Noch ist Marcus Röwer nicht als Sozialbürgermeister in Singen tätig. Obwohl er kürzlich bereits vereidigt wurde, wird der scheidende Bürgermeister Volkertshausens erst ab September in dieser Rolle tätig sein. Einen Singener Termin, der künftig in seinen Zuständigkeitsbereich fällt, konnte er jüngst aber dennoch absolvieren. Gemeinsam mit der Grünen-Landtagsabgeordneten Saskia Frank war er bei Pro Familia in Singen zu Gast, um dort mehr über die Schwerpunkte der Arbeit der Familienberatungsstelle zu lernen.

Der Besuch fand im Rahmen der Reihe Seitenwechsel statt, bei der der Paritätische Wohlfahrtsverband Politikern die Gelegenheit gibt, soziale Einrichtungen kennen zu lernen – auch im Kreis Konstanz.

Einblicke in neue Themen

Mit der Aktion möchte der Kreisverband der Paritätischen Politikerinnen und Politikern den Alltag und Wert der sozialen Arbeit vor Ort vermitteln. Elf Termine hatten die Organisatoren rund um Karin Seng, Leiterin der Regionalgeschäftsstelle Bodensee-Oberschwaben, im ganzen Landkreis angeboten. Bei Pro Familia bekamen Frank und Röwer auch die Gelegenheit zu einer Hospitation.

„Ich bin beeindruckt, wie gut vorbereitet die Klientin bei der Sozialberatung war“, sagte Saskia Frank, nachdem sie bei der Sozialberatung einer Schwangeren hospitiert hatte. Auch Marcus Röwer zeigt sich beeindruckt: „Ich hatte bisher noch wenig Kontakte mit Themen, die Pro Familia bearbeitet, und wollte mehr lernen über die Abläufe und Hintergründe Ihrer Arbeit“, erklärt er sein Interesse an der Aktion.

Schweigepflicht gilt auch für Sozialarbeiter

Die Arbeit bei Pro Familia haben Julia Cerisuelo Iserte und Nadine Schäfer vorgestellt. Die Organisation ist seit vielen Jahren in den Schulen präsent und bietet auch in Kitas oder für Behinderte Einheiten zur sexuellen Bildung an. „Wir sind meist schon zu Schuljahresbeginn ausgebucht“, berichtet Cerisuelo Iserte. Allerdings seien manche Eltern verunsichert und es komme vor, dass einzelne Kinder nicht in die Schule kommen, wenn Pro Familia angekündigt ist, ergänzt Nadine Schäfer.

Ein Großteil der Angebote zur sexuellen Bildung findet in der vierten Jahrgangsstufe statt. Inzwischen gibt es auch Veranstaltungen zu „Medien und Sexualität“ oder „Homofeindlichkeit“. „Für die Kinder sind diese Einheiten sehr wertvoll, denn wir stehen unter Schweigepflicht und kommen auch nur einmal“, so Schäfer. Deshalb seien die Kinder auch sehr offen.

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Diskutiert werde schon seit einigen Jahren, ob es noch zeitgemäß sei, Mädchen und Jungen in Gruppen zu trennen. „Aktuell unterscheiden wir in männliche und weibliche Körper – und die Kinder können sich der Gruppe zuordnen, der sie sich zugehörig fühlen“, erläutert Julia Cerisuelo Iserte.

Fehlende Kita-Plätze lassen werdende Eltern nachdenklich werden

Wie eng Kindergartenplätze und Schwangerschaftsberatung zusammen gehören, wurde bei dem Termin ebenfalls deutlich. Wegen der teils schlechten Versorgung mit Kitaplätzen seien manche Frauen unsicher, wenn sie schwanger werden, so Cerisuelo Iserte. Man habe außerdem festgestellt, dass Männer aus finanziellen Gründen oft nicht mehr die Partnermonate nehmen. Die Partnermonate belohnen Eltern, die beide die Elternzeit nutzen und so die Erziehung des Kindes unter sich aufteilen wollen, mit zwei zusätzlichen Monate Elterngeld. Aber um Partnermonate zu bekommen, muss ein Elternteil beruflich kürzer treten.

Es ist ein Themenfeld, das Röwer künftig mehr beschäftigen wird. In Singen bekommen zurzeit nicht alle Kinder über drei Jahren einen Kitaplatz, trotz Rechtsanspruch. Die genauen Zahlen wie viele Plätze fehlen werde es aber erst am Donnerstag, 24. Juli, im zuständigen Gemeinderatsausschuss geben. Dabei gilt der Fachkräftemangel als größtes Problem.

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Mit dem Programm „Direkteinstieg Kita“, bei dem Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung eine verkürzte Ausbildung machen können, um danach in der Kita zu arbeiten, soll gegengesteuert werden. Das laufe gut, sagt Saskia Frank.

Keine Anlaufstelle für Schwangerschaftsabbruch

Die Schwangerschaftskonfliktberatung ist ein weiterer Arbeitsbereich der Beratungsstelle. „Wir machen uns gerade Gedanken um die Versorgungslage im Landkreis Konstanz“, so Julia Cerisuelo Iserte. Aktuell müssen Frauen, die einen chirurgischen Schwangerschaftsabbruch machen wollen, in weiter entfernte Kliniken wie Tuttlingen, Friedrichshafen oder Albstadt gehen, da ein Arzt aus Engen nur noch den medikamentösen Abbruch anbiete.

Nur Frauen, die in Konstanz wohnen, könnten einen chirurgischen Abbruch in der Klinik Konstanz machen lassen. Dieser Fakt ließ Saskia Frank aufhorchen: „Das müssen wir unbedingt im Kreistag ansprechen“. Die Pro Familia Beratungsstelle sei bei diesem Thema aber auch mit der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises, Petra Martin-Schweizer, in Kontakt, betont Cerisuelo Iserte.