Das schwebende Verfahren rund um den Singener AfD-Mann André Rehm sorgt im Hegau weiter für Aufsehen. Und der Druck auf den designierten Stadtrat Rehm, dem aktuell eine Haftstrafe ohne Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung, versuchter Nötigung und Bedrohung droht, und den Kreisverband der AfD Konstanz nimmt immer weiter zu. Auch die Sprecher der im Singener Gemeinderat vertretenen Fraktionen kritisieren die anstehende Verpflichtung von Rehm als Stadtrat scharf. Der Tenor ist nahezu einhellig: Die Vorbildfunktion eines Stadtrates und eine drohende elfmonatige Haftstrafe sowie ein langes Vorstrafenregister sind für die Fraktionssprecher unvereinbar.
Acht Fraktionen und Gruppierungen sitzen im Singener Gemeinderat. Sieben Stellungnahmen hat der SÜDKURIER erhalten. Die Redaktion hat auch versucht, die AfD für eine Stellungnahme zu erreichen. Allerdings blieben mehrere Versuche erfolglos.
SPD, FW und SöS sprechen von „uneinsichtigem Straftäter“
„Die Recherchen des SÜDKURIER offenbaren ein Bild eines Menschen mit erheblicher krimineller Energie und hoher Gewaltbereitschaft“, beziehen Walafried Schrott (SPD), Hubertus Both (FW) und Birgit Kloos (SöS) in einer gemeinsamen Mitteilung Stellung.
Laut den Fraktionssprechern müsse der Alternative für Deutschland (AfD) dies bei der Aufstellung der Liste zur Gemeinderatswahl im Juni 2024 wie auch bei der Wahl zum Sprecher des Singener Ortsverbandes schon bekannt gewesen sein. „Es wäre für die ehrenamtlichen Stadträte wie auch für die Mitarbeiter der Verwaltung eine Belastung, mit einem uneinsichtigen Straftäter am Verhandlungstisch des Ratssaales zu sitzen“, heißt es von SPD, FW und SöS weiter.
„Scheinheilige“ Entscheidung der AfD

Auch die Fraktion der Grünen zeigt sich über den Fall von AfD-Mann Rehm schockiert, wie Sprecher Eberhard Röhm schreibt. „Dass ausgerechnet die AfD, die sich im Wahlkampf zur Verteidigerin von Sicherheit und Ordnung aufgeschwungen hat, nun einen stadtbekannten und verurteilten Gewalttäter in den Stadtrat schickt, halten wir für einen extremen Widerspruch.“
Dass der Konstanzer Kreisverband Rehm nun „loswerden“ möchte, finden die Singener Grünen scheinheilig. „Da hat man diesen Mann, dessen jüngere Vergangenheit den Mitgliedern bekannt sein musste, erst vor nicht einmal einem Jahr zum Sprecher des Singener Ortsverbandes gewählt“, heißt es von den Grünen weiter. Als Stadträte hätten die gewählten Vertreter natürlich auch eine Vorbildfunktion, der ein verurteilter Straftäter nur schlecht nachkommen könne.

Die Fraktionssprecher Franz Hirschle (CDU), Kirsten Brößke (FDP) und Dirk Oehle (Neue Linie) betonen indes, dass bis zu einem Richtspruch in Deutschland erst einmal die Unschuldsvermutung gelte. „Wenn man aber diese Menge von Anklagepunkten liest, wie Körperverletzung, Betrug und vieles mehr, stellt sich für uns die Frage, wie das zu vereinbaren ist“, sagt Dirk Oehle.
Als Gemeinderat oder in einer anderen Funktion müsse man aus Sicht der NL auch ein Vorbild sein und nicht mit Gesetzesverstößen glänzen. „Ein Vorbild ist eine Person, die als gutes Beispiel angesehen wird, nach der man sich richten kann, und dies ist aus unserer Sicht bei einem rechtskräftig verurteilten Straftäter nicht gegeben.“
Deutliche Worte hinsichtlich einer Zusammenarbeit im Gremium mit AfD-Mann Rehm gibt es von der CDU und der FDP, die gemeinsam erklären: „Wir verfolgen grundsätzlich eine klare Abgrenzung zur AfD und distanzieren uns grundsätzlich von einer Partei, welche vom Verfassungsschutz beobachtet und als gesichert rechtsextremistisch eingeordnet wird, da sie Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich- demokratische Grundordnung aufweist.“
Alle Fraktionen sind sich einig: Keine Zusammenarbeit mit der AfD
Auch die Grünen sehen das so: „Eine etwaige Zusammenarbeit mit Herrn Rehm oder einem anderen Mitglied der gesichert rechtsextremen AfD kommt für uns grundsätzlich nicht infrage. Dies stellt uns aber nicht vor große Probleme, da die AfD-Fraktion ja in der bisherigen Amtszeit nur sehr überschaubare Arbeit geleistet und sich in ihrem Abstimmungsverhalten so gut wie immer an der CDU orientiert hat.“ Auch sonst seien keine nennenswerten Beiträge oder Vorschläge der AfD bekannt. „Die Arbeit mit den restlichen Mitgliedern des Gremiums funktioniert weiterhin sehr vertrauensvoll und produktiv“, so die Stellungnahme der Grünen.
Deutlich werden auch SPD, FW und SöS, die zum Prinzip der Resozialisierung als Ziel des Strafvollzuges stehen. Aber: „Allerdings zeigt Herr Rehm bislang keine Einsicht und keinen Willen, ein straffreies Leben zu führen.“ Vorbildfunktion sowie der Respekt vor der Verfassung und den Gesetzen seien die Grundlage für einen ehrenamtlichen Kommunalpolitiker. „Es ist aber auch Aufgabe der Wähler, bei ihrer Stimmabgabe darauf zu achten, ob die von ihnen unterstützten Kandidaten diese Eigenschaften aufweisen“, so SPD, FW und SöS.
Faktisch sieht es indes die Neue Linie. „Über eine Zusammenarbeit müssen wir uns augenblicklich keine Gedanken machen, falls Herr Rehm in dritter Instanz freigesprochen werden sollte und in den Gemeinderat einzieht, werden wir unseren politischen Kurs nicht verändern. Eine Zusammenarbeit würden wir aber im Vorfeld soweit ausschließen, da sich Herr Rehm weder im Wahlkampf – wie etwa an der Podiumsdiskussion des SÜDKURIER, obwohl er anwesend war – noch sonst zu politischen Themen in unserer Stadt geäußert hat.“
Laut SPD, FW und SöS-Stellungnahme würden die Mitglieder der AfD im Singener Gemeinderat bislang weder durch Kompetenz noch mit sachlich fundierten Beiträgen oder Vorschlägen glänzen, sondern durch Passivität, Überforderung und Schweigen. „Es gab in der Vergangenheit keine Basis einer Zusammenarbeit mit der AfD-Fraktion und dies sehen wir mit oder ohne Herrn Rehm auch für die Zukunft so“, sagen die Fraktionssprecher.
Und dennoch: „Wir müssen allerdings mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass das umfangreiche Vorstrafenregister Herrn Rehms bislang wohl nicht ausreicht, ihm die Wählbarkeit für öffentliche Ämter zu entziehen.“ SPD, FW und SöS hoffen nun, dass eine Verpflichtung erst nach der Ausschöpfung des Rechtswegs, insbesondere nach der Entscheidung über die Revision beim Oberlandesgericht, im Gemeinderat behandelt werde.