Dicke Luft vor der Götterdämmerung

Er ist schon seit Jahrzehnten dabei: Trotzdem erlebt Achim Eickhoff, Pressesprecher Stadt Singen, vor dem Auftritt der Band Yes eine ...
Er ist schon seit Jahrzehnten dabei: Trotzdem erlebt Achim Eickhoff, Pressesprecher Stadt Singen, vor dem Auftritt der Band Yes eine ziemliche Überraschung. | Bild: Stadt Singen

„Die Hohentwielfestivals gehören für mich seit drei Jahrzehnten zu den ganz besonderen Veranstaltungen, die ich immer gerne besucht habe. Wenn auch der Weg dorthin eine gewisse Herausforderung darstellt, so hat es sich für mich doch immer gelohnt, den Hontes zu erklimmen.

Ich erinnere mich gerne noch an einen besonders wundervollen Abend mit einem unglaublichen Sonnenuntergang und der swingenden Musik von Manhattan Transfer, die Ende der Neunziger Jahre auf dem Hohentwielfestival zu Gast waren. Damals war die Bühne übrigens noch wesentlich kleiner und stand in genau umgekehrter Richtung, vor der Festungsruine.

Auch ein Konzert der britischen Rockband Yes ist mir noch gut in Erinnerung. Die Herren gaben – mittlerweile schon sehr in die Jahre gekommen – in den 2000ern ein Konzert auf Singens Hausberg. Als ich mich gerade von der „Basisstation“ beim Hotel Widerhold auf den Weg zum „Konzert-Gipfel“ machen wollte, kam direkt der große schwarze Tourbus mit den Musikern um die Ecke. So konnte ich einen kurzen Blick auf die Künstler erhaschen.

Allerdings sahen die Jungs im Bus alle recht schlecht gelaunt aus – allen voran Keyboarder Rick Wakeman, dessen blondes langes Haupthaar übrigens noch beeindruckend füllig aussah. Da war echt dicke Luft im Bus, das war für mich deutlich zu erkennen. Nur wenig später auf der Bühne spielten die älteren Herren von Yes dann aber doch wie die jungen Götter. Ein wirklich beeindruckendes Konzerterlebnis.

Statt auf dem Berg spielen Dream Theater 2019 auf dem Rathausplatz.
Statt auf dem Berg spielen Dream Theater 2019 auf dem Rathausplatz. | Bild: Tesche, Sabine

Letztes Jahr konnte ich übrigens den Soundcheck von Dream Theater sehr laut, aber eindrucksvoll aus meinem Büro im Rathaus verfolgen: Die Herren spielten auf dem Rathausplatz. Hab‘ mir danach gleich zwei CDs von denen gekauft. Tolle Musik.“

Der ganze Berg singt auf Italienisch

Sabine Tesche hat großen Spaß mit Zucchero, In Extremo und Montserrat Caballé. Auf Sarah Connor ist die SÜDKURIER-Fotografin dagegen gar ...
Sabine Tesche hat großen Spaß mit Zucchero, In Extremo und Montserrat Caballé. Auf Sarah Connor ist die SÜDKURIER-Fotografin dagegen gar nicht gut zu sprechen. | Bild: Privat

„Ich weiß noch, wie aufgeregt ich 1994 vor meinem ersten Einsatz als Fotografin beim Hohentwielfestival war. Damals lief alles noch analog. Wie die Bilder am Ende aussehen würden, war jedes Mal eine kleine Überraschung.

Gerade am Freitagabend hatte ich erhöhten Puls. Denn damit die SÜDKURIER-Samstagsausgabe rechtzeitig fertig wird, musste spätestens um 24 Uhr angedruckt werden. Für mich bedeutete das: schnell von der Festung in Richtung Dunkelkammer hasten und hoffen, dass ein schönes Titelfoto für die Singener Ausgabe herauskommt.

Generell habe ich aber sehr positive Erinnerungen an das Festival – besonders an die Anfangsjahre, als die Zuschauer zum Teil noch auf dem Berg gezeltet haben. Auch die Klassikabende habe ich genossen. Die Opernsängerin Montserrat Caballé zum Beispiel hatte so viel Spaß, dass sie sich gleich am Anfang über die Brüstung gebeugt hat und ein Ständchen nur für die Zuhörer unten auf der Wiese gesungen hat.

Großartig auch der Auftritt von Zucchero. Der ganze Berg sang auf Italienisch mit – Gänsehautstimmung. Überraschend nett waren die Auftritte von Gothic-Bands wie In Extremo: So verwegen die Fans gekleidet waren, so freundlich waren sie nämlich auch.

In den vergangenen Jahren hat sich das Festival zunehmend professionalisiert – da bleibt wenig Raum für Spontanität. Negativer Höhepunkt für mich: der Auftritt von Sarah Connor. Wir Fotografen standen hinten und durften nur während der ersten Lieder Bilder machen. Natürlich hat sie sich genau in dieser Zeit hinter einer Sonnenbrille versteckt.

Woge der Begeisterung: 2016 jubelt ein junges Publikum Mark Forster zu.
Woge der Begeisterung: 2016 jubelt ein junges Publikum Mark Forster zu. | Bild: Tesche, Sabine

Egal, was für mich bleibt, ist das Gemeinschaftsgefühl auf dem Hohentwiel. Ich fand es immer herrlich, vom Fotografen-Graben aus in die Menge zu schauen: Jeder hatte ein Lächeln auf dem Gesicht.“

Buhrufe, Pfiffe und ein Helikopter-Einsatz der Bergwacht

Gut, dass die Fans von Otto Sauter keine Tomaten dabei haben: OB Bernd Häusler muss den Fans des Trompeters schlechte Nachrichten ...
Gut, dass die Fans von Otto Sauter keine Tomaten dabei haben: OB Bernd Häusler muss den Fans des Trompeters schlechte Nachrichten überbringen. | Bild: Tesche, Sabine

„Ich erinnere mich immer gerne an die vielen schönen Momente und Konzerte auf dem Hohentwiel in den letzten Jahrzehnten. Zwei Ereignisse sind mir besonders im Gedächtnis geblieben.

2005 war ich als Amtsverweser im Singener Rathaus Verwalter der OB-Stelle. An einem Abend sollten der Trompeter Otto Sauter und der weltbekannte Musiker Bobby McFerrin gemeinsam auftreten. So weit, so gut – ich habe mich auf einen entspannten Konzertabend gefreut. Auf der Karlsbastion angekommen, teilte mir unser ehemaliger Kulturamtsleiter Walter Möll dann aber mit, dass ich auf die Bühne müsse, um den 3000 Besuchern mitzuteilen, dass Otto Sauter nicht auftreten könne.

Die Enttäuschung bei den Fans von Otto Sauter war riesengroß und ich war froh, dass außer Buh-Rufen und Pfiffen nicht Tomaten auf die Bühne flogen. Auch das dann folgende Solokonzert von Bobby McFerrin konnte die Stimmung der Menschen nicht deutlich verbessern, denn nach etwa 60 Minuten entschwand der Star und verließ den Hausberg. Wie man sich denken kann, waren die Leute nicht besonders angetan. Schließlich hatten sie viel Geld für ihr Ticket ausgegeben und sollten nach einem kurzen Konzert den Hontes wieder verlassen.

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Und dann erinnere ich mich noch an die beiden auswärtigen Besucher vom Burgfest im gleichen Jahr, die in der Dämmerung beim Abstieg von der oberen Festung die Orientierung verloren hatten und sich auf dem falschen Weg nach unten befanden. Sie hingen in den Felsen des Hohentwiels fest, mussten dort die ganze Nacht verbringen, da die Rettungskräfte sie so einfach nicht aus der Wand holen konnten. Am nächsten Morgen wurden sie mit einem Helikopter der Schweizer Bergwacht gerettet. Für alle Beteiligten eine denkwürdige Aktion.“

James-Brown-Ausraster beim Soundcheck

Seit 1987 gibt Alexander Friedrich beim Hohentwielfestival den Ton an. Bereits bei den Soundchecks am Nachmittag lernt er die Stars ...
Seit 1987 gibt Alexander Friedrich beim Hohentwielfestival den Ton an. Bereits bei den Soundchecks am Nachmittag lernt er die Stars persönlich kennen. | Bild: Tesche, Sabine

„Seit 1987 bin ich für den Ton beim Hohentwielfestival zuständig. Anfangs verwendeten wir noch die Anlage von Radio Schellhammer, ab 1989 waren wir mit eigenen Boxen und Mischpulten vor Ort. Die logistische Herausforderung dabei: Das komplette Equipment musste auf der Schafweide von einem 7,5-Tonner in einen Mercedes Sprinter umgeladen und fuhrenweise zur Festung geschafft werden.

Fast genauso spannend wie die Konzerte waren für mich die Soundchecks. James Brown zum Beispiel versammelte schon mittags um 12 Uhr seine Band auf der Bühne – nur um seinen Gitarristen so richtig zusammenzustauchen. Als Bestrafung dafür, dass er am Vorabend nicht zufriedenstellend gespielt hatte, musste er abends beim Konzert vom Bühnenrand aus zusehen.

Auch Ray Charles führte seine Big Band mit harter Hand: Wer falsch spielte, musste 50 Dollar Strafe zahlen. Wer mit einem Mädchen erwischt wurde: 100 Dollar. Für uns Tontechniker lag die Herausforderung darin, dass Charles möglichst auf Mikros und Verstärkung verzichten wollte. Wir entschieden uns spontan, kleine Boxen im Publikum zu verteilen, anstatt die große Anlage zu verwenden.

Total schief gesungen hat die südafrikanische Sängerin Miriam Makebe. Die musste ich während der Refrains regelmäßig leise drehen. Eine weitere Überraschung: Miles Davis. Der ließ seine Band am Konzertende für 20 Minuten improvisieren – er selbst war da schon unterwegs in Richtung Hotel.

Singens Aushängeschild: Diese Kulisse sorgte auch bei den großen Namen der Musikszene für Begeisterung.
Singens Aushängeschild: Diese Kulisse sorgte auch bei den großen Namen der Musikszene für Begeisterung. | Bild: Staatliche Schlösser/Achim Mende

Die meisten Künstler waren von der Kulisse überwältigt. Früher wurden sie vor ihren Auftritten ja auch noch direkt in der Ruine untergebracht. Der Sänger Al Jarreau ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Er war von dem Ausblick auf den Hegau und den Bodensee richtiggehend begeistert.“

Dann halt 2021: Auf diese Auftritte können sich Fans des Hohentwielfestivals freuen

  • Die Absage: Aufgrund der Corona-Pandemie hat die baden-württembergische Landesregierung Großveranstaltungen bis zum 31. Oktober 2020 untersagt. Das betrifft auch das vom 18. bis 25. Juli geplante Hohentwielfestival 2020 in Singen. „Ich bedauere sehr, dass auch in diesem Jahr auf unserem Hausberg keine Konzerte und kein Burgfest stattfinden können“, sagt Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler. „Doch der Gesundheitsschutz der Bürger hat natürlich oberste Priorität.“
  • Pechsträhne geht weiter: Bereits im vergangenen Jahr hatte ein Felssturz auf dem Hohentwiel dafür gesorgt, dass dort keine Veranstaltungen stattfinden konnten – und das ausgerechnet zum 50. Jubiläum des Hohentwielfestivals.
  • Planungen laufen: Konzertorganisator Dieter Bös von Kokon Entertainment in Konstanz freut sich, dass die für 2020 geplanten Konzerttermine im nächsten Jahr stattfinden können. Folgende Daten können sich Hohentwielfestival-Fans bereits vormerken: Flogging Molly werden am 22. Juli 2021 (statt am 25. Juli 2020), Lea und Lotte am 23. Juli 2021 (statt am 23. Juli 2020) und Bausa am 24. Juli 2021 (statt am 24. Juli 2020) auf der Karlsbastion auftreten. Bereits gekaufte Tickets für die Konzerte behalten ihre Gültigkeit für die neuen Termine.
  • Das Burgfest: Karten für das am 18. und 19. Juli 2020 geplante Burgfest – ein Kleinkunst- und Musik-Event, das sich auf 13 Bühnen in der gesamten Festungsruine verteilt – können dort zurückgegeben werden, wo sie gekauft wurden. Roland Frank, Geschäftsführer von Kultur und Tourismus Singen, geht davon aus, dass die Veranstaltung im kommenden Jahr stattfinden kann: „Der Auftakt des Hohentwielfestivals soll nächstes Jahr am 18. Juli das Burgfest sein.“