Die Lage ist paradox: Da erteilt die Mitgliederversammlung der Gottmadinger Wohnbaugenossenschaft dem Vorstand und Aufsichtsrat mit einstimmigen Voten erst das absolute Vertrauen, und anschließend erhalten bewährte Aufsichtsräte mit Bürgermeister Michael Klinger an der Spitze nicht die erforderliche Stimmenzahl für eine weitere Amtszeit.

Schon vor Beginn der Versammlung hätte man ahnen können, dass sich hier irgendwas zusammenbraut. Kurzfristig hatten sich drei neue Kandidaten für den Aufsichtsrat gemeldet, in der Hoffnung, dass das Gremium erweitert wird. Mindestens drei Mitglieder muss der Aufsichtsrat haben; sieben waren es in der letzte Amtsperiode. So beschäftigte sich die Tagesordnung neben Rückblick, Bilanz und Ausblick auch mit der Frage, ob weitere Mitglieder in den Aufsichtsrat gewählt werden sollen.

Für fünf Kandidaten ist nach dem ersten Wahlgang Schluss

Im Grundsatz begrüßte Michael Klinger die Bereitschaft, schlug aber vor, maximal einen Posten mehr zu schaffen. Doch in der entsprechenden Abstimmung zeichnete sich ein anderes Bild: Die Versammlung wollte es bei sieben Aufsichtsratsmitgliedern belassen. Dass sie am Ende gerade mal drei Posten besetzen konnten, war nach einem zweiten Wahlgang die Überraschung des Abends. Denn fünf der Kandidaten, die nicht die nötige Mehrheit erhalten hatten, standen für einen zweiten Wahlgang gar nicht zur Verfügung: Michael Klinger, Andrea Grusdas, Wolfgang Graf, Bernd Schöffling und Ivan Raos. Außerdem nahmen Silvia Kupprion und Vanessa Siebert trotz ausreichender Stimmen die Wahl nicht an. Was letztlich zu dem Zerwürfnis geführt hat, wurde in der Sitzung nicht deutlich, wohl aber die Enttäuschung bei den nicht wiedergewählten Kandidaten.

Dabei hatte die 75. Versammlung eigentlich gut begonnen. Die Vorstände Vera Federer und Joachim Blatter freuten sich über das rege Interesse. Michael Klinger stellte fest, dass selten so viele Mitglieder zur WBG-Versammlung gekommen seien. Da war er noch Aufsichtsratsvorsitzender.

Der Blick in eine ungewisse Zukunft

Vera Federer richtete zunächst ihren Blick in die Zukunft auf das Jahr 2040. Um dem Wohnungsmangel zu begegnen setze man auf serielles Bauen. Der Wohnungsbestand werde sich deutlich erhöhen. Die moderne Energietechnik mit Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern, Wärmepumpen und Nahwärme werde den Mietern direkt zugute kommen. Zur Klima-Anpassung werde man entsprechende Bepflanzungen in den Gärten anlegen und Mietern auch eigene Steckersolaranlagen genehmigen, sofern die Sicherheitsstandards eingehalten werden. Ziel der WBG ist die Klimaneutralität bei gleichzeitig bezahlbarem Wohnraum.

Zusammen mit den Vorständen Vera Federer und Joachim Blatter (rechts) posiert Bürgermeister Michael Klinger ein letztes Mal als ...
Zusammen mit den Vorständen Vera Federer und Joachim Blatter (rechts) posiert Bürgermeister Michael Klinger ein letztes Mal als Aufsichtsratsvorsitzender der WBG vor den immer noch einströmenden Genossenschaftsmitgliedern. Nach verfehlter Wahl stand er wie weitere vier Kandidaten für einen zweiten Wahlgang nicht mehr zur Verfügung. Bild: Gudrun Trautmann | Bild: Trautmann, Gudrun

Ältere Bestandswohnungen würden nach und nach energetisch saniert, um die steigenden Energiekosten mit CO2-Bepreisung in den Griff zu bekommen. Die bittere Pille ist jedoch die Baupreissteigerung um rund 40 Prozent. „2024 erleben wir eine Verdreifachung der Investitionskosten“, sagte Vera Federer. „Das bereitet uns Kummer und Sorgen und wirkt sich auch auf die Mietkosten aus.“ Um eine Altbauwohnung auf aktuellen Stand zu bringen würden rund 35.000 Euro benötigt. Das reicht von der Elektrik über die Sanitäranlagen bis hin zur Wärmedämmung. „Wir müssen bei der energetischen Sanierung viel machen“, sagte auch der Finanz-Vorstand Joachim Blatter in seiner folgenden Bilanz. „Die Preise sind explodiert. Haben wir 2023 noch 1065 Euro pro Quadratmeter ausgegeben, so liegen die Kosten 2024 in der Roseneggstraße schon bei 1678 Euro pro Quadratmeter. Wir kommen nicht durch, ohne die Kosten in die Breite zu streuen“, sagte er. Gemeint sind die Mieten.

Sanierungskosten steigen stetig an

Trotz dieser Herausforderungen war die WBG mit einer Durchschnittsmiete von 7,33 Euro pro Quadratmeter auf dem Mietermarkt sehr günstig. Zum 1. August 2024 sollen die Mieten im Bestand um zehn Prozent angehoben werden, im Altbestand in der Hardstraße jedoch nur um fünf Prozent. Die Erhöhung werde wegen der stark steigenden Baupreise und der Inflation erforderlich. Aus dem Bereich der Fremdverwaltung will sich die WBG weiter zurückziehen.

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Durch den Verkauf von Immobilien in Engen, die nicht mehr zum WBG-Konzept passten, konnte die Genossenschaft 2023 trotz hoher Preissteigerungen im Bausektor mit einem Jahresüberschuss von 445.238 Euro abschließen. Bis 2030 werden 16 Millionen Euro benötigt, um den Gebäudebestand auf den „KfW-Effizienhausstandard 85“ zu bringen. Noch in diesem Jahr will die WBG mit dem Neubau von 22 Wohnungen in der Fliederstraße beginnen. 17 davon werden gefördert. Die Förderzusagen liegen vor.

Wohnbaugenossenschaft kann kleinen Überschuss erwirtschaften

Bei den Beschlussfassungen über den wirtschaftlichen Jahresabschluss für 2023 und den Bilanzgewinn in Höhe von 86.769 Euro erteilte die Versammlung ein einstimmig positives Votum. Ebenso bei der Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Frank Lammering trat nicht mehr an, weil er seine Stelle wechselt. So wie die drei Sachverständigen Luigi De Felice, Helmuth Handloser und Roland Maus erhielt er zum Dank einen Geschenkkorb. Dass am Ende von zehn Bewerbern nur noch drei den Aufsichtsrat vertreten werden, war zu dem Zeitpunkt noch nicht zu erwarten. Vorstand und Aufsichtsrat bedankten sich für die äußerst konstruktive Zusammenarbeit. Doch die Mitglieder wollten offenbar keine Fortsetzung. Eine Bewegung, die die Wohnbaugenossenschaft schon einmal überstehen musste, bevor mit Bürgermeister Michael Klinger als Aufsichtsrat und Vera Federer als Vorstandsverantwortliche der Kurs neu aufgegleist wurde.