Ausgestattet mit einem Stadtplan auf dem Handy, einer Sprühflasche und einer Menge Infomaterial marschiert Artin Tokatlian am Mittwochmorgen durch die Radolfzeller Nordstadt. Sein Auftrag: Die Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke in Radolfzell zu stoppen. Denn die Mücke kann gefährliche Krankheiten übertragen. Seine Waffe: BTI. Die Abkürzung steht für Bacillus thuringiensis israelensis, ein Mittel aus Proteinen, die gezielt nur die Tigermücke angreifen. Für andere Tiere, Pflanzen und Menschen ist es vollkommen harmlos, so Tokatlian.

Mit dabei hat er drei Kollegen von der Firma ICYBAC GmbH, wo er stellvertretender wissenschaftlicher Direktor ist. „Wir sind als kleine Taskforce aus Heidelberg zusammen hier. Jeder ist aber für sich unterwegs“, sagt Tokatlian. Der 30-Jährige hat laut eigener Aussage Biologie studiert und seine Bachelorarbeit über die Tigermücke geschrieben. Seit 2017 sei er bei ihrer Bekämpfung dabei. Eigentlich gehe er aber nicht mehr selbst auf die Jagd, sondern kümmere sich um die IT und Projektmanagement – Radolfzell sei eine Ausnahme.

So läuft der Anti-Mückeneinsatz ab
Den Auftrag zu dem Einsatz hat die Stadtverwaltung gegeben. Haus für Haus laufen Tokatlian und seine drei Kollegen die Straßen ab, um Brutstätten in den Gärten zu besprühen und die Radolfzeller aufzuklären. Die Karte auf seinem Handy zeigt das im vergangenen Jahr ermittelte Verbreitungsgebiet der Mücke in der Nordstadt, erklärt er auf dem Weg. In unterschiedlichen Farben sind Mückenmeldungen durch Anwohner, Fundstellen aus dem Vorjahr sowie bereits besuchte und noch offene Häuser markiert.

Seit 9 Uhr sind die vier unterwegs. Vorab hat die Firma auf der Internetseite der Stadt, in den Medien sowie per Flyer im Briefkasten die Anwohner informiert. Trotzdem sind nicht alle auf den Besuch vorbereitet. „Insgesamt lief es bisher aber sehr gut, die Leute zeigen viel Verständnis“, sagt er.
Um 11 Uhr stößt der SÜDKURIER in der Nordendstraße zum Einsatz hinzu – und bringt erst einmal kein Glück. An den ersten drei Häusern wird Tokatlian entweder abgewiesen oder es öffnet erst gar niemand. Er markiert die Häuser in seiner App. „Da probieren wir es dann später nochmal. Manche sind eher morgens da, andere nachmittags. Ab 13 Uhr läuft es meistens besser“, sagt er hoffnungsfroh. Insgesamt würden sie nur ein Prozent aller Häuser gar nicht erreichen.
Tonne, Eimer, Gießkanne: Hier brütet die Tigermücke besonders gerne
Beim vierten Versuch in der Nordendstraße hat Artin Tokatlian schließlich Erfolg. Er darf in den Garten. Dort sprüht er sein Mittel in Gießkannen, eine Regentonne und einen Blumentopfuntersetzer. Auch ein Gully ist auf dem Grundstück, zudem ein mit Wasser gefüllter Eimer. „Das ist eine super Brutstätte“, so Artin Tokatlians Einschätzung. Denn, erklärt er: „Die Tigermücke ist eine container-brütende Art, sie bevorzugt kleine, von Menschen geschaffene Räume mit Wasser.“

Besonders gefährlich seien daher Regentonnen, gefüllte Gießkannen, Untersetzer von Blumentöpfen oder andere kleine Gefäße, in denen sich Wasser ansammeln kann. Auch Autoreifen, Blumentöpfe, Schirmständer und Gullys könnten zur Brutstätte werden. „In belebten Teichen und Fließgewässern brüten die Tiere dagegen nicht“, erklärt der Biologe, bevor es weitergeht.
An der zweiten erfolgreichen Adresse der Nordendstraße macht Artin Tokatlian sogar einen winzigen Spalt am Ständer einer Wäschespinne als mögliche Brutstätte aus. Auch hier verteilt er sein Mittel und gibt der Bewohnerin etwas BTI-Tabletten, die sie später selbst verwenden kann. Denn das Mittel ist biologisch abbaubar. Einerseits gut, andererseits hält es daher nur zwei Wochen, so der Experte.

Zwischen den Hausbesuchen sprüht Tokatlian immer mal wieder etwas BTI in Gullys auf der Straße. Nebenbei erklärt er, warum die Larven der Mücke besonders tückisch sind. So würden die Tiere ihre Eier an den Rand des Wassers kleben. Nach sieben Tagen können die Larven im Wasser eigentlich schlüpfen. Doch nach drei Tagen werden die Eier außerdem „trockenfest“. Sie überstehen dann sogar Trockenheit, wenn das Wasser verdunstet, oder kalte Winter. „Sammelt sich abermals Wasser in dem Gefäß, werden die Larven dann wieder aktiv und können auch später noch schlüpfen“, erklärt er.
Das können Gartenbesitzer selbst tun
Der Biologe bekämpft in Radolfzell jedoch nicht nur potenzielle Brutgebiete, sondern gibt den Bewohnern aus Tipps, was sie künftig selbst tun können, um die Verbreitung der Mücke zu stoppen. Gartenbesitzer sollten generell kleine Wasseransammlungen vermeiden oder zumindest sichern, erklärt er einem Ehepaar. Man sollte Gießkannen und andere Gefäße also leer und entweder auf der Seite oder überdacht lagern, Untersetzer regelmäßig auswischen und Öffnungen von Regentonnen mit Netzen schützen. Brutstätten im Verbreitungsgebiet, die man so nicht sichern kann, solle man alle zwei Wochen mit BTI behandeln und danach fest verschließen.

Zudem stellt der Mückenjäger an öffentlichen Flächen Fallen auf. Dazu hat er das Stadtgebiet auf Basis von Daten aus dem vergangenen Jahr per Raster in Quadrate eingeteilt. Felder innerhalb des Verbreitungsgebiets erhalten zwei Fallen, die anderen eine. Bei den Fallen handelt es sich um Eimer, die mit Wasser und einem rauen Holzstäbchen gefüllt – ganz ohne Gift. Die Mücken legen ihre Eier auf das Stäbchen, das sein Team alle zwei Wochen mitsamt der Larven entfernt und austauscht, bevor diese schlüpfen.
So wird die Verbreitung nicht nur eingegrenzt, sondern gleichzeitig auch für das weitere Vorgehen analysiert. Denn nebenbei sammelt das Heidelberger Team in ihrer App alle Daten zur Anzahl von Brutstätten und tatsächlich entdeckten Larven an jeder Adresse. Auf Basis der Analyse können sie dann im kommenden Jahr noch besser zuschlagen, so Tokatlian.