Mit Hubschrauber ist noch kein Musiker beim Hohentwielfestival gelandet, doch manche Bandmitglieder lassen sich gerne einzeln in der Luxus-Limousine auf den Berg kutschieren. Das einzige Mal, dass ein Hubschrauber wirklich Thema war, sei gewesen, als ein Paar nach dem Burgfest auf Abwegen war – doch dann musste es doch über Nacht ausharren und am nächsten Tag von Höhenrettern geholt werden. Es sind Erinnerungen wie diese, die Dieter Bös und Roland Frank ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.

Beide sind schon seit Jahrzehnten mit dem Hohentwielfestival verbunden – Bös als Veranstalter erst mit Koko, jetzt der Firma Kokon, und Frank als Geschäftsführer der Kultur und Tagung Singen. In dieser Zeit hat sich das Festival ganz schön gewandelt.

Aus Jazz wird zunehmend Rock und Pop

Wer sich mit der Historie des Festivals beschäftigt, landet schnell bei den Größen der Jazz-Musik: Miles Davis war 1990 in Singen, zwei Jahre später folgte Ray Charles. Namen, die bis heute klingen. Zu verdanken ist das dem damaligen Kulturamtsleiter Walter Möll. Doch zur Jahrtausendwende änderte sich der Fokus: mit der Zusammenarbeit mit Koko kamen ab 1998 Künstler wie Chris de Burgh, Helge Schneider und Status Quo.

1993 stand die Bühne noch auf der anderen Seite der Karlsbastion und das Publikum blickte nicht in die Landschaft, sondern auf die ...
1993 stand die Bühne noch auf der anderen Seite der Karlsbastion und das Publikum blickte nicht in die Landschaft, sondern auf die Burgruine. | Bild: SK-Archiv

Nicht nur die Bühne wechselte ihren Ort: Statt nach dem Tunnel direkt links steht sie seit Jahren mit dem Rücken zur Landschaft, sodass das Publikum den Blick schweifen lassen kann. Auch die Künstler auf der Bühne änderten sich und spielten weniger Jazz, mehr Pop, Rock und auch mal Hip-Hop. „Vielleicht ist die Zeit der Jazz-Weltstars auch vorbei“, sagt Roland Frank heute.

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Auflagen werden immer aufwändiger

Als Walter Möll ihn damals angefragt habe, habe er direkt gewusst: Für ein Konzert lohnt es sich nicht, es müssen vier sein, erinnert sich Bös. Denn der Aufwand sei groß und werde immer größer. „Es ging immer schon darum, dass die Leute sicher hoch und runter kommen“, sagt Dieter Bös zum Thema Sicherheit. Doch nach der Loveparade 2010, bei der in Duisburg 21 Menschen starben, sei es amtlich. „Bei Fluchtwegen macht man keine Kompromisse mehr“, ergänzt Frank.

Die Scorpions lockten 2009 besonders viele Besucher an. Heute werden keine 3800 Tickets mehr für einen Abend verkauft.
Die Scorpions lockten 2009 besonders viele Besucher an. Heute werden keine 3800 Tickets mehr für einen Abend verkauft. | Bild: SK-Archiv

Auch das Bewusstsein der Menschen habe sich gewandelt: „Früher war es eine gewisse Romantik, wenn man eng beeinander stand“, erklärt er, doch zuletzt sei Bewegungsfreiheit viel wichtiger geworden. Daher sind die Zeiten, als über 4000 Menschen auf dem Hohentwiel den Konzerten gelauscht haben, vorbei. „Wir haben eine Grenze von 3400 gesetzt“, so Bös. Das hat Einfluss auf die Ticketpreise – dabei sollen die nicht zu hoch sein, finden sowohl Dieter Bös als auch Roland Frank.

Preis hat sich verdoppelt, doch es gibt eine Grenze

Um die Jahrtausendwende haben die Tickets noch 30 bis 40 Euro gekostet, schätzt Roland Frank. Für die nächsten Konzerte etwa von Bap oder Anastacia sind es zwischen 59,90 und 69,95 Euro. Und Dieter Bös schließt nicht aus, dass auch mal über 100 Euro fällig werden – denn den Künstlern sei relativ egal, dass es eine besonders schöne Location ist, die viel Arbeit macht. „Auf manche Künstler muss man dann verzichten. Ich möchte keine 200 Euro pro Ticket verlangen“, sagt der erfahrene Konzertveranstalter.

Roland Frank und Dieter Bös veranstalten seit der Jahrtausendwende die Konzerte des Hohentwielfestivals – Roland Frank seitens der ...
Roland Frank und Dieter Bös veranstalten seit der Jahrtausendwende die Konzerte des Hohentwielfestivals – Roland Frank seitens der Stadt, Dieter Bös erst mit Koko und nun Kokon. Gemeinsam erinnern sie sich an wilde Geschichten. | Bild: Arndt, Isabelle

Es gebe übrigens auch keinen Rabatt, wenn Künstler mehrmals gebucht werden und beispielsweise im einen Jahr in Singen und im nächsten in Markdorf auftreten, widerspricht Bös einem Mythos.

Ein Konzert musste abgebrochen werden

Wirklich passiert sei bei all den Konzerten übrigens noch nie etwas. Der einzig wirklich kritische Moment war 2017, als das Konzert mit Amy Macdonald kurz vor Beginn abgebrochen werden musste. Die Vorband hatte da schon gespielt, doch dann kamen dunkle Wolken. ‚Wir hatten eine klare Unwetterwarnung. Wir mussten die Menschen evakuieren‘, erklärte Frank damals. Das lief ohne Zwischenfälle. „Sonst hatten wir unverschämtes Wetterglück“, so Roland Frank. „Das meiste, was da oben passiert, sind Bienen- und Wespenstiche.“

3200 Besucher wollten beim Hohentwielfestival 2017 die schottische Sängerin Amy Macdonald erleben. Wegen einer schweren Unwetterwarnung ...
3200 Besucher wollten beim Hohentwielfestival 2017 die schottische Sängerin Amy Macdonald erleben. Wegen einer schweren Unwetterwarnung musste das Konzert abgesagt werden. | Bild: Tesche, Sabine

Außerdem müssten sie immer wieder Leute vertreiben, die es sich im Naturschutzgebiet gemütlich machen, um kostenlos der Musik zu lauschen. „Die Leute haben da auch schon gegrillt, dann mussten wir mit der Feuerwehr kommen“, erinnert sich der KTS-Geschäftsführer. Denn der Druck, die Auflagen des Regierungspräsidiums zu erfüllen, werde immer größer. Und die Auflagen sind streng, unter anderem weil Natur- und Denkmalschutz eine Rolle spielen.

Joe Cocker war 2002 auf dem Hohentwiel und einer der Höhepunkte in der Festivalgeschichte.
Joe Cocker war 2002 auf dem Hohentwiel und einer der Höhepunkte in der Festivalgeschichte. | Bild: SK-Archiv/Christel Rossner

Die persönlichen Favoriten sind rockig – und überraschend

Wenn man Dieter Bös und Roland Frank nach ihren persönlichen Favoriten der vergangenen Jahrzehnte fragt, sind es nicht die Scorpions, die mit dem „Wind of Change“ unvergesslich sind. Es sind die Rocker von Deep Purple, die nach Hits wie „Smoke on the Water“ bis heute touren. Es sind Joe Cocker (“Der hat eine Wahnsinns-Stimme“, Roland Frank) und Anastacia, weil sie ein wahrer Weltstar sei.

Deep Purple begeisterte 2014 beim Hohentwielfestival in Singen.
Deep Purple begeisterte 2014 beim Hohentwielfestival in Singen. | Bild: Tesche, Sabine

Dieter Bös nennt auch Zaz, denn bei ihrem Konzert 2013 sei ein wunderschöner, großer Mond zu sehen gewesen. Und Runrig war 2004 und 2013 zu Gast, die schottische Band passe laut Bös gut zur Burg.

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Es habe auch die ein oder andere Enttäuschung gegeben, räumt Bös ein. Namen will er nicht nennen. Doch seit er in Konstanz mal erlebte, dass ein Künstler schon nach 40 Minuten aufhörte, versuche er in den Verträgen festzuhalten, dass mindestens 90 Minuten gespielt wird. So sei es auch bei Joe Cocker gewesen: „Manchmal muss man mit eineinhalb Stunden auskommen“, sagt Bös.

Dieses Jahr dürfen Besucher extra viel Zeit mitbringen: Das Konzert von Bap am 23. Juli fange schon 18.30 Uhr an, damit die Band rund um Wolfgang Niedecken dreieinhalb Stunden spielen kann. „Das ist eine Zeitreise und das nimmt Wolfgang wörtlich“, sagt Bös.