So groß war das Interesse an einer Mitgliederversammlung der Wohnbaugenossenschaft Gottmadingen (WBG) vermutlich noch nie. 200 Genossenschaftsmitglieder haben den Weg in die Fahrkantine gefunden, weitere 157 Vollmachten wurden bei der aufwendigen Registrierung vor Beginn der Versammlung festgestellt.

Zuletzt hatte der kurzfristige Ausschluss der Presse von der Sitzung in Gottmadingen für Wirbel gesorgt. Spätestens dadurch waren die Mitglieder jedoch für die Tatsache sensibilisiert, dass es zwischen dem Aufsichtsrat und dem Vorstand nicht ganz rund läuft. 2024 war es bei der Wahl des Aufsichtsrates zu einem überraschenden Eklat gekommen. Nachdem einige des siebenköpfigen Gremiums keine Mehrheit erhielten und danach für einen zweiten Wahlgang nicht mehr zur Verfügung standen, schrumpfte der Aufsichtsrat auf drei Personen.

Das neue Aufsichtsratsgremium will sich schnell konstituieren

Wie aus den Reihen der Genossenschaft nach der Sitzung am Donnerstag nun zu erfahren ist, setzen die Mitglieder wieder auf Kontinuität. Mit einer klaren Mehrheit stimmten sie für die Erweiterung des Gremiums auf die alte Größe mit sieben Personen. Bei der Besetzung kam es den Wählern offenbar auch auf eine gute Mischung aus Mietern und Sachverständigen aus Handwerk und dem Finanzsektor an. Das zeigte sich in der geheimen Nachwahl, zu der sich als Kandidaten nicht nur der frühere Aufsichtsrat Luigi de Felice, sondern auch der Gartenbauer Harald Heuel, Bürgermeister Michael Klinger, der Unternehmer Patrick Pfeiffer, VW-Niederlassungsleiter Joachim Hafner und Mieterverteter Salvatore Lombardo hatten aufstellen lassen. Um 22.20 Uhr habe das Ergebnis festgestanden. Gewählt wurden Klinger, Hafner, Heuel, und Pfeiffer. Dies bedeutet aber auch: De Felice und Lombardo wurden nicht gewählt. Die bisherigen Aufsichtsräte um den Vorsitzenden Axel Hauser, Nathalie Schär und Madalena Marques Gaspar, bleiben bis 2027 im Amt.

Mitgliederversammlung überraschend früh terminiert

Weil einer der Aufsichtsratskandidaten zwei Tage nach der Mitgliederversammlung der WBG seinen 70. Geburtstag feiert, wurde die Sitzung um einen Monat vorgezogen. In der Vergangenheit fanden die Versammlungen immer im Juni statt, um genug Zeit für die Prüfung des Jahresergebnisses und den Anschub neuer Projekte zu haben.

Vor der Wahl hat es dem Vernehmen nach eine harte inhaltliche Auseinandersetzung über die Größe des Kontrollgremiums gegeben. Danach soll Axel Hauser erklärt haben, dass der Aufsichtsrat nicht mehr Köpfe haben solle als die Zahl der WBG-Mitarbeiter. Dies würde bedeuten, dass der Aufsichtsrat mit fünf Personen besetzt wäre. Hausers Antrag wurde jedoch mit klarer Mehrheit abgelehnt.

Große Erleichterung in der WBG-Geschäftsführung

Vera Federer ist am Tag danach erleichtert über den Ausgang der Aufsichtsratswahl. „Jetzt können wir wieder nach vorne denken“, sagte sie in einem Telefonat mit dem SÜDKURIER. Das vergangene Jahr sei für die WBG herausfordernd gewesen, weil nicht mehr deutlich gewesen sei, „ob der Aufsichtsrat und der Vorstand noch gemeinsame Ziele verfolgen.“ Dabei verweist die Architektin, die als hauptamtlicher Vorstand die Geschicke der Genossenschaft in den vergangenen elf Jahren gelenkt hat, auf eine beachtliche Leistungsbilanz. „Zusammen mit Joachim Blatter als zweitem Vorstand haben wir die Bilanzsumme der WBG von 6,3 Millionen Euro auf über 21 Millionen Euro gesteigert“, erklärt sie. „Wir haben im Bestand einen Gegenwert von 15 Millionen Euro geschaffen.“

Bei der WBG-Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr ist es zum Eklat bei den Wahlen zum Aufsichtsrat gekommen.
Bei der WBG-Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr ist es zum Eklat bei den Wahlen zum Aufsichtsrat gekommen. | Bild: Trautmann, Gudrun

Mit der energetischen Sanierung von 100 Wohnungen in elf Gebäuden und weiteren 90 Einzelwohnungen habe die Baugenossenschaft ihren Instandhaltungsrückstau massiv reduziert. Außerdem wurden 64 neue Wohnungen gebaut. 22 weitere entstehen aktuell in der Fliederstraße. „Durch die Nutzung regenerativer Energie machen wir unseren Mietern ein Geschenk“, erklärt Vera Federer. „Mit dem Sonnenstrom betreiben wir Wärmepumpen und erzeugen warmes Wasser. Dadurch reduzieren wir die Nebenkosten unserer Mieter.“ All das sei nur mit einem sehr guten und ambitionierten Team im operativen Geschäft und dem Vertrauen des Aufsichtsrats zu leisten gewesen.

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Statt Vertrauen herrschte jedoch in den vergangenen elf Monaten auf Seiten des Aufsichtsrates eher Angst und Misstrauen. Jedenfalls sah sich der Vorstand plötzlich mit zahlreichen Kontrollen konfrontiert. Michael Klinger berichtet am Tag nach der Mitgliederversammlung von harten inhaltlichen Auseinandersetzungen. Der Aufsichtsratsvorsitzende habe dem Vorstand Fehler in der Beschaffung von Energie vorgeworfen, die aber sofort entkräftet werden konnten. Man sei nicht ausreichend über Projekte informiert worden, war dem Vernehmen nach ein weiterer Vorwurf.

WBG verzeichnet Mitgliederzuwachs

Dem ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Klinger war die Erleichterung deutlich anzumerken. „Ich bin froh, dass der Aufsichtsrat wieder breiter aufgestellt ist“, sagte er. Die Expertise von Mietern und Menschen mit handwerklichem und kaufmännischen Sachverstand sei eine gute Mischung. „Jetzt müssen Aufsichtsrat und Vorstand wieder an einem Strang ziehen. Daran will ich gerne mitarbeiten“, so Klinger. Und Vera Federer ist mindestens genauso erleichtert über den Wahlausgang. „Ich bin begeistert von den Bürgern“, sagte sie. Im vergangenen halben Jahr seien rund 100 neue Mitglieder der WBG beigetreten. „Das zeigt, wie wichtig den Gottmadingern die Baugenossenschaft ist.“