der Einsätze betrafen die Kernstadt. Davon handelte es sich bei 19 Prozent tatsächlich um Brände. Im Durchschnitt dauerten die Einsätze mit durchschnittlich elf Kräften 70 Minuten. 123 Menschen wurden gerettet. „Bei 14 kam jede Hilfe zu spät“, sagt Tröndle.
Lebensretter waren in 123 Fällen erfolgreich
Mario Dutzi hatte eine Erklärung dafür: „In Singen leben mittlerweile fast 50.000 Menschen, darunter viele Ältere alleine in ihren Wohnungen.“ Diese könnten in hilflose Situationen geraten. „Ich brauche euch alle“, warb Dutzi für eine hohe Beteiligung am Ehrenamt. Damit will er kritischen Stimmen vorbeugen, die sich gegen die Verstärkung des hauptamtlichen Personals wenden. Mit der wachsenden Stadt wachsen auch die Aufgaben, so die Botschaft des Kommandanten der Singener Gesamtwehr.
Neubau soll 2023 endlich konkreter werden
Dutzi wie auch Schüttler gingen auch auf den geplanten Neubau der Feuerwache ein. 300.000 Euro stünden 2023 für die Planung zur Verfügung. Bis Mitte des Jahres soll das Raumkonzept erarbeitet sein, um anschließend einen Architekturwettbewerb einleiten zu können. „Die Entscheidung, dass wir in der Hauptstraße bauen, ist gefallen“, bekräftigte Dutzi. Die Kosten schätzt er auf rund 20 Millionen Euro.

Darüber hinaus benötigt die Wehr Material und Fahrzeuge für den laufenden Betrieb. Beschaffungsprobleme bereiten den Verantwortlichen jedoch Sorgen. So dauert die Beschaffung eines Mannschaftstransportwagens seit seiner Bestellung mittlerweile zweieinhalb Jahre.