Vor rund zehn Jahren war die WBG in einem schwierigen Zustand. Dann wurde ein Aufsichtsrat mit fachlicher Kompetenz und Ihnen als Vorsitzendem gewählt. Wie ist es in der Zwischenzeit gelungen, das genossenschaftliche Unternehmen in ruhiges Fahrwasser zu bringen?
Vor über zehn Jahren steckte die WBG schon einmal in einer tiefen Krise. Auch damals begann es mit einer gezielt organisierten Abwahl kompetenter Aufsichtsräte. In der Folge war der Aufsichtsrat weder in der Lage das Unternehmen zu lenken, noch die richtige Personalauswahl bei den Vorständen zu treffen. Heute mache ich mir wieder große Sorgen um die WBG. Eine solche Situation zu wenden und den Karren aus dem Sumpf zu ziehen, ist theoretische ganz einfach, in der Praxis aber nicht trivial: Sie brauchen die richtigen Personen an den entscheidenden Stellen. Mit Vera Federer haben wir eine versierte Architektin und Immobilienökonomin und mit Wilhelm Knapp und dann Joachim Blatter zwei hoch kompetente Finanzfachleute als Vorstände gewonnen.
Wie meinen Sie das?
Ein Aufsichtsrat, der mit breit aufgestelltem Fachwissen und engagierten Vertreterinnen und Vertretern aus den Wohnanlagen das Unternehmen gesteuert hat und motivierte Mitarbeiter haben die WBG über die Jahre deutlich nach vorne gebracht: Energetische Sanierung und Modernisierung für rund 90 Wohnungen, zuletzt im Inneren Flassental 17/19, sowie Neubauten in Kornblumenweg mit acht Wohnungen, im Innenhof der Hardstraße mit 54 Wohungen, davon 44 als geförderte im Bereich des bezahlbaren Wohnraums für 6,60 Euro je Quadratmeter Kaltmiete und aktuell das noch nicht gebaute Projekt Fliederstraße mit 22, davon 17 geförderten Wohnungen. Mit einer Klimastrategie haben wir das Unternehmen zukunftsfähig aufgestellt. Das ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. So etwas erreicht man nur wenn Vorstand und Aufsichtsrat zum Wohl der WBG an einem Strang ziehen und vertrauensvoll zusammenarbeiten.
In der jüngsten Mitgliederversammlung deutete sich schon zu Beginn ein überdurchschnittliches Interesse an. Viele Anwesende hatten sich offenbar kurzfristig entschieden, ihre Stimme bei der Versammlung abzugeben und sich durch Vollmachten vertreten lassen. Was hat aus Ihrer Sicht das große Interesse beflügelt?
In den letzten Jahren waren im Durchschnitt 60 bis 70 Genossinnen und Genossen anwesend, es gab vereinzelte Vollmachten. Wenn jetzt bei 144 Abstimmungsberechtigten 80 persönlich anwesend sind und 60 über Vollmachten vertreten werden, dann spricht das in meinen Augen sehr für eine organisierte Abwahl-Kampagne. Ich denke, und so wurde es mir auch zugetragen, dass die Vollmachten gezielt eingesammelt und dass dabei niedrige Mieten versprochen wurden. Beide Vorstände und ich gehen davon aus, dass diese Aktion vom wiedergewählten Aufsichtsrat Axel Hauser und vom verabschiedeten Sachverständigen Luigi de Felice ausging. Wem es um die Sache der WBG geht, der kann zu meinem Bericht des Aufsichtsrates in der Versammlung Fragen stellen und Kritik üben. Auch kritischen Fragen stelle ich mich dann gerne. Wenn jemand lieber still und heimlich die Abwahl organisiert, frage ich mich, um was es ihm geht.
Es gab auch eine Diskussion über eine Erweiterungen des Aufsichtsrats um einen Posten von sieben auf acht Personen. Am Ende ging die Wahl aber in eine ganz andere Richtung. War das eine Palastrevolution? Und wenn ja, warum?
Ich kann da nur mutmaßen, aber für mich war in der Versammlung deutlich erkennbar, dass die Meinungsbildung gesteuert wurde. Selbstverständlich akzeptiere ich das Ergebnis der Wahl. Das ist Demokratie, aber dass niemand offen einen Grund benennt, das ist schon extrem befremdlich. Jeder Mieter möchte, dass seine Wohnung in Ordnung ist, keiner möchte ein 30 Jahre altes Bad, bei steigenden Energiepreisen sollte jeder froh sein, dass die Gebäude gedämmt werden. Dass das Geld dafür, vor allem bei steigenden Baupreisen nicht vom Himmel fällt, sondern aus den Mieten finanziert werden muss, dass man sich als Genosse quasi am Ende die Miete selbst dafür bezahlt, dass die Häuser in Schuss bleiben, haben manche – glaube ich – noch nicht begriffen. Ich kann nur vermuten: Ich glaube es wurde ganz gezielt Stimmung dafür gemacht, nur noch Mietervertreter zu wählen, damit die Mieten unten bleiben. Dass dabei alle anderen Aufsichtsräte rausfliegen, war, denke ich, vielen gar nicht bewusst.
Von welchen Mietbeträgen reden wir denn?
Nur zur Versachlichung: Die Durchschnittsmiete der WBG liegt aktuell bei 7,33 Euro pro Quadratmeter. Das ist extrem fair. Das heißt aber auch, dass viele Mieten zum Teil deutlich darunter liegen. Kurzfristig mag das Versprechen von noch niedrigeren Mieten aufgehen, damit fängt man Wähler, die dann auch davon profitieren. Langfristig kommt die Genossenschaft aber in ein sehr gefährliches Fahrwasser, weil ihr die Kraft für die Erneuerung ihres Gebäudebestandes fehlt.
Die WBG wird nur noch mit der Mindestzahl von drei amtierenden Aufsichtsräten weitergeführt. Warum haben die bisher amtierenden Aufsichtsräte, warum haben Sie sich nicht mehr für einen zweiten Wahlgang zur Verfügung gestellt?
Zuerst einmal: Nicht nur ich bin nicht mehr für einen zweiten Wahlgang angetreten, sondern alle Kandidaten, die im ersten Wahlgang nicht das Vertrauen erhalten haben. Die beiden gewählten Vertreterinnen aus dem Bereich der Mieterschaft haben unter diesen Bedingungen die Wahl sogar abgelehnt. Ein mutiger Schritt, für den ich allergrößten Respekt habe. Wir sind als Team angetreten, als Team mit Fähigkeiten, die in ihrer Zusammensetzung geeignet sind die Genossenschaft in einer vertretbaren Balance aus bezahlbaren Mieten einerseits und andererseits moderaten Mietsteigerungen und damit dem notwendigen Kapital für Sanierungen und Neubau auch für die Zukunft nach vorne zu bringen. Dass wir das können, haben wir nun in den vergangenen zehn Jahren eindeutig bewiesen. Wenn sie für diesen Kurs als Aufsichtsratsvorsitzender keine klare Mehrheit erhalten, dann müssen sie als erster und alle anderen, die diesen Kurs mitgetragen haben, die Konsequenz ziehen. Ich lasse mich nicht vor den Karren derjenigen spannen, denen es auch aus eigenen Interessen im Schwerpunkt nur um noch niedrigere Mieten geht. Eine solche Strategie ist kurzsichtig und zehrt auf die Länge das Unternehmen aus. Der Handlungsspielraum für Sanierungen im Bestand und Neubau beschränkt sich zukünftig immer mehr. Wer diesen Kurs der WBG will, der muss auch die Verantwortung dafür übernehmen und zwar alleine. Ich bin mir ehrlich gesagt noch nicht einmal sicher, ob alle, die so gewählt haben, sich des sich damit verbundenen Kurswechsels und vor allem der mittel- und langfristigen Konsequenzen bewusst waren. Ich stehe für einen anderen Kurs: gleichermaßen für bezahlbare Mieten, aber auch für Sanierung und Neubau. So habe ich die WBG vor zehn Jahren gradlinig betreten, und so gehe ich aufrechten Gangs ab.
Die neuen Aufsichtsräte sind im Baugeschäft eher fachfremd. Woher bezieht die Genossenschaft jetzt die fachliche Unterstützung?
Diese Frage müssen Sie an die drei neu Gewählten stellen. Ein Unternehmen dieser Größe zu steuern ist eine große Verantwortung und erfordert Kompetenz. Nur die sicherlich wichtige Sicht der Mieterinnen und Mieter auf das Unternehmen zu vertreten oder noch niedrige Mieten durchsetzen zu wollen, reicht bei weitem dafür nicht aus. Wer sich aber bislang im Aufsichtsrat gegen Neubauten gewehrt hat, braucht dann vielleicht auch keine Baukompetenz mehr. Für mich kann die fachliche Unterstützung auch nicht irgendwoher bezogen werden, sie muss im Aufsichtsrat vollumfänglich in den wichtigen Themen des Unternehmens vorhanden sein. Diese umfassende Kompetenz in den Bereichen Bau- und Immobilienwirtschaft, Finanzen, Organisation und Personalführung und Kenntnis der Wohnanlagen, wie sie im abgewählten Aufsichtsrat in einer guten Mischung vertreten war, sehe ich aktuell bei den drei neuen Aufsichtsräten weitestgehend nicht. Das ist vor allem für den Vorstand, der bei der Umsetzung der Projekte auf eine gute, konstruktiv-kritische fachliche Begleitung angewiesen ist, ein riesiges Problem. Daher kann ich gut nachvollziehen, dass Frau Federer als hauptamtliche Vorständin noch in der Versammlung angekündigt hat, bei dieser Besetzung des Aufsichtsrates keine großen Projekte mehr gemeinsam angehen zu können.
Joachim Blatter hat als Finanzvorstand seinen Rückzug aus Altersgründen zum Jahresende angekündigt. Auch dieser Posten ist dann neu zu besetzen. Wie geht es dort weiter?
Diese Frage muss sich an den neuen Aufsichtsrat, insbesondere dessen zukünftigen Vorsitzenden, der jetzt seine Verantwortung schleunigst wahrnehmen muss, richten. Ich bedauere, dass die WBG einen so ausgewiesenen Experten wie Herrn Blatter, der früher in großen Industriekonzernen Finanzverantwortung getragen hat, vorschnell verliert. Mit ihm hatten wir im Bereich der Unternehmensfinanzierung eine so noch nie dagewesene Qualität an Bord. Ich hatte bereits eine Verlängerung für das Jahr 2025 besprochen, die nun leider nicht stattfinden wird. Herr Blatter lehnt eine Zusammenarbeit mit Herrn Hauser über die Laufzeit seines jetzigen Vertrags ab und benennt dafür – was ich und auch andere abgewählte Aufsichtsräte gut nachvollziehen können, dessen unangemessenes und auf Klientel- und Eigeninteressen gerichtetes Auftreten im Aufsichtsrat. Wie geht es also weiter: Ich bin noch Mitglied der WBG und als solches erwarte ich vom Aufsichtsrat, dass er schnellstmöglich die Position des Vorstands für Finanzen ausschreibt. Ein halbes Jahr ist nicht viel Zeit für eine solide Personalauswahl, zumal nur noch Aufsichtsräte am Werk sind, die von Personalführung und Auswahl wenig bis kein Ahnung haben, und schon gar nicht von der Besetzung eines Vorstandspostens.
Die WBG ist in Gottmadingen der zentrale Anbieter von sozialem Wohnraum. Sie haben sich in Ihrer Freizeit für den Aufsichtsratsvorsitz engagiert. Als Bürgermeister dürfte Ihnen die Genossenschaft gerade unter diesem Aspekt besonders am Herzen gelegen haben. Ist das Tischtuch nach dem Wahldrama zwischen Ihnen und der WBG jetzt zerschnitten?
Vor allem liegen mir die Menschen, die Wohnraum und Heimat in der WBG gefunden haben, am Herzen, genauso wie die, die ihn in Gottmadingen noch suchen. Mir und dem ganzen scheidenden Aufsichtsrat ging es immer darum, die Wohnungsbaugenossenschaft so zukunftsfähig aufzustellen, dass sie auch morgen und übermorgen noch guten Wohnraum für ihre Mitglieder anbieten kann. Uns ging es auch darum, durch Bauprojekte den Wohnungsbestand zu erneuern und zu ergänzen. Da steckt auch viel persönliches Herzblut drin. Deshalb ist das Tischtuch zwischen mir und der WBG und vor allem zwischen mir und den Menschen in der WBG nie zerschnitten. Wenn Sie in diesem Bild bleiben wollen: Das Tischtuch haben andere zerschnitten: Mit denjenigen, die diese Abwahl organisiert haben, werde ich nicht mehr zusammenarbeiten.